Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

die zwei Könige, der Papst ausser Dienst, der schlimme
Zauberer, der freiwillige Bettler, der Wanderer und
Schatten, der alte Wahrsager, der Gewissenhafte des
Geistes und der hässlichste Mensch: sie lagen Alle
gleich Kindern und gläubigen alten Weibchen auf den
Knien und beteten den Esel an. Und eben begann der
hässlichste Mensch zu gurgeln und zu schnauben, wie
als ob etwas Unaussprechliches aus ihm heraus wolle;
als er es aber wirklich bis zu Worten gebracht hatte,
siehe, da war es eine fromme seltsame Litanei zur Lob¬
preisung des angebeteten und angeräucherten Esels.
Diese Litanei aber klang also:

Amen! Und Lob und Ehre und Weisheit und Dank
und Preis und Stärke sei unserm Gott, von Ewigkeit
zu Ewigkeit!

-- Der Esel aber schrie dazu I-A.

Er trägt unsre Last, er nahm Knechtsgestalt an,
er ist geduldsam von Herzen und redet niemals Nein;
und wer seinen Gott liebt, der züchtigt ihn.

-- Der Esel aber schrie dazu I-A.

Er redet nicht: es sei denn, dass er zur Welt, die
er schuf, immer Ja sagt: also preist er seine Welt.
Seine Schlauheit ist es, die nicht redet: so bekömmt er
selten Unrecht.

-- Der Esel aber schrie dazu I-A.
Unscheinbar geht er durch die Welt. Grau ist die
Leib-Farbe, in welche er seine Tugend hüllt. Hat er
Geist, so verbirgt er ihn; Jedermann aber glaubt an
seine langen Ohren.

-- Der Esel aber schrie dazu I-A.

die zwei Könige, der Papst ausser Dienst, der schlimme
Zauberer, der freiwillige Bettler, der Wanderer und
Schatten, der alte Wahrsager, der Gewissenhafte des
Geistes und der hässlichste Mensch: sie lagen Alle
gleich Kindern und gläubigen alten Weibchen auf den
Knien und beteten den Esel an. Und eben begann der
hässlichste Mensch zu gurgeln und zu schnauben, wie
als ob etwas Unaussprechliches aus ihm heraus wolle;
als er es aber wirklich bis zu Worten gebracht hatte,
siehe, da war es eine fromme seltsame Litanei zur Lob¬
preisung des angebeteten und angeräucherten Esels.
Diese Litanei aber klang also:

Amen! Und Lob und Ehre und Weisheit und Dank
und Preis und Stärke sei unserm Gott, von Ewigkeit
zu Ewigkeit!

— Der Esel aber schrie dazu I-A.

Er trägt unsre Last, er nahm Knechtsgestalt an,
er ist geduldsam von Herzen und redet niemals Nein;
und wer seinen Gott liebt, der züchtigt ihn.

— Der Esel aber schrie dazu I-A.

Er redet nicht: es sei denn, dass er zur Welt, die
er schuf, immer Ja sagt: also preist er seine Welt.
Seine Schlauheit ist es, die nicht redet: so bekömmt er
selten Unrecht.

— Der Esel aber schrie dazu I-A.
Unscheinbar geht er durch die Welt. Grau ist die
Leib-Farbe, in welche er seine Tugend hüllt. Hat er
Geist, so verbirgt er ihn; Jedermann aber glaubt an
seine langen Ohren.

— Der Esel aber schrie dazu I-A.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0118" n="111"/>
die zwei Könige, der Papst ausser Dienst, der schlimme<lb/>
Zauberer, der freiwillige Bettler, der Wanderer und<lb/>
Schatten, der alte Wahrsager, der Gewissenhafte des<lb/>
Geistes und der hässlichste Mensch: sie lagen Alle<lb/>
gleich Kindern und gläubigen alten Weibchen auf den<lb/>
Knien und beteten den Esel an. Und eben begann der<lb/>
hässlichste Mensch zu gurgeln und zu schnauben, wie<lb/>
als ob etwas Unaussprechliches aus ihm heraus wolle;<lb/>
als er es aber wirklich bis zu Worten gebracht hatte,<lb/>
siehe, da war es eine fromme seltsame Litanei zur Lob¬<lb/>
preisung des angebeteten und angeräucherten Esels.<lb/>
Diese Litanei aber klang also:</p><lb/>
          <p>Amen! Und Lob und Ehre und Weisheit und Dank<lb/>
und Preis und Stärke sei unserm Gott, von Ewigkeit<lb/>
zu Ewigkeit!</p><lb/>
          <p>&#x2014; Der Esel aber schrie dazu I-A.</p><lb/>
          <p>Er trägt unsre Last, er nahm Knechtsgestalt an,<lb/>
er ist geduldsam von Herzen und redet niemals Nein;<lb/>
und wer seinen Gott liebt, der züchtigt ihn.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Der Esel aber schrie dazu I-A.</p><lb/>
          <p>Er redet nicht: es sei denn, dass er zur Welt, die<lb/>
er schuf, immer Ja sagt: also preist er seine Welt.<lb/>
Seine Schlauheit ist es, die nicht redet: so bekömmt er<lb/>
selten Unrecht.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Der Esel aber schrie dazu I-A.<lb/>
Unscheinbar geht er durch die Welt. Grau ist die<lb/>
Leib-Farbe, in welche er seine Tugend hüllt. Hat er<lb/>
Geist, so verbirgt er ihn; Jedermann aber glaubt an<lb/>
seine langen Ohren.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Der Esel aber schrie dazu I-A.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0118] die zwei Könige, der Papst ausser Dienst, der schlimme Zauberer, der freiwillige Bettler, der Wanderer und Schatten, der alte Wahrsager, der Gewissenhafte des Geistes und der hässlichste Mensch: sie lagen Alle gleich Kindern und gläubigen alten Weibchen auf den Knien und beteten den Esel an. Und eben begann der hässlichste Mensch zu gurgeln und zu schnauben, wie als ob etwas Unaussprechliches aus ihm heraus wolle; als er es aber wirklich bis zu Worten gebracht hatte, siehe, da war es eine fromme seltsame Litanei zur Lob¬ preisung des angebeteten und angeräucherten Esels. Diese Litanei aber klang also: Amen! Und Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis und Stärke sei unserm Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit! — Der Esel aber schrie dazu I-A. Er trägt unsre Last, er nahm Knechtsgestalt an, er ist geduldsam von Herzen und redet niemals Nein; und wer seinen Gott liebt, der züchtigt ihn. — Der Esel aber schrie dazu I-A. Er redet nicht: es sei denn, dass er zur Welt, die er schuf, immer Ja sagt: also preist er seine Welt. Seine Schlauheit ist es, die nicht redet: so bekömmt er selten Unrecht. — Der Esel aber schrie dazu I-A. Unscheinbar geht er durch die Welt. Grau ist die Leib-Farbe, in welche er seine Tugend hüllt. Hat er Geist, so verbirgt er ihn; Jedermann aber glaubt an seine langen Ohren. — Der Esel aber schrie dazu I-A.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/118
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/118>, abgerufen am 28.03.2024.