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Der Arbeitgeber. Nr. 675. Frankfurt a. M., 8. April 1870.

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Der "Arbeitgeber" erscheint
wöchentlich,
die "Patentliste" monatlich.
Preis: 1 / 2 jährl. in Preußen
3 fl. 2 kr. od. 1 Thlr. 22 Gr.,
bei allen übrigen deutschen
Postämtern 2 fl. 55 kr. od.
1 2 / 3 Thlr. Anzeigen: für die
dreispaltige Petitzeile od. deren
Raum 6 kr. Der Betrag wird
durch Postnachnahme erhoben.
Kleine Beträge können durch
Briefmarken ausgeglichen
werden.
Red. des "Arbeitgeber",
Gallusgasse 9.
in Frankfurt a. M.

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Der
Arbeitgeber.
Archiv für die gesammte Volkswirthschaft,
Central-Anzeiger für Stellen- und Arbeitergesuche.

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Bestellungen werden von allen
Postämtern u. Buchhandlun-
gen, von letzteren auch Jnse-
rate
jederzeit angenommen.
Briefe werden franco erbeten.
Das Patent= u. Maschinen-
Geschäft des "Arbeitgeber"
übernimmt die Ausführung
neuer Erfindungen, vermit-
telt den Ankauf ( zum Fabrik-
preis ) und Verkauf von Ma-
schinen aller Art, es besorgt
Patente für alle Länder und
übernimmt deren Ver-
werthung.

[Ende Spaltensatz]

Nro 675.
Usingen bei
Frankfurt a. M., 8. April
1870.


[Beginn Spaltensatz]
Volkswirthschaftliches Leben der Deutschen in Amerika.
( Original=Korrespondenz des "Arbeitgeber." )
I.

New=York. Es kann nicht unser Zweck sein, eine erschöpfende
Darstellung des sozialen Lebens hier zu geben. So Vieles, Falsches
und Wahres wurde schon darüber geschrieben, daß es genügt, die Dinge
darzustellen, wie sie sind, und dann eigenen Witz zu sparen, mit
welchem die meisten Touristen ihre Darstellungen gefärbt und ge-
fälscht und dadurch einen falschen Eindruck beim Leser hervorgerufen
haben. Es ist viel leichter für einen fremde Länder durchziehenden
Literaten, der die Absicht mitbringt, ein geistreiches Buch zu schreiben,
über das, was ihm fremdartig gegenübertritt, zu spötteln, als diese
Zustände in ihren Ursachen zu erkennen und sie so dem Leser be-
greiflich zu machen. Noch kein Land und kein Volk hatte das Un-
glück in dem Maße wie Amerika, von so vielen faden, blasirten und
oberflächlichen Stümpern kritisirt worden zu sein. Selbst Leute, die
nie den amerikanischen Boden betreten haben, waren kühn und naiv
genug, dem deutschen Volke Bücher über Amerika vorzulegen. Der
Löwe mit dem Maulkorbe brüllt moralische Betrachtungen über seine
ungeschlachten Brüder über das Meer herüber, zu nicht geringem
Wohlgefallen seiner Zuchtmeister.

Die Staatsweisen und Professoren "streiten sich schon lange
über den Zweck des Staates"; es scheint jedoch jetzt zugegeben, daß
ein Zweck desselben das Wohlergehen, der Wohlstand des größtmög-
lichsten Theils des Volkes sei. Die Doctrinäre des sogenannten
Sozialismus haben vielfache Schablonen für einen neuen Staat auf-
gestellt, der dem Einzelnen das höchste Wohlergehen sichern sollte.
Die Organisation der Arbeit, das Phalanstere, die ikarische Gemeinde
sind alle auf den Gedanken gegründet, daß der Einzelne überwacht
und bevormundet werden müsse, um die höchste Summe leiblichen
Wohlbefindens zu genießen. Die Gründer dieser Systeme sind alle
Franzosen, und in der That ist es eine ächt monarchisch cäsarisch-
französische Jdee, den Staatsbürger auf Befehl von Oben glücklich
machen zu wollen. Sie ignoriren durchgängig das freie Jndividuum
mit seinem unbändigen Egoismus, einer Kraft, die am Ende die
Grundursache aller Thätigkeit, Rührigkeit und jeglichen Fortschritts
in der menschlichen Gesellschaft ist. Weil sie diese Kraft nicht aner-
kennen wollen, so ist ihnen auch das Lebenselement, in der diese
Kraft nur allseitig wirken kann, gleichgültig: die staatliche Freiheit.
Die jetzigen Ausläufer dieser Schulen in Deutschland und Frankreich
geben sich, vielleicht von monarchischen Agenten an der Nase geführt,
immer noch dem thörichten Wahn hin, die Staatsform sei ihnen
gleichgültig, wenn man ihnen nur ihr sozialistisches Steckenpferd lasse,
mit dem sie die Menschheit in ein Arbeitssystem einschrauben wollen,
wie es in Strafanstalten eingeführt ist. Die Verehrer dieser Systeme
hatten seit ihrer Erfindung hier in Amerika vollständig freien Raum,
sie zu probiren, und sie thaten es auch mit einem Aufwande von
vielem Kapitale, Arbeitskraft und gutem Willen. Sie sind heute
bis auf die letzte Spur verschwunden, und die überlebenden Mitglie-
der haben sich leidlich daran gewöhnt, ihr Brod auf dem gewöhnlichen
Wege durch Arbeit zu verdienen. Diese Arbeit aber wird immer
gut bezahlt, wo ein Volk frei ist, so daß Jedermann sich sein Wohl-
ergehen mit dem Aequivalente seiner Arbeit leicht und nach eignem
Geschmacke verschaffen kann. Aus demselben Grunde sind die sozia-
listischen Systeme hier gründlich vergessen, und Niemand fühlt die
[Spaltenumbruch] Nothwendigkeit einer Aenderung. Das was die Sozialisten suchen,
eine größere Summe des Wohlergehens der arbeitenden Klassen, exi-
stirt eben hier. Die Arbeitslöhne sind in gewöhnlichen Zeiten hier
höher und die Preise der Lebensmittel verhältnißmäßig niederer, als
in irgend einem anderen Lande. Der Arbeiter hier ist kein franzö-
sischer ouvrier, der von sich selbst und von Anderen als eine beson-
dere Klasse der Gesellschaft angesehen wird, welche ein Privilegium
auf die spezielle Fürsorge und Mildthätigkeit der Reichen und der
Regierung hat. Ein amerikanischer Arbeiter würde sich schämen, als
ein Mündel der Gesellschaft behandelt zu werden, dem der Staat
Kasernen bauen muß, damit er nur einen Platz hat, wo er sein
müdes Haupt hinlegen kann. Jn diesen Worten liegt keine Belei-
digung des europäischen Arbeiters, da nicht er, sondern die politischen
Zustände die Ursache seiner Armuth sind. Man werfe hier nicht
ein, daß hier in Amerika das weite unbebaute Land, die Ursache des
bessern Fortkommens des Arbeiters sei. Der Handwerker und der
Künstler setzen sich auch hier nicht in die Wildniß, wenn sie etwas
verdienen wollen, aus sehr einleuchtenden Gründen. Jeder Arbeiter
ist hier Bürger und verlangt von dem Staate nicht mehr, als jeder
andere. Er macht sich sein sozialistisches System nach seinem Gut-
dünken und nach der Höhe seines Lohnes. Jst er ledig, so schläft
und ißt er in einem Kosthause; ist er verheirathet, so nimmt er,
wenn der Ort der Arbeit weit entfernt ist, sein Mittagessen Morgens
mit, oder Frau oder Kind bringen es ihm. Er wohnt in einem
anständigen Häuschen und ist so sein eigener Herr zu Hause. Die
bei weitem größte Zahl der Arbeiter ist verheirathet, und die Ledigen
heirathen, sobald sie nur so viel verdienen können, als zu einem
Haushalte nöthig ist. Diese Raschheit im Heirathen, die in andern
Ländern eine sträfliche Unvorsichtigkeit genannt würde, erklärt sich
daraus, daß Jeder weiß, daß er als verheiratheter Mann nicht mehr
braucht, als wenn er in dem Wirthshause leben muß und zweitens,
weil er sicher ist, mit jedem Jahre, wenn er nur fleißig ist, mehr
verdienen und endlich selbständig werden zu können. Jn fünf bis
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Schneider, Schuhmacher, Schreiner, Bäcker, Metzger ec. selbständige
Geschäfte. Bei anderen, z. B. Maschinenarbeitern, erfordert es na-
türlich mehr Kapital um selbständige Geschäfte anzufangen. Diese
und andere ähnliche Gewerbe haben aber einen so hohen Lohn, daß
sie bald ein kleines Vermögen sparen können, womit sie dann, wenn
ihnen das Arbeiten für Andere nicht mehr gefällt, irgend ein Ge-
schäft anderer Art, das weniger Kapital erfordert, anfangen können.
Mit den Arbeitern auf dem Lande ist es ähnlich. Man sieht sie
häufig in fünf bis zehn Jahren als selbständige Farmer, obgleich
dieß bei dem verhältnißmäßig geringen Lohn unmöglich scheint. Die
Arbeit auf den Farmen scheint hart für die, die an sie nicht ge-
wöhnt sind. Für die darin Erfahrenen ist sie ein Spiel und ein
Vergnügen. Mit den jetzt sich vortrefflich bewährenden Gangpflügen,
( doppelte Pflugschaar ) fährt der Farmer mit vier Pferden mit einer
Bequemlichkeit, daß er, wenn die Pferde gut sind, auf seinem hohen
Sitze die Zeitung lesen kann. Die Dresch= und Säe=Maschinen, die
überall im Gebrauche sind, erleichtern die Arbeit und kürzen sie ab.
Zwei Knaben können jetzt ein Stück Feld säen, das vier Arbeiter in
derselben Zeit früher nicht hätten besäen können. Während des
Krieges, als die Arbeit sehr theuer war, wurde an den land-
wirthschaftlichen Maschinen eine Menge Verbesserungen
angebracht,
die jetzt im Gebrauche sind. Die Arbeiter im Allge-
meinen haben in Amerika festere und geregeltere Organisationen, als

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Der „Arbeitgeber“ erscheint
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neuer Erfindungen, vermit-
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Nro 675.
Usingen bei
Frankfurt a. M., 8. April
1870.


[Beginn Spaltensatz]
Volkswirthschaftliches Leben der Deutschen in Amerika.
( Original=Korrespondenz des „Arbeitgeber.“ )
I.

New=York. Es kann nicht unser Zweck sein, eine erschöpfende
Darstellung des sozialen Lebens hier zu geben. So Vieles, Falsches
und Wahres wurde schon darüber geschrieben, daß es genügt, die Dinge
darzustellen, wie sie sind, und dann eigenen Witz zu sparen, mit
welchem die meisten Touristen ihre Darstellungen gefärbt und ge-
fälscht und dadurch einen falschen Eindruck beim Leser hervorgerufen
haben. Es ist viel leichter für einen fremde Länder durchziehenden
Literaten, der die Absicht mitbringt, ein geistreiches Buch zu schreiben,
über das, was ihm fremdartig gegenübertritt, zu spötteln, als diese
Zustände in ihren Ursachen zu erkennen und sie so dem Leser be-
greiflich zu machen. Noch kein Land und kein Volk hatte das Un-
glück in dem Maße wie Amerika, von so vielen faden, blasirten und
oberflächlichen Stümpern kritisirt worden zu sein. Selbst Leute, die
nie den amerikanischen Boden betreten haben, waren kühn und naiv
genug, dem deutschen Volke Bücher über Amerika vorzulegen. Der
Löwe mit dem Maulkorbe brüllt moralische Betrachtungen über seine
ungeschlachten Brüder über das Meer herüber, zu nicht geringem
Wohlgefallen seiner Zuchtmeister.

Die Staatsweisen und Professoren „streiten sich schon lange
über den Zweck des Staates“; es scheint jedoch jetzt zugegeben, daß
ein Zweck desselben das Wohlergehen, der Wohlstand des größtmög-
lichsten Theils des Volkes sei. Die Doctrinäre des sogenannten
Sozialismus haben vielfache Schablonen für einen neuen Staat auf-
gestellt, der dem Einzelnen das höchste Wohlergehen sichern sollte.
Die Organisation der Arbeit, das Phalanstère, die ikarische Gemeinde
sind alle auf den Gedanken gegründet, daß der Einzelne überwacht
und bevormundet werden müsse, um die höchste Summe leiblichen
Wohlbefindens zu genießen. Die Gründer dieser Systeme sind alle
Franzosen, und in der That ist es eine ächt monarchisch cäsarisch-
französische Jdee, den Staatsbürger auf Befehl von Oben glücklich
machen zu wollen. Sie ignoriren durchgängig das freie Jndividuum
mit seinem unbändigen Egoismus, einer Kraft, die am Ende die
Grundursache aller Thätigkeit, Rührigkeit und jeglichen Fortschritts
in der menschlichen Gesellschaft ist. Weil sie diese Kraft nicht aner-
kennen wollen, so ist ihnen auch das Lebenselement, in der diese
Kraft nur allseitig wirken kann, gleichgültig: die staatliche Freiheit.
Die jetzigen Ausläufer dieser Schulen in Deutschland und Frankreich
geben sich, vielleicht von monarchischen Agenten an der Nase geführt,
immer noch dem thörichten Wahn hin, die Staatsform sei ihnen
gleichgültig, wenn man ihnen nur ihr sozialistisches Steckenpferd lasse,
mit dem sie die Menschheit in ein Arbeitssystem einschrauben wollen,
wie es in Strafanstalten eingeführt ist. Die Verehrer dieser Systeme
hatten seit ihrer Erfindung hier in Amerika vollständig freien Raum,
sie zu probiren, und sie thaten es auch mit einem Aufwande von
vielem Kapitale, Arbeitskraft und gutem Willen. Sie sind heute
bis auf die letzte Spur verschwunden, und die überlebenden Mitglie-
der haben sich leidlich daran gewöhnt, ihr Brod auf dem gewöhnlichen
Wege durch Arbeit zu verdienen. Diese Arbeit aber wird immer
gut bezahlt, wo ein Volk frei ist, so daß Jedermann sich sein Wohl-
ergehen mit dem Aequivalente seiner Arbeit leicht und nach eignem
Geschmacke verschaffen kann. Aus demselben Grunde sind die sozia-
listischen Systeme hier gründlich vergessen, und Niemand fühlt die
[Spaltenumbruch] Nothwendigkeit einer Aenderung. Das was die Sozialisten suchen,
eine größere Summe des Wohlergehens der arbeitenden Klassen, exi-
stirt eben hier. Die Arbeitslöhne sind in gewöhnlichen Zeiten hier
höher und die Preise der Lebensmittel verhältnißmäßig niederer, als
in irgend einem anderen Lande. Der Arbeiter hier ist kein franzö-
sischer ouvrier, der von sich selbst und von Anderen als eine beson-
dere Klasse der Gesellschaft angesehen wird, welche ein Privilegium
auf die spezielle Fürsorge und Mildthätigkeit der Reichen und der
Regierung hat. Ein amerikanischer Arbeiter würde sich schämen, als
ein Mündel der Gesellschaft behandelt zu werden, dem der Staat
Kasernen bauen muß, damit er nur einen Platz hat, wo er sein
müdes Haupt hinlegen kann. Jn diesen Worten liegt keine Belei-
digung des europäischen Arbeiters, da nicht er, sondern die politischen
Zustände die Ursache seiner Armuth sind. Man werfe hier nicht
ein, daß hier in Amerika das weite unbebaute Land, die Ursache des
bessern Fortkommens des Arbeiters sei. Der Handwerker und der
Künstler setzen sich auch hier nicht in die Wildniß, wenn sie etwas
verdienen wollen, aus sehr einleuchtenden Gründen. Jeder Arbeiter
ist hier Bürger und verlangt von dem Staate nicht mehr, als jeder
andere. Er macht sich sein sozialistisches System nach seinem Gut-
dünken und nach der Höhe seines Lohnes. Jst er ledig, so schläft
und ißt er in einem Kosthause; ist er verheirathet, so nimmt er,
wenn der Ort der Arbeit weit entfernt ist, sein Mittagessen Morgens
mit, oder Frau oder Kind bringen es ihm. Er wohnt in einem
anständigen Häuschen und ist so sein eigener Herr zu Hause. Die
bei weitem größte Zahl der Arbeiter ist verheirathet, und die Ledigen
heirathen, sobald sie nur so viel verdienen können, als zu einem
Haushalte nöthig ist. Diese Raschheit im Heirathen, die in andern
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daraus, daß Jeder weiß, daß er als verheiratheter Mann nicht mehr
braucht, als wenn er in dem Wirthshause leben muß und zweitens,
weil er sicher ist, mit jedem Jahre, wenn er nur fleißig ist, mehr
verdienen und endlich selbständig werden zu können. Jn fünf bis
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Schneider, Schuhmacher, Schreiner, Bäcker, Metzger ec. selbständige
Geschäfte. Bei anderen, z. B. Maschinenarbeitern, erfordert es na-
türlich mehr Kapital um selbständige Geschäfte anzufangen. Diese
und andere ähnliche Gewerbe haben aber einen so hohen Lohn, daß
sie bald ein kleines Vermögen sparen können, womit sie dann, wenn
ihnen das Arbeiten für Andere nicht mehr gefällt, irgend ein Ge-
schäft anderer Art, das weniger Kapital erfordert, anfangen können.
Mit den Arbeitern auf dem Lande ist es ähnlich. Man sieht sie
häufig in fünf bis zehn Jahren als selbständige Farmer, obgleich
dieß bei dem verhältnißmäßig geringen Lohn unmöglich scheint. Die
Arbeit auf den Farmen scheint hart für die, die an sie nicht ge-
wöhnt sind. Für die darin Erfahrenen ist sie ein Spiel und ein
Vergnügen. Mit den jetzt sich vortrefflich bewährenden Gangpflügen,
( doppelte Pflugschaar ) fährt der Farmer mit vier Pferden mit einer
Bequemlichkeit, daß er, wenn die Pferde gut sind, auf seinem hohen
Sitze die Zeitung lesen kann. Die Dresch= und Säe=Maschinen, die
überall im Gebrauche sind, erleichtern die Arbeit und kürzen sie ab.
Zwei Knaben können jetzt ein Stück Feld säen, das vier Arbeiter in
derselben Zeit früher nicht hätten besäen können. Während des
Krieges, als die Arbeit sehr theuer war, wurde an den land-
wirthschaftlichen Maschinen eine Menge Verbesserungen
angebracht,
die jetzt im Gebrauche sind. Die Arbeiter im Allge-
meinen haben in Amerika festere und geregeltere Organisationen, als

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[0001] Der „Arbeitgeber“ erscheint wöchentlich, die „Patentliste“ monatlich. Preis: 1 / 2 jährl. in Preußen 3 fl. 2 kr. od. 1 Thlr. 22 Gr., bei allen übrigen deutschen Postämtern 2 fl. 55 kr. od. 1 2 / 3 Thlr. Anzeigen: für die dreispaltige Petitzeile od. deren Raum 6 kr. Der Betrag wird durch Postnachnahme erhoben. Kleine Beträge können durch Briefmarken ausgeglichen werden. Red. des „Arbeitgeber“, Gallusgasse 9. in Frankfurt a. M. Der Arbeitgeber. Archiv für die gesammte Volkswirthschaft, Central-Anzeiger für Stellen- und Arbeitergesuche. Bestellungen werden von allen Postämtern u. Buchhandlun- gen, von letzteren auch Jnse- rate jederzeit angenommen. Briefe werden franco erbeten. Das Patent= u. Maschinen- Geschäft des „Arbeitgeber“ übernimmt die Ausführung neuer Erfindungen, vermit- telt den Ankauf ( zum Fabrik- preis ) und Verkauf von Ma- schinen aller Art, es besorgt Patente für alle Länder und übernimmt deren Ver- werthung. Nro 675. Usingen bei Frankfurt a. M., 8. April 1870. Volkswirthschaftliches Leben der Deutschen in Amerika. ( Original=Korrespondenz des „Arbeitgeber.“ ) I. New=York. Es kann nicht unser Zweck sein, eine erschöpfende Darstellung des sozialen Lebens hier zu geben. So Vieles, Falsches und Wahres wurde schon darüber geschrieben, daß es genügt, die Dinge darzustellen, wie sie sind, und dann eigenen Witz zu sparen, mit welchem die meisten Touristen ihre Darstellungen gefärbt und ge- fälscht und dadurch einen falschen Eindruck beim Leser hervorgerufen haben. Es ist viel leichter für einen fremde Länder durchziehenden Literaten, der die Absicht mitbringt, ein geistreiches Buch zu schreiben, über das, was ihm fremdartig gegenübertritt, zu spötteln, als diese Zustände in ihren Ursachen zu erkennen und sie so dem Leser be- greiflich zu machen. Noch kein Land und kein Volk hatte das Un- glück in dem Maße wie Amerika, von so vielen faden, blasirten und oberflächlichen Stümpern kritisirt worden zu sein. Selbst Leute, die nie den amerikanischen Boden betreten haben, waren kühn und naiv genug, dem deutschen Volke Bücher über Amerika vorzulegen. Der Löwe mit dem Maulkorbe brüllt moralische Betrachtungen über seine ungeschlachten Brüder über das Meer herüber, zu nicht geringem Wohlgefallen seiner Zuchtmeister. Die Staatsweisen und Professoren „streiten sich schon lange über den Zweck des Staates“; es scheint jedoch jetzt zugegeben, daß ein Zweck desselben das Wohlergehen, der Wohlstand des größtmög- lichsten Theils des Volkes sei. Die Doctrinäre des sogenannten Sozialismus haben vielfache Schablonen für einen neuen Staat auf- gestellt, der dem Einzelnen das höchste Wohlergehen sichern sollte. Die Organisation der Arbeit, das Phalanstère, die ikarische Gemeinde sind alle auf den Gedanken gegründet, daß der Einzelne überwacht und bevormundet werden müsse, um die höchste Summe leiblichen Wohlbefindens zu genießen. Die Gründer dieser Systeme sind alle Franzosen, und in der That ist es eine ächt monarchisch cäsarisch- französische Jdee, den Staatsbürger auf Befehl von Oben glücklich machen zu wollen. Sie ignoriren durchgängig das freie Jndividuum mit seinem unbändigen Egoismus, einer Kraft, die am Ende die Grundursache aller Thätigkeit, Rührigkeit und jeglichen Fortschritts in der menschlichen Gesellschaft ist. Weil sie diese Kraft nicht aner- kennen wollen, so ist ihnen auch das Lebenselement, in der diese Kraft nur allseitig wirken kann, gleichgültig: die staatliche Freiheit. Die jetzigen Ausläufer dieser Schulen in Deutschland und Frankreich geben sich, vielleicht von monarchischen Agenten an der Nase geführt, immer noch dem thörichten Wahn hin, die Staatsform sei ihnen gleichgültig, wenn man ihnen nur ihr sozialistisches Steckenpferd lasse, mit dem sie die Menschheit in ein Arbeitssystem einschrauben wollen, wie es in Strafanstalten eingeführt ist. Die Verehrer dieser Systeme hatten seit ihrer Erfindung hier in Amerika vollständig freien Raum, sie zu probiren, und sie thaten es auch mit einem Aufwande von vielem Kapitale, Arbeitskraft und gutem Willen. Sie sind heute bis auf die letzte Spur verschwunden, und die überlebenden Mitglie- der haben sich leidlich daran gewöhnt, ihr Brod auf dem gewöhnlichen Wege durch Arbeit zu verdienen. Diese Arbeit aber wird immer gut bezahlt, wo ein Volk frei ist, so daß Jedermann sich sein Wohl- ergehen mit dem Aequivalente seiner Arbeit leicht und nach eignem Geschmacke verschaffen kann. Aus demselben Grunde sind die sozia- listischen Systeme hier gründlich vergessen, und Niemand fühlt die Nothwendigkeit einer Aenderung. Das was die Sozialisten suchen, eine größere Summe des Wohlergehens der arbeitenden Klassen, exi- stirt eben hier. Die Arbeitslöhne sind in gewöhnlichen Zeiten hier höher und die Preise der Lebensmittel verhältnißmäßig niederer, als in irgend einem anderen Lande. Der Arbeiter hier ist kein franzö- sischer ouvrier, der von sich selbst und von Anderen als eine beson- dere Klasse der Gesellschaft angesehen wird, welche ein Privilegium auf die spezielle Fürsorge und Mildthätigkeit der Reichen und der Regierung hat. Ein amerikanischer Arbeiter würde sich schämen, als ein Mündel der Gesellschaft behandelt zu werden, dem der Staat Kasernen bauen muß, damit er nur einen Platz hat, wo er sein müdes Haupt hinlegen kann. Jn diesen Worten liegt keine Belei- digung des europäischen Arbeiters, da nicht er, sondern die politischen Zustände die Ursache seiner Armuth sind. Man werfe hier nicht ein, daß hier in Amerika das weite unbebaute Land, die Ursache des bessern Fortkommens des Arbeiters sei. Der Handwerker und der Künstler setzen sich auch hier nicht in die Wildniß, wenn sie etwas verdienen wollen, aus sehr einleuchtenden Gründen. Jeder Arbeiter ist hier Bürger und verlangt von dem Staate nicht mehr, als jeder andere. Er macht sich sein sozialistisches System nach seinem Gut- dünken und nach der Höhe seines Lohnes. Jst er ledig, so schläft und ißt er in einem Kosthause; ist er verheirathet, so nimmt er, wenn der Ort der Arbeit weit entfernt ist, sein Mittagessen Morgens mit, oder Frau oder Kind bringen es ihm. Er wohnt in einem anständigen Häuschen und ist so sein eigener Herr zu Hause. Die bei weitem größte Zahl der Arbeiter ist verheirathet, und die Ledigen heirathen, sobald sie nur so viel verdienen können, als zu einem Haushalte nöthig ist. Diese Raschheit im Heirathen, die in andern Ländern eine sträfliche Unvorsichtigkeit genannt würde, erklärt sich daraus, daß Jeder weiß, daß er als verheiratheter Mann nicht mehr braucht, als wenn er in dem Wirthshause leben muß und zweitens, weil er sicher ist, mit jedem Jahre, wenn er nur fleißig ist, mehr verdienen und endlich selbständig werden zu können. Jn fünf bis zehn Jahren, oft noch früher, haben die meisten Handwerker wie z. B. Schneider, Schuhmacher, Schreiner, Bäcker, Metzger ec. selbständige Geschäfte. Bei anderen, z. B. Maschinenarbeitern, erfordert es na- türlich mehr Kapital um selbständige Geschäfte anzufangen. Diese und andere ähnliche Gewerbe haben aber einen so hohen Lohn, daß sie bald ein kleines Vermögen sparen können, womit sie dann, wenn ihnen das Arbeiten für Andere nicht mehr gefällt, irgend ein Ge- schäft anderer Art, das weniger Kapital erfordert, anfangen können. Mit den Arbeitern auf dem Lande ist es ähnlich. Man sieht sie häufig in fünf bis zehn Jahren als selbständige Farmer, obgleich dieß bei dem verhältnißmäßig geringen Lohn unmöglich scheint. Die Arbeit auf den Farmen scheint hart für die, die an sie nicht ge- wöhnt sind. Für die darin Erfahrenen ist sie ein Spiel und ein Vergnügen. Mit den jetzt sich vortrefflich bewährenden Gangpflügen, ( doppelte Pflugschaar ) fährt der Farmer mit vier Pferden mit einer Bequemlichkeit, daß er, wenn die Pferde gut sind, auf seinem hohen Sitze die Zeitung lesen kann. Die Dresch= und Säe=Maschinen, die überall im Gebrauche sind, erleichtern die Arbeit und kürzen sie ab. Zwei Knaben können jetzt ein Stück Feld säen, das vier Arbeiter in derselben Zeit früher nicht hätten besäen können. Während des Krieges, als die Arbeit sehr theuer war, wurde an den land- wirthschaftlichen Maschinen eine Menge Verbesserungen angebracht, die jetzt im Gebrauche sind. Die Arbeiter im Allge- meinen haben in Amerika festere und geregeltere Organisationen, als

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 675. Frankfurt a. M., 8. April 1870, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0675_1870/1>, abgerufen am 28.03.2024.