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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

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fand ich mir und diese Genesung: wollt ihr auch
daraus gleich wieder ein Leier-Lied machen?"

-- "Sprich nicht weiter, antworteten ihm abermals
seine Thiere; lieber noch, du Genesender, mache dir
erst eine Leier zurecht, eine neue Leier!

Denn siehe doch, oh Zarathustra! Zu deinen neuen
Liedern bedarf es neuer Leiern.

Singe und brause über, oh Zarathustra, heile mit
neuen Liedern deine Seele: dass du dein grosses Schick¬
sal tragest, das noch keines Menschen Schicksal war!

Denn deine Thiere wissen es wohl, oh Zarathustra,
wer du bist und werden musst: siehe, du bist der
Lehrer der ewigen Wiederkunft
--, das ist nun
dein Schicksal!

Dass du als der Erste diese Lehre lehren musst,
-- wie sollte diess grosse Schicksal nicht auch deine
grösste Gefahr und Krankheit sein!

Siehe, wir wissen, was du lehrst: dass alle Dinge
ewig wiederkehren und wir selber mit, und dass wir
schon ewige Male dagewesen sind, und alle Dinge
mit uns.

Du lehrst, dass es ein grosses Jahr des Werdens
giebt, ein Ungeheuer von grossem Jahre: das muss
sich, einer Sanduhr gleich, immer wieder von Neuem
umdrehn, damit es von Neuem ablaufe und auslaufe: --

-- so dass alle diese Jahre sich selber gleich sind,
im Grössten und auch im Kleinsten, -- so dass wir
selber in jedem grossen Jahre uns selber gleich sind,
im Grössten und auch im Kleinsten.

Und wenn du jetzt sterben wolltest, oh Zarathustra:
siehe, wir wissen auch, wie du da zu dir sprechen

7 *

fand ich mir und diese Genesung: wollt ihr auch
daraus gleich wieder ein Leier-Lied machen?“

— „Sprich nicht weiter, antworteten ihm abermals
seine Thiere; lieber noch, du Genesender, mache dir
erst eine Leier zurecht, eine neue Leier!

Denn siehe doch, oh Zarathustra! Zu deinen neuen
Liedern bedarf es neuer Leiern.

Singe und brause über, oh Zarathustra, heile mit
neuen Liedern deine Seele: dass du dein grosses Schick¬
sal tragest, das noch keines Menschen Schicksal war!

Denn deine Thiere wissen es wohl, oh Zarathustra,
wer du bist und werden musst: siehe, du bist der
Lehrer der ewigen Wiederkunft
—, das ist nun
dein Schicksal!

Dass du als der Erste diese Lehre lehren musst,
— wie sollte diess grosse Schicksal nicht auch deine
grösste Gefahr und Krankheit sein!

Siehe, wir wissen, was du lehrst: dass alle Dinge
ewig wiederkehren und wir selber mit, und dass wir
schon ewige Male dagewesen sind, und alle Dinge
mit uns.

Du lehrst, dass es ein grosses Jahr des Werdens
giebt, ein Ungeheuer von grossem Jahre: das muss
sich, einer Sanduhr gleich, immer wieder von Neuem
umdrehn, damit es von Neuem ablaufe und auslaufe: —

— so dass alle diese Jahre sich selber gleich sind,
im Grössten und auch im Kleinsten, — so dass wir
selber in jedem grossen Jahre uns selber gleich sind,
im Grössten und auch im Kleinsten.

Und wenn du jetzt sterben wolltest, oh Zarathustra:
siehe, wir wissen auch, wie du da zu dir sprechen

7 *
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[99/0109] fand ich mir und diese Genesung: wollt ihr auch daraus gleich wieder ein Leier-Lied machen?“ — „Sprich nicht weiter, antworteten ihm abermals seine Thiere; lieber noch, du Genesender, mache dir erst eine Leier zurecht, eine neue Leier! Denn siehe doch, oh Zarathustra! Zu deinen neuen Liedern bedarf es neuer Leiern. Singe und brause über, oh Zarathustra, heile mit neuen Liedern deine Seele: dass du dein grosses Schick¬ sal tragest, das noch keines Menschen Schicksal war! Denn deine Thiere wissen es wohl, oh Zarathustra, wer du bist und werden musst: siehe, du bist der Lehrer der ewigen Wiederkunft —, das ist nun dein Schicksal! Dass du als der Erste diese Lehre lehren musst, — wie sollte diess grosse Schicksal nicht auch deine grösste Gefahr und Krankheit sein! Siehe, wir wissen, was du lehrst: dass alle Dinge ewig wiederkehren und wir selber mit, und dass wir schon ewige Male dagewesen sind, und alle Dinge mit uns. Du lehrst, dass es ein grosses Jahr des Werdens giebt, ein Ungeheuer von grossem Jahre: das muss sich, einer Sanduhr gleich, immer wieder von Neuem umdrehn, damit es von Neuem ablaufe und auslaufe: — — so dass alle diese Jahre sich selber gleich sind, im Grössten und auch im Kleinsten, — so dass wir selber in jedem grossen Jahre uns selber gleich sind, im Grössten und auch im Kleinsten. Und wenn du jetzt sterben wolltest, oh Zarathustra: siehe, wir wissen auch, wie du da zu dir sprechen 7 *

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/109>, abgerufen am 29.03.2024.