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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.

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nach dem auch Brummbären und wunderliche mür¬
rische böse Vögel die Zunge lecken:

-- nach dem besten Köder, wie er Jägern und
Fischfängern noththut. Denn wenn die Welt wie
ein dunkler Thierwald ist und aller wilden Jäger
Lustgarten, so dünkt sie mich noch mehr und lieber
ein abgründliches reiches Meer,

-- ein Meer voll bunter Fische und Krebse, nach
dem es auch Götter gelüsten möchte, dass sie an ihm
zu Fischern würden und zu Netz-Auswerfern: so reich
ist die Welt an Wunderlichem, grossem und kleinem!

Sonderlich die Menschen-Welt, das Menschen-
Meer: -- nach dem werfe ich nun meine goldene
Angelruthe aus und spreche: thue dich auf, du
Menschen-Abgrund!

Thue dich auf und wirf mir deine Fische und
Glitzer-Krebse zu! Mit meinem besten Köder ködere
ich mir heute die wunderlichsten Menschen-Fische!

-- mein Glück selber werfe ich hinaus in alle
Weiten und Fernen, zwischen Aufgang, Mittag und
Niedergang, ob nicht an meinem Glücke viele Menschen-
Fische zerrn und zappeln lernen.

Bis sie, anbeissend an meine spitzen verborgenen
Haken, hinauf müssen in meine Höhe, die buntesten
Abgrund-Gründlinge zu dem boshaftigsten aller
Menschen-Fischfänger.

Der nämlich bin ich von Grund und Anbeginn,
ziehend, heranziehend, hinaufziehend, aufziehend, ein
Zieher, Züchter und Zuchtmeister, der sich nicht um¬
sonst einstmals zusprach: "Werde, der du bist!"

Also mögen nunmehr die Menschen zu mir hin¬

nach dem auch Brummbären und wunderliche mür¬
rische böse Vögel die Zunge lecken:

— nach dem besten Köder, wie er Jägern und
Fischfängern noththut. Denn wenn die Welt wie
ein dunkler Thierwald ist und aller wilden Jäger
Lustgarten, so dünkt sie mich noch mehr und lieber
ein abgründliches reiches Meer,

— ein Meer voll bunter Fische und Krebse, nach
dem es auch Götter gelüsten möchte, dass sie an ihm
zu Fischern würden und zu Netz-Auswerfern: so reich
ist die Welt an Wunderlichem, grossem und kleinem!

Sonderlich die Menschen-Welt, das Menschen-
Meer: — nach dem werfe ich nun meine goldene
Angelruthe aus und spreche: thue dich auf, du
Menschen-Abgrund!

Thue dich auf und wirf mir deine Fische und
Glitzer-Krebse zu! Mit meinem besten Köder ködere
ich mir heute die wunderlichsten Menschen-Fische!

— mein Glück selber werfe ich hinaus in alle
Weiten und Fernen, zwischen Aufgang, Mittag und
Niedergang, ob nicht an meinem Glücke viele Menschen-
Fische zerrn und zappeln lernen.

Bis sie, anbeissend an meine spitzen verborgenen
Haken, hinauf müssen in meine Höhe, die buntesten
Abgrund-Gründlinge zu dem boshaftigsten aller
Menschen-Fischfänger.

Der nämlich bin ich von Grund und Anbeginn,
ziehend, heranziehend, hinaufziehend, aufziehend, ein
Zieher, Züchter und Zuchtmeister, der sich nicht um¬
sonst einstmals zusprach: „Werde, der du bist!“

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[7/0014] nach dem auch Brummbären und wunderliche mür¬ rische böse Vögel die Zunge lecken: — nach dem besten Köder, wie er Jägern und Fischfängern noththut. Denn wenn die Welt wie ein dunkler Thierwald ist und aller wilden Jäger Lustgarten, so dünkt sie mich noch mehr und lieber ein abgründliches reiches Meer, — ein Meer voll bunter Fische und Krebse, nach dem es auch Götter gelüsten möchte, dass sie an ihm zu Fischern würden und zu Netz-Auswerfern: so reich ist die Welt an Wunderlichem, grossem und kleinem! Sonderlich die Menschen-Welt, das Menschen- Meer: — nach dem werfe ich nun meine goldene Angelruthe aus und spreche: thue dich auf, du Menschen-Abgrund! Thue dich auf und wirf mir deine Fische und Glitzer-Krebse zu! Mit meinem besten Köder ködere ich mir heute die wunderlichsten Menschen-Fische! — mein Glück selber werfe ich hinaus in alle Weiten und Fernen, zwischen Aufgang, Mittag und Niedergang, ob nicht an meinem Glücke viele Menschen- Fische zerrn und zappeln lernen. Bis sie, anbeissend an meine spitzen verborgenen Haken, hinauf müssen in meine Höhe, die buntesten Abgrund-Gründlinge zu dem boshaftigsten aller Menschen-Fischfänger. Der nämlich bin ich von Grund und Anbeginn, ziehend, heranziehend, hinaufziehend, aufziehend, ein Zieher, Züchter und Zuchtmeister, der sich nicht um¬ sonst einstmals zusprach: „Werde, der du bist!“ Also mögen nunmehr die Menschen zu mir hin¬

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/14>, abgerufen am 28.03.2024.