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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

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äpfeln, wohlriechendem Krautwerke und Pinien-Zapfen
lag. Zu seinen Füssen aber waren zwei Lämmer ge¬
breitet, welche der Adler mit Mühe ihren Hirten ab¬
geraubt hatte.

Endlich, nach sieben Tagen, richtete sich Zara¬
thustra auf seinem Lager auf, nahm einen Rosenapfel
in die Hand, roch daran und fand seinen Geruch
lieblich. Da glaubten seine Thiere, die Zeit sei ge¬
kommen, mit ihm zu reden.

"Oh Zarathustra, sagten sie, nun liegst du schon
sieben Tage so, mit schweren Augen: willst du dich
nicht endlich wieder auf deine Füsse stellen?

Tritt hinaus aus deiner Höhle: die Welt wartet
dein wie ein Garten. Der Wind spielt mit schweren
Wohlgerüchen, die zu dir wollen; und alle Bäche
möchten dir nachlaufen.

Alle Dinge sehnen sich nach dir, dieweil du sieben
Tage allein bliebst, -- tritt hinaus aus deiner Höhle!
Alle Dinge wollen deine Ärzte sein!

Kam wohl eine neue Erkenntniss zu dir, eine
saure, schwere? Gleich angesäuertem Teige lagst
du, deine Seele gieng auf und schwoll über alle ihre
Ränder. --"

-- Oh meine Thiere, antwortete Zarathustra,
schwätzt also weiter und lasst mich zuhören! Es
erquickt mich so, dass ihr schwätzt: wo geschwätzt
wird, da liegt mir schon die Welt wie ein Garten.

Wie lieblich ist es, dass Worte und Töne da
sind: sind nicht Worte und Töne Regenbogen und
Schein-Brücken zwischen Ewig-Geschiedenem?

äpfeln, wohlriechendem Krautwerke und Pinien-Zapfen
lag. Zu seinen Füssen aber waren zwei Lämmer ge¬
breitet, welche der Adler mit Mühe ihren Hirten ab¬
geraubt hatte.

Endlich, nach sieben Tagen, richtete sich Zara¬
thustra auf seinem Lager auf, nahm einen Rosenapfel
in die Hand, roch daran und fand seinen Geruch
lieblich. Da glaubten seine Thiere, die Zeit sei ge¬
kommen, mit ihm zu reden.

„Oh Zarathustra, sagten sie, nun liegst du schon
sieben Tage so, mit schweren Augen: willst du dich
nicht endlich wieder auf deine Füsse stellen?

Tritt hinaus aus deiner Höhle: die Welt wartet
dein wie ein Garten. Der Wind spielt mit schweren
Wohlgerüchen, die zu dir wollen; und alle Bäche
möchten dir nachlaufen.

Alle Dinge sehnen sich nach dir, dieweil du sieben
Tage allein bliebst, — tritt hinaus aus deiner Höhle!
Alle Dinge wollen deine Ärzte sein!

Kam wohl eine neue Erkenntniss zu dir, eine
saure, schwere? Gleich angesäuertem Teige lagst
du, deine Seele gieng auf und schwoll über alle ihre
Ränder. —“

— Oh meine Thiere, antwortete Zarathustra,
schwätzt also weiter und lasst mich zuhören! Es
erquickt mich so, dass ihr schwätzt: wo geschwätzt
wird, da liegt mir schon die Welt wie ein Garten.

Wie lieblich ist es, dass Worte und Töne da
sind: sind nicht Worte und Töne Regenbogen und
Schein-Brücken zwischen Ewig-Geschiedenem?

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[94/0104] äpfeln, wohlriechendem Krautwerke und Pinien-Zapfen lag. Zu seinen Füssen aber waren zwei Lämmer ge¬ breitet, welche der Adler mit Mühe ihren Hirten ab¬ geraubt hatte. Endlich, nach sieben Tagen, richtete sich Zara¬ thustra auf seinem Lager auf, nahm einen Rosenapfel in die Hand, roch daran und fand seinen Geruch lieblich. Da glaubten seine Thiere, die Zeit sei ge¬ kommen, mit ihm zu reden. „Oh Zarathustra, sagten sie, nun liegst du schon sieben Tage so, mit schweren Augen: willst du dich nicht endlich wieder auf deine Füsse stellen? Tritt hinaus aus deiner Höhle: die Welt wartet dein wie ein Garten. Der Wind spielt mit schweren Wohlgerüchen, die zu dir wollen; und alle Bäche möchten dir nachlaufen. Alle Dinge sehnen sich nach dir, dieweil du sieben Tage allein bliebst, — tritt hinaus aus deiner Höhle! Alle Dinge wollen deine Ärzte sein! Kam wohl eine neue Erkenntniss zu dir, eine saure, schwere? Gleich angesäuertem Teige lagst du, deine Seele gieng auf und schwoll über alle ihre Ränder. —“ — Oh meine Thiere, antwortete Zarathustra, schwätzt also weiter und lasst mich zuhören! Es erquickt mich so, dass ihr schwätzt: wo geschwätzt wird, da liegt mir schon die Welt wie ein Garten. Wie lieblich ist es, dass Worte und Töne da sind: sind nicht Worte und Töne Regenbogen und Schein-Brücken zwischen Ewig-Geschiedenem?

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/104>, abgerufen am 29.03.2024.