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Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg (Bayern), 2. März 1871.

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*** Mainz, 28 Febr. Die Wahlbewegung ist hier zur Zeit eine
sehr lebhafte. Am Sonntag fand im kurfürstlichen Schlosse, im sogenann-
ten Akademiesaal, große Versammlung der Fortschrittspartei statt, an
welcher wohl 1200 Personen theilnahmen, und welche sich mit großer Be-
geisterung für die Wahl Bambergers aussprach. Heute hält die demo-
kratische Partei, welche nach einigem Schwanken Hrn. Dr. Alexis Dumont
aufgestellt hat, ihre Wahlversammlung; doch läßt sich behaupten daß diese
Partei in einer sehr schwachen Minderheit bleiben und höchstens 12 bis
1500 Stimmen auf sich vereinigen wird, obwohl auch unsere Social-
demokraten Hrn. Dumont ihre Stimmen geben wollen. Bedenklicher ist
die Candidatur Moufangs, des Regens und Domcapitulars, für welche
mit dem bekannten Eifer und mit den bekannten Mitteln agitirt wird.
Gestern Abend hielt Hr. Moufang u. a. einen Vortrag über die Arbeiter-
frage, zu welcher alle Arbeiter und Arbeitgeber von Mainz eingeladen
waren; die 90 Proc. Arbeiter unter der Gesammtbevölkerung, die Wehr-
osigkeit derselben den Fabrikherren und überhaupt dem Capital gegenüber,
dann die unbillige Besteuerung ( welche mit höchst tadelnswerther Absicht-
lichkeit so dargestellt wurde als ob die bessergestellten Classen absolut, nicht
relativ weniger Steuern bezahlten als die Arbeiter ) spielten in diesem Vor-
trag eine große Rolle, und als Heilmittel wurden nicht nur Gesetze
gegen Frauen= und Kinderarbeit, gegen übertriebene Arbeitszeit, gegen
ungesunde Fabriklocale u. dgl., sondern auch gegen zu niedrigen Lohn
und gegen willkürliche Entlassung von Arbeitern verlangt, und nicht
minder, ganz in Lassalle'schem Sinne, die Hergabe von Staatssub-
vention für Arbeiter=Associationen, "da ja der Staat auch Garantie für
den Ertrag von Eisenbahnen übernehme." Auf solche Weise erfüllt die
Kirche ihre humanistische Aufgabe. Einstweilen ist es nicht unwahrschein-
lich daß weder Bamberger noch Moufang die absolute Mehrheit erhält und
also eine Nachwahl stattfinden muß. -- Aus der Eingangs erwähnten Ver-
sammlung im Akademiesaal verdient ein charakteristischer Vorfall mitge-
theilt zu werden. Hr. Bamberger sprach sich mit großer Heftigkeit über
das Ministerium Dalwigk aus, und äußerte unter anderm: von den " deut-
schen Grundrechten," die er aufstellen würde, gälte sicherlich §. 1 der Be-
seitigung dieses Ministeriums. Zum Belege wie unhaltbar dasselbe der
neuen Gestaltung der Dinge gegenüber sei, führte er sodann die Thatsache
an daß zu den Verfassungsverhandlungen in Versailles Hr. v. Dalwigk
nicht gleich den übrigen süddeutschen Ministern eingeladen worden sei, son-
dern erst habe anfragen lassen müssen ob sein Erscheinen nicht auch ge-
wünscht werde; und gegenwärtig wieder, wo man die süddeutschen Minister
anläßlich der Friedensunterhandlungen nach Versailles eingeladen habe,
sei Hr. v. Dalwigk der einzige an den eine solche Einladung nicht ergangen.
Während die Versammlung in stürmischen Beifall ausbrach, glaubte der
anwesende Polizeibeamte sich dieser Anführung gegenüber seines Vorge-
setzten annehmen zu müssen, und drohte mit Auflösung wenn in diesem
Sinn weiter gesprochen werde. Die hieraus entstehende heftige Aufre-
gung wurde durch die Erklärung des Redners beschwichtigt: er halte zwar
sein Recht so zu sprechen wie er gesprochen für zweifellos, wolle aber, mit
Rücksicht auf den Polizeibeamten selbst und dessen peinliche Lage diesen
Gegenstand verlassen. Uebrigens wird auch mir aus guter Quelle versichert
daß es wohl in nicht zu ferner Zeit mit dem Dalwigk'schen Regiment zu
Ende gehen werde. -- Zur Feier des Friedens wird auch Mainz eine Be-
leuchtung veranstalten; gelegentlich der Uebergabe von Paris war ange-
regt worden die Kosten einer Beleuchtung lieber für wohlthätige Zwecke zu
verwenden. Damals mochte dieß in der Ordnung sein. Eine Friedens-
feier aber läßt die Stadt sich nicht nehmen, und auch für den Empfang
der heimkehrenden Truppen sind die großartigsten Vorbereitungen schon
im Gange.

Berlin, 27 Febr. Der Bundesrath hielt heute Nachmittags um 2 Uhr
unter Vorsitz des Staatsministers Delbrück eine Plenarsitzung. Nach
Verlesung des Protocolls theilte der Vorsitzende den Wortlaut des amtlichen
Telegramms über Unterzeichnung der Friedens=Präliminarien, beziehungs-
weise Verlängerung des Waffenstillstands, mit. Auf Antrag des Präsi-
diums erklärte sich demnächst die Versammlung damit einverstanden daß
die vom Norddeutschen Bund erlassenen Ausfuhrverbote, soweit sie be-
stehen, durch kaiserliche Verordnung wieder aufgehoben werden sobald der
Friede abgeschlossen ist. Durch kaiserliche Verordnung sind in die Aus-
schüsse für Landheer und Seewesen ernannt: I. Landheer und Festungen:
Preußen, Baden, Sachsen, Mecklenburg=Schwerin, Sachsen=Coburg und
Anhalt. II. Seewesen: Preußen, Mecklenburg = Schwerin, Oldenburg,
Lübeck, Bremen. Sodann wurden folgende Vorlagen eingebracht und an
die betreffenden Ausschüsse verwiesen: Handels- ec. Vertrag mit Honduras
( Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten ) ; Antrag Badens wegen Zoll-
einschluß des auf Schweizer Gebiet belegenen Theils des Bahnhofes zu
Constanz; Anträge Badens zum Schadenersatz=Gesetz; Entwurf der Norma-
tiv=Bedingungen für Hafenregulative; Antrag Hessens wegen der Umzugs-
kosten für die zu den vereinsländischen Hauptämtern in den Hansestädten
[Spaltenumbruch] zu entsendenden Beamten; Antrag Braunschweigs zu dem Schadenersatz-
Gesetz; Antrag Hamburgs wegen der Zollvereinsniederlagen; ein Antrag,
betreffend die Abfertigung von Branntwein aus dem Zollvereins=Gebiet
zum Transit nach Elsaß und Lothringen; Antrag Mecklenburgs wegen des
Weinzoll=Rabatts; Antrag Württembergs wegen derjenigen württember-
gischen Orte die nach dem Wechselstempel=Gesetz als ein Ort zu betrachten
sind. Hiernach wurden nach kurzer Berichterstattung, und zwar überall in
Gemäßheit die Ausschuß=Anträge, angenommen: der Antrag Oldenburgs
wegen Aenderung der Gränze des Freihafenbezirkes Brake, zweitens die
Vorlage über die Wahlkreise in den süddeutschen Staaten und der Entwurf
der Geschäftsordnung. Schließlich kam eine Anzahl von Eingaben zur
Erledigung. Die oben erwähnten Anträge Badens zu dem Schadenersatz
Gesetze betreffen zunächst die Erstattung des gesammten Vermögensnach-
theils welchen der Getödtete während der Krankheit durch Verlust oder Ver-
minderung der Erwerbsfähigkeit erlitten hat. Ferner Verjährung der
Forderung nach zwei Jahren vom Tage der Verletzung auch gegen Min-
derjährige und diesen gleichgestellte Personen. Endlich einige Bestimmun-
gen, wonach in den Fällen in denen die Landesgesetze einen höheren Ersatz-
anspruch gewähren als das Reichsgesetz, das Landesgesetz in Kraft bleibt.
( K. Ztg. )

( -- ) Berlin, 27 Febr. Sämmtliche öffentliche Gebäude und eine
große Anzahl von Privathäusern haben sich jetzt für die bevorstehenden
Friedensfeste gerüstet. Nach dem Wetteifer bei den Vorkehrungen für die
Jllumination zu schließen, wird Berlin in dieser Richtung einen beispiel-
los feenhaften Glanz entfalten. Man kann sich daher denken in welcher
fieberhaften Spannung uns das Ausbleiben bestimmter Nachrichten über
die Lage der Friedensverhandlungen erhält. Niemals griff die Bevölke-
rung gieriger nach den Extrablättern als gestern, da sie von den fliegenden
Zeitungsverkäufern unter den bestechendsten Friedensgesängen ausge-
schrieen wurden. Aber der Jnhalt dieser Extrablätter entsprach nicht ent-
fernt den pomphaften Ankündigungen, und nie sah ich verblüffte Mienen
in solcher Menge als an diesem Tag. Jndessen tröstet man sich ziemlich
allgemein mit der Hoffnung daß der heutige Tag der peinigenden Ungewiß-
heit ein Ende bereiten werde. Wenn man übrigens hie und da sich nicht
ganz der Sorge entschlagen kann daß die Feindseligkeiten heute wieder
beginnen werden, so ist die Ursache eben in jener Ungewißheit zu suchen,
deren beängstigender Eindruck durch den in den letzten Tagen bewerk-
stelligten ziemlich starken Nachschub von frischen Streitkräften wesentlich
erhöht wird. Bis jetzt hat dieser Pessimismus jedoch noch nicht sehr an-
steckend gewirkt. Und in der That liegt ja in der zwingenden Kraft der
Thatsachen eine ziemlich sichere Bürgschaft für das Zustandekommen des
Friedens. Durchaus willkürlich und unberechtigt ist übrigens die Unter-
stellung Brüsseler Blätter daß die Berufung der süddeutschen Minister
nach Versailles deßhalb erfolgt sei, weil es sich bei den Bestimmungen des
Friedens hauptsächlich um die Deckung des süddeutschen Gebiets durch
Elsaß und Lothringen handle. Jhre Einladung ist vielmehr aus keinem
andern Grund als aus dem des Rechts und der Pflicht erfolgt. Der
Bundeskanzler war zu einer solchen Hinzuziehung der Südstaaten zu den
Friedensverhandlungen durch das Versprechen verpflichtet welches diesen
Staaten von unserer Seite bei Ausbruch des Krieges ertheilt worden war,
und letztere hatten auch ohne dieses Versprechen ein Anrecht auf eine Be-
theiligung an den Friedensverhandlungen kraft der Thatsache daß sie als
selbständige Alliirte des Norddeutschen Bundes mit in den Krieg gegen
Frankreich gezogen waren. Eine bedeutende Mitschuld an dem Ausbruch
dieses Krieges hatte unsere Presse dem letzten französischen Militärbevoll-
mächtigten am hiesigen Hof, Oberst Stoffel, zur Last gelegt, weil derselbe
angeblich in allen seinen Berichten sich sehr wegwerfend über die Leistungs-
fähigkeit der preußischen Armee ausgesprochen habe. Wie man sich er-
innert, hatte der Oberst Stoffel unter dieser Jnsinuation sehr arg zu leiden.
Schon damals trat ich jenen Ausstreuungen mit der Erklärung entgegen
daß Oberst Stoffel im Gegentheil mit der höchsten Anerkennung über den
Geist, die Disciplin, die Bewaffnung und die Führung der preußischen
Armee nach Paris berichtet, und mit allem Freimuth sich dahin ausgespro-
chen habe daß die französische Armee der unsrigen nicht gewachsen sei. Wie
sehr ich zu diesem Widerspruch berechtigt war, beweist der jetzt vom
"Staats=Anzeiger" veröffentlichte Wortlaut der Stoffel'schen Berichte, die
unter den geheimen Papieren des französischen Kaiserreichs in den Tuile-
rien entdeckt worden sind. -- Das Gerücht daß nach dem Friedensschluß
eine allgemeine Landestrauer für die in diesem Kriege gebliebenen Söhne
des Vaterlandes angeordnet werden soll, ist schwerlich begründet, obgleich
dasselbe der "Corresp. Zeidler" von beachtenswerther Seite bestätigt wird.
Wahrscheinlich wird man das Andenken der Gefallenen nicht durch eine
allgemeine Landestrauer, sondern durch ein feierliches Todtenamt ehren.
Vielleicht wird sich dasselbe an die Einzugsfeierlichkeiten schließen, und an
jenes die großartige Feier der Enthüllung des Denkmals Friedrich Wil-
helms III. Außerdem stehen noch in Aussicht die feierliche Enthüllung

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*** Mainz, 28 Febr. Die Wahlbewegung ist hier zur Zeit eine
sehr lebhafte. Am Sonntag fand im kurfürstlichen Schlosse, im sogenann-
ten Akademiesaal, große Versammlung der Fortschrittspartei statt, an
welcher wohl 1200 Personen theilnahmen, und welche sich mit großer Be-
geisterung für die Wahl Bambergers aussprach. Heute hält die demo-
kratische Partei, welche nach einigem Schwanken Hrn. Dr. Alexis Dumont
aufgestellt hat, ihre Wahlversammlung; doch läßt sich behaupten daß diese
Partei in einer sehr schwachen Minderheit bleiben und höchstens 12 bis
1500 Stimmen auf sich vereinigen wird, obwohl auch unsere Social-
demokraten Hrn. Dumont ihre Stimmen geben wollen. Bedenklicher ist
die Candidatur Moufangs, des Regens und Domcapitulars, für welche
mit dem bekannten Eifer und mit den bekannten Mitteln agitirt wird.
Gestern Abend hielt Hr. Moufang u. a. einen Vortrag über die Arbeiter-
frage, zu welcher alle Arbeiter und Arbeitgeber von Mainz eingeladen
waren; die 90 Proc. Arbeiter unter der Gesammtbevölkerung, die Wehr-
osigkeit derselben den Fabrikherren und überhaupt dem Capital gegenüber,
dann die unbillige Besteuerung ( welche mit höchst tadelnswerther Absicht-
lichkeit so dargestellt wurde als ob die bessergestellten Classen absolut, nicht
relativ weniger Steuern bezahlten als die Arbeiter ) spielten in diesem Vor-
trag eine große Rolle, und als Heilmittel wurden nicht nur Gesetze
gegen Frauen= und Kinderarbeit, gegen übertriebene Arbeitszeit, gegen
ungesunde Fabriklocale u. dgl., sondern auch gegen zu niedrigen Lohn
und gegen willkürliche Entlassung von Arbeitern verlangt, und nicht
minder, ganz in Lassalle'schem Sinne, die Hergabe von Staatssub-
vention für Arbeiter=Associationen, „da ja der Staat auch Garantie für
den Ertrag von Eisenbahnen übernehme.“ Auf solche Weise erfüllt die
Kirche ihre humanistische Aufgabe. Einstweilen ist es nicht unwahrschein-
lich daß weder Bamberger noch Moufang die absolute Mehrheit erhält und
also eine Nachwahl stattfinden muß. -- Aus der Eingangs erwähnten Ver-
sammlung im Akademiesaal verdient ein charakteristischer Vorfall mitge-
theilt zu werden. Hr. Bamberger sprach sich mit großer Heftigkeit über
das Ministerium Dalwigk aus, und äußerte unter anderm: von den „ deut-
schen Grundrechten,“ die er aufstellen würde, gälte sicherlich §. 1 der Be-
seitigung dieses Ministeriums. Zum Belege wie unhaltbar dasselbe der
neuen Gestaltung der Dinge gegenüber sei, führte er sodann die Thatsache
an daß zu den Verfassungsverhandlungen in Versailles Hr. v. Dalwigk
nicht gleich den übrigen süddeutschen Ministern eingeladen worden sei, son-
dern erst habe anfragen lassen müssen ob sein Erscheinen nicht auch ge-
wünscht werde; und gegenwärtig wieder, wo man die süddeutschen Minister
anläßlich der Friedensunterhandlungen nach Versailles eingeladen habe,
sei Hr. v. Dalwigk der einzige an den eine solche Einladung nicht ergangen.
Während die Versammlung in stürmischen Beifall ausbrach, glaubte der
anwesende Polizeibeamte sich dieser Anführung gegenüber seines Vorge-
setzten annehmen zu müssen, und drohte mit Auflösung wenn in diesem
Sinn weiter gesprochen werde. Die hieraus entstehende heftige Aufre-
gung wurde durch die Erklärung des Redners beschwichtigt: er halte zwar
sein Recht so zu sprechen wie er gesprochen für zweifellos, wolle aber, mit
Rücksicht auf den Polizeibeamten selbst und dessen peinliche Lage diesen
Gegenstand verlassen. Uebrigens wird auch mir aus guter Quelle versichert
daß es wohl in nicht zu ferner Zeit mit dem Dalwigk'schen Regiment zu
Ende gehen werde. -- Zur Feier des Friedens wird auch Mainz eine Be-
leuchtung veranstalten; gelegentlich der Uebergabe von Paris war ange-
regt worden die Kosten einer Beleuchtung lieber für wohlthätige Zwecke zu
verwenden. Damals mochte dieß in der Ordnung sein. Eine Friedens-
feier aber läßt die Stadt sich nicht nehmen, und auch für den Empfang
der heimkehrenden Truppen sind die großartigsten Vorbereitungen schon
im Gange.

Berlin, 27 Febr. Der Bundesrath hielt heute Nachmittags um 2 Uhr
unter Vorsitz des Staatsministers Delbrück eine Plenarsitzung. Nach
Verlesung des Protocolls theilte der Vorsitzende den Wortlaut des amtlichen
Telegramms über Unterzeichnung der Friedens=Präliminarien, beziehungs-
weise Verlängerung des Waffenstillstands, mit. Auf Antrag des Präsi-
diums erklärte sich demnächst die Versammlung damit einverstanden daß
die vom Norddeutschen Bund erlassenen Ausfuhrverbote, soweit sie be-
stehen, durch kaiserliche Verordnung wieder aufgehoben werden sobald der
Friede abgeschlossen ist. Durch kaiserliche Verordnung sind in die Aus-
schüsse für Landheer und Seewesen ernannt: I. Landheer und Festungen:
Preußen, Baden, Sachsen, Mecklenburg=Schwerin, Sachsen=Coburg und
Anhalt. II. Seewesen: Preußen, Mecklenburg = Schwerin, Oldenburg,
Lübeck, Bremen. Sodann wurden folgende Vorlagen eingebracht und an
die betreffenden Ausschüsse verwiesen: Handels- ec. Vertrag mit Honduras
( Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten ) ; Antrag Badens wegen Zoll-
einschluß des auf Schweizer Gebiet belegenen Theils des Bahnhofes zu
Constanz; Anträge Badens zum Schadenersatz=Gesetz; Entwurf der Norma-
tiv=Bedingungen für Hafenregulative; Antrag Hessens wegen der Umzugs-
kosten für die zu den vereinsländischen Hauptämtern in den Hansestädten
[Spaltenumbruch] zu entsendenden Beamten; Antrag Braunschweigs zu dem Schadenersatz-
Gesetz; Antrag Hamburgs wegen der Zollvereinsniederlagen; ein Antrag,
betreffend die Abfertigung von Branntwein aus dem Zollvereins=Gebiet
zum Transit nach Elsaß und Lothringen; Antrag Mecklenburgs wegen des
Weinzoll=Rabatts; Antrag Württembergs wegen derjenigen württember-
gischen Orte die nach dem Wechselstempel=Gesetz als ein Ort zu betrachten
sind. Hiernach wurden nach kurzer Berichterstattung, und zwar überall in
Gemäßheit die Ausschuß=Anträge, angenommen: der Antrag Oldenburgs
wegen Aenderung der Gränze des Freihafenbezirkes Brake, zweitens die
Vorlage über die Wahlkreise in den süddeutschen Staaten und der Entwurf
der Geschäftsordnung. Schließlich kam eine Anzahl von Eingaben zur
Erledigung. Die oben erwähnten Anträge Badens zu dem Schadenersatz
Gesetze betreffen zunächst die Erstattung des gesammten Vermögensnach-
theils welchen der Getödtete während der Krankheit durch Verlust oder Ver-
minderung der Erwerbsfähigkeit erlitten hat. Ferner Verjährung der
Forderung nach zwei Jahren vom Tage der Verletzung auch gegen Min-
derjährige und diesen gleichgestellte Personen. Endlich einige Bestimmun-
gen, wonach in den Fällen in denen die Landesgesetze einen höheren Ersatz-
anspruch gewähren als das Reichsgesetz, das Landesgesetz in Kraft bleibt.
( K. Ztg. )

( -- ) Berlin, 27 Febr. Sämmtliche öffentliche Gebäude und eine
große Anzahl von Privathäusern haben sich jetzt für die bevorstehenden
Friedensfeste gerüstet. Nach dem Wetteifer bei den Vorkehrungen für die
Jllumination zu schließen, wird Berlin in dieser Richtung einen beispiel-
los feenhaften Glanz entfalten. Man kann sich daher denken in welcher
fieberhaften Spannung uns das Ausbleiben bestimmter Nachrichten über
die Lage der Friedensverhandlungen erhält. Niemals griff die Bevölke-
rung gieriger nach den Extrablättern als gestern, da sie von den fliegenden
Zeitungsverkäufern unter den bestechendsten Friedensgesängen ausge-
schrieen wurden. Aber der Jnhalt dieser Extrablätter entsprach nicht ent-
fernt den pomphaften Ankündigungen, und nie sah ich verblüffte Mienen
in solcher Menge als an diesem Tag. Jndessen tröstet man sich ziemlich
allgemein mit der Hoffnung daß der heutige Tag der peinigenden Ungewiß-
heit ein Ende bereiten werde. Wenn man übrigens hie und da sich nicht
ganz der Sorge entschlagen kann daß die Feindseligkeiten heute wieder
beginnen werden, so ist die Ursache eben in jener Ungewißheit zu suchen,
deren beängstigender Eindruck durch den in den letzten Tagen bewerk-
stelligten ziemlich starken Nachschub von frischen Streitkräften wesentlich
erhöht wird. Bis jetzt hat dieser Pessimismus jedoch noch nicht sehr an-
steckend gewirkt. Und in der That liegt ja in der zwingenden Kraft der
Thatsachen eine ziemlich sichere Bürgschaft für das Zustandekommen des
Friedens. Durchaus willkürlich und unberechtigt ist übrigens die Unter-
stellung Brüsseler Blätter daß die Berufung der süddeutschen Minister
nach Versailles deßhalb erfolgt sei, weil es sich bei den Bestimmungen des
Friedens hauptsächlich um die Deckung des süddeutschen Gebiets durch
Elsaß und Lothringen handle. Jhre Einladung ist vielmehr aus keinem
andern Grund als aus dem des Rechts und der Pflicht erfolgt. Der
Bundeskanzler war zu einer solchen Hinzuziehung der Südstaaten zu den
Friedensverhandlungen durch das Versprechen verpflichtet welches diesen
Staaten von unserer Seite bei Ausbruch des Krieges ertheilt worden war,
und letztere hatten auch ohne dieses Versprechen ein Anrecht auf eine Be-
theiligung an den Friedensverhandlungen kraft der Thatsache daß sie als
selbständige Alliirte des Norddeutschen Bundes mit in den Krieg gegen
Frankreich gezogen waren. Eine bedeutende Mitschuld an dem Ausbruch
dieses Krieges hatte unsere Presse dem letzten französischen Militärbevoll-
mächtigten am hiesigen Hof, Oberst Stoffel, zur Last gelegt, weil derselbe
angeblich in allen seinen Berichten sich sehr wegwerfend über die Leistungs-
fähigkeit der preußischen Armee ausgesprochen habe. Wie man sich er-
innert, hatte der Oberst Stoffel unter dieser Jnsinuation sehr arg zu leiden.
Schon damals trat ich jenen Ausstreuungen mit der Erklärung entgegen
daß Oberst Stoffel im Gegentheil mit der höchsten Anerkennung über den
Geist, die Disciplin, die Bewaffnung und die Führung der preußischen
Armee nach Paris berichtet, und mit allem Freimuth sich dahin ausgespro-
chen habe daß die französische Armee der unsrigen nicht gewachsen sei. Wie
sehr ich zu diesem Widerspruch berechtigt war, beweist der jetzt vom
„Staats=Anzeiger“ veröffentlichte Wortlaut der Stoffel'schen Berichte, die
unter den geheimen Papieren des französischen Kaiserreichs in den Tuile-
rien entdeckt worden sind. -- Das Gerücht daß nach dem Friedensschluß
eine allgemeine Landestrauer für die in diesem Kriege gebliebenen Söhne
des Vaterlandes angeordnet werden soll, ist schwerlich begründet, obgleich
dasselbe der „Corresp. Zeidler“ von beachtenswerther Seite bestätigt wird.
Wahrscheinlich wird man das Andenken der Gefallenen nicht durch eine
allgemeine Landestrauer, sondern durch ein feierliches Todtenamt ehren.
Vielleicht wird sich dasselbe an die Einzugsfeierlichkeiten schließen, und an
jenes die großartige Feier der Enthüllung des Denkmals Friedrich Wil-
helms III. Außerdem stehen noch in Aussicht die feierliche Enthüllung

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[1024/0004] *** Mainz, 28 Febr. Die Wahlbewegung ist hier zur Zeit eine sehr lebhafte. Am Sonntag fand im kurfürstlichen Schlosse, im sogenann- ten Akademiesaal, große Versammlung der Fortschrittspartei statt, an welcher wohl 1200 Personen theilnahmen, und welche sich mit großer Be- geisterung für die Wahl Bambergers aussprach. Heute hält die demo- kratische Partei, welche nach einigem Schwanken Hrn. Dr. Alexis Dumont aufgestellt hat, ihre Wahlversammlung; doch läßt sich behaupten daß diese Partei in einer sehr schwachen Minderheit bleiben und höchstens 12 bis 1500 Stimmen auf sich vereinigen wird, obwohl auch unsere Social- demokraten Hrn. Dumont ihre Stimmen geben wollen. Bedenklicher ist die Candidatur Moufangs, des Regens und Domcapitulars, für welche mit dem bekannten Eifer und mit den bekannten Mitteln agitirt wird. Gestern Abend hielt Hr. Moufang u. a. einen Vortrag über die Arbeiter- frage, zu welcher alle Arbeiter und Arbeitgeber von Mainz eingeladen waren; die 90 Proc. Arbeiter unter der Gesammtbevölkerung, die Wehr- osigkeit derselben den Fabrikherren und überhaupt dem Capital gegenüber, dann die unbillige Besteuerung ( welche mit höchst tadelnswerther Absicht- lichkeit so dargestellt wurde als ob die bessergestellten Classen absolut, nicht relativ weniger Steuern bezahlten als die Arbeiter ) spielten in diesem Vor- trag eine große Rolle, und als Heilmittel wurden nicht nur Gesetze gegen Frauen= und Kinderarbeit, gegen übertriebene Arbeitszeit, gegen ungesunde Fabriklocale u. dgl., sondern auch gegen zu niedrigen Lohn und gegen willkürliche Entlassung von Arbeitern verlangt, und nicht minder, ganz in Lassalle'schem Sinne, die Hergabe von Staatssub- vention für Arbeiter=Associationen, „da ja der Staat auch Garantie für den Ertrag von Eisenbahnen übernehme.“ Auf solche Weise erfüllt die Kirche ihre humanistische Aufgabe. Einstweilen ist es nicht unwahrschein- lich daß weder Bamberger noch Moufang die absolute Mehrheit erhält und also eine Nachwahl stattfinden muß. -- Aus der Eingangs erwähnten Ver- sammlung im Akademiesaal verdient ein charakteristischer Vorfall mitge- theilt zu werden. Hr. Bamberger sprach sich mit großer Heftigkeit über das Ministerium Dalwigk aus, und äußerte unter anderm: von den „ deut- schen Grundrechten,“ die er aufstellen würde, gälte sicherlich §. 1 der Be- seitigung dieses Ministeriums. Zum Belege wie unhaltbar dasselbe der neuen Gestaltung der Dinge gegenüber sei, führte er sodann die Thatsache an daß zu den Verfassungsverhandlungen in Versailles Hr. v. Dalwigk nicht gleich den übrigen süddeutschen Ministern eingeladen worden sei, son- dern erst habe anfragen lassen müssen ob sein Erscheinen nicht auch ge- wünscht werde; und gegenwärtig wieder, wo man die süddeutschen Minister anläßlich der Friedensunterhandlungen nach Versailles eingeladen habe, sei Hr. v. Dalwigk der einzige an den eine solche Einladung nicht ergangen. Während die Versammlung in stürmischen Beifall ausbrach, glaubte der anwesende Polizeibeamte sich dieser Anführung gegenüber seines Vorge- setzten annehmen zu müssen, und drohte mit Auflösung wenn in diesem Sinn weiter gesprochen werde. Die hieraus entstehende heftige Aufre- gung wurde durch die Erklärung des Redners beschwichtigt: er halte zwar sein Recht so zu sprechen wie er gesprochen für zweifellos, wolle aber, mit Rücksicht auf den Polizeibeamten selbst und dessen peinliche Lage diesen Gegenstand verlassen. Uebrigens wird auch mir aus guter Quelle versichert daß es wohl in nicht zu ferner Zeit mit dem Dalwigk'schen Regiment zu Ende gehen werde. -- Zur Feier des Friedens wird auch Mainz eine Be- leuchtung veranstalten; gelegentlich der Uebergabe von Paris war ange- regt worden die Kosten einer Beleuchtung lieber für wohlthätige Zwecke zu verwenden. Damals mochte dieß in der Ordnung sein. Eine Friedens- feier aber läßt die Stadt sich nicht nehmen, und auch für den Empfang der heimkehrenden Truppen sind die großartigsten Vorbereitungen schon im Gange. Berlin, 27 Febr. Der Bundesrath hielt heute Nachmittags um 2 Uhr unter Vorsitz des Staatsministers Delbrück eine Plenarsitzung. Nach Verlesung des Protocolls theilte der Vorsitzende den Wortlaut des amtlichen Telegramms über Unterzeichnung der Friedens=Präliminarien, beziehungs- weise Verlängerung des Waffenstillstands, mit. Auf Antrag des Präsi- diums erklärte sich demnächst die Versammlung damit einverstanden daß die vom Norddeutschen Bund erlassenen Ausfuhrverbote, soweit sie be- stehen, durch kaiserliche Verordnung wieder aufgehoben werden sobald der Friede abgeschlossen ist. Durch kaiserliche Verordnung sind in die Aus- schüsse für Landheer und Seewesen ernannt: I. Landheer und Festungen: Preußen, Baden, Sachsen, Mecklenburg=Schwerin, Sachsen=Coburg und Anhalt. II. Seewesen: Preußen, Mecklenburg = Schwerin, Oldenburg, Lübeck, Bremen. Sodann wurden folgende Vorlagen eingebracht und an die betreffenden Ausschüsse verwiesen: Handels- ec. Vertrag mit Honduras ( Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten ) ; Antrag Badens wegen Zoll- einschluß des auf Schweizer Gebiet belegenen Theils des Bahnhofes zu Constanz; Anträge Badens zum Schadenersatz=Gesetz; Entwurf der Norma- tiv=Bedingungen für Hafenregulative; Antrag Hessens wegen der Umzugs- kosten für die zu den vereinsländischen Hauptämtern in den Hansestädten zu entsendenden Beamten; Antrag Braunschweigs zu dem Schadenersatz- Gesetz; Antrag Hamburgs wegen der Zollvereinsniederlagen; ein Antrag, betreffend die Abfertigung von Branntwein aus dem Zollvereins=Gebiet zum Transit nach Elsaß und Lothringen; Antrag Mecklenburgs wegen des Weinzoll=Rabatts; Antrag Württembergs wegen derjenigen württember- gischen Orte die nach dem Wechselstempel=Gesetz als ein Ort zu betrachten sind. Hiernach wurden nach kurzer Berichterstattung, und zwar überall in Gemäßheit die Ausschuß=Anträge, angenommen: der Antrag Oldenburgs wegen Aenderung der Gränze des Freihafenbezirkes Brake, zweitens die Vorlage über die Wahlkreise in den süddeutschen Staaten und der Entwurf der Geschäftsordnung. Schließlich kam eine Anzahl von Eingaben zur Erledigung. Die oben erwähnten Anträge Badens zu dem Schadenersatz Gesetze betreffen zunächst die Erstattung des gesammten Vermögensnach- theils welchen der Getödtete während der Krankheit durch Verlust oder Ver- minderung der Erwerbsfähigkeit erlitten hat. Ferner Verjährung der Forderung nach zwei Jahren vom Tage der Verletzung auch gegen Min- derjährige und diesen gleichgestellte Personen. Endlich einige Bestimmun- gen, wonach in den Fällen in denen die Landesgesetze einen höheren Ersatz- anspruch gewähren als das Reichsgesetz, das Landesgesetz in Kraft bleibt. ( K. Ztg. ) ( -- ) Berlin, 27 Febr. Sämmtliche öffentliche Gebäude und eine große Anzahl von Privathäusern haben sich jetzt für die bevorstehenden Friedensfeste gerüstet. Nach dem Wetteifer bei den Vorkehrungen für die Jllumination zu schließen, wird Berlin in dieser Richtung einen beispiel- los feenhaften Glanz entfalten. Man kann sich daher denken in welcher fieberhaften Spannung uns das Ausbleiben bestimmter Nachrichten über die Lage der Friedensverhandlungen erhält. Niemals griff die Bevölke- rung gieriger nach den Extrablättern als gestern, da sie von den fliegenden Zeitungsverkäufern unter den bestechendsten Friedensgesängen ausge- schrieen wurden. Aber der Jnhalt dieser Extrablätter entsprach nicht ent- fernt den pomphaften Ankündigungen, und nie sah ich verblüffte Mienen in solcher Menge als an diesem Tag. Jndessen tröstet man sich ziemlich allgemein mit der Hoffnung daß der heutige Tag der peinigenden Ungewiß- heit ein Ende bereiten werde. Wenn man übrigens hie und da sich nicht ganz der Sorge entschlagen kann daß die Feindseligkeiten heute wieder beginnen werden, so ist die Ursache eben in jener Ungewißheit zu suchen, deren beängstigender Eindruck durch den in den letzten Tagen bewerk- stelligten ziemlich starken Nachschub von frischen Streitkräften wesentlich erhöht wird. Bis jetzt hat dieser Pessimismus jedoch noch nicht sehr an- steckend gewirkt. Und in der That liegt ja in der zwingenden Kraft der Thatsachen eine ziemlich sichere Bürgschaft für das Zustandekommen des Friedens. Durchaus willkürlich und unberechtigt ist übrigens die Unter- stellung Brüsseler Blätter daß die Berufung der süddeutschen Minister nach Versailles deßhalb erfolgt sei, weil es sich bei den Bestimmungen des Friedens hauptsächlich um die Deckung des süddeutschen Gebiets durch Elsaß und Lothringen handle. Jhre Einladung ist vielmehr aus keinem andern Grund als aus dem des Rechts und der Pflicht erfolgt. Der Bundeskanzler war zu einer solchen Hinzuziehung der Südstaaten zu den Friedensverhandlungen durch das Versprechen verpflichtet welches diesen Staaten von unserer Seite bei Ausbruch des Krieges ertheilt worden war, und letztere hatten auch ohne dieses Versprechen ein Anrecht auf eine Be- theiligung an den Friedensverhandlungen kraft der Thatsache daß sie als selbständige Alliirte des Norddeutschen Bundes mit in den Krieg gegen Frankreich gezogen waren. Eine bedeutende Mitschuld an dem Ausbruch dieses Krieges hatte unsere Presse dem letzten französischen Militärbevoll- mächtigten am hiesigen Hof, Oberst Stoffel, zur Last gelegt, weil derselbe angeblich in allen seinen Berichten sich sehr wegwerfend über die Leistungs- fähigkeit der preußischen Armee ausgesprochen habe. Wie man sich er- innert, hatte der Oberst Stoffel unter dieser Jnsinuation sehr arg zu leiden. Schon damals trat ich jenen Ausstreuungen mit der Erklärung entgegen daß Oberst Stoffel im Gegentheil mit der höchsten Anerkennung über den Geist, die Disciplin, die Bewaffnung und die Führung der preußischen Armee nach Paris berichtet, und mit allem Freimuth sich dahin ausgespro- chen habe daß die französische Armee der unsrigen nicht gewachsen sei. Wie sehr ich zu diesem Widerspruch berechtigt war, beweist der jetzt vom „Staats=Anzeiger“ veröffentlichte Wortlaut der Stoffel'schen Berichte, die unter den geheimen Papieren des französischen Kaiserreichs in den Tuile- rien entdeckt worden sind. -- Das Gerücht daß nach dem Friedensschluß eine allgemeine Landestrauer für die in diesem Kriege gebliebenen Söhne des Vaterlandes angeordnet werden soll, ist schwerlich begründet, obgleich dasselbe der „Corresp. Zeidler“ von beachtenswerther Seite bestätigt wird. Wahrscheinlich wird man das Andenken der Gefallenen nicht durch eine allgemeine Landestrauer, sondern durch ein feierliches Todtenamt ehren. Vielleicht wird sich dasselbe an die Einzugsfeierlichkeiten schließen, und an jenes die großartige Feier der Enthüllung des Denkmals Friedrich Wil- helms III. Außerdem stehen noch in Aussicht die feierliche Enthüllung

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Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

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  • langes s (?): in Frakturschrift als s transkribiert, in Antiquaschrift beibehalten.
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert.
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert.
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst.
  • Zeichensetzung: DTABf-getreu.



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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg (Bayern), 2. März 1871, S. 1024. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_augsburg61_1871/4>, abgerufen am 28.03.2024.