Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Genesende.
1.

Eines Morgens, nicht lange nach seiner Rückkehr
zur Höhle, sprang Zarathustra von seinem Lager auf
wie ein Toller, schrie mit furchtbarer Stimme und ge¬
bärdete sich, als ob noch Einer auf dem Lager läge,
der nicht davon aufstehn wolle; und also tönte
Zarathustra's Stimme, dass seine Thiere erschreckt
hinzukamen, und dass aus allen Höhlen und Schlupf¬
winkeln, die Zarathustra's Höhle benachbart waren,
alles Gethier davon huschte, -- fliegend, flatternd,
kriechend, springend, wie ihm nur die Art von Fuss
und Flügel gegeben war. Zarathustra aber redete
diese Worte:

Herauf, abgründlicher Gedanke, aus meiner Tiefe!
Ich bin dein Hahn und Morgen-Grauen, verschlafener
Wurm: auf! auf! Meine Stimme soll dich schon wach
krähen!

Knüpfe die Fessel deiner Ohren los: horche!
Denn ich will dich hören! Auf! Auf! Hier ist Donners
genug, dass auch Gräber horchen lernen!

Und wische den Schlaf und alles Blöde, Blinde
aus deinen Augen! Höre mich auch mit deinen

Der Genesende.
1.

Eines Morgens, nicht lange nach seiner Rückkehr
zur Höhle, sprang Zarathustra von seinem Lager auf
wie ein Toller, schrie mit furchtbarer Stimme und ge¬
bärdete sich, als ob noch Einer auf dem Lager läge,
der nicht davon aufstehn wolle; und also tönte
Zarathustra's Stimme, dass seine Thiere erschreckt
hinzukamen, und dass aus allen Höhlen und Schlupf¬
winkeln, die Zarathustra's Höhle benachbart waren,
alles Gethier davon huschte, — fliegend, flatternd,
kriechend, springend, wie ihm nur die Art von Fuss
und Flügel gegeben war. Zarathustra aber redete
diese Worte:

Herauf, abgründlicher Gedanke, aus meiner Tiefe!
Ich bin dein Hahn und Morgen-Grauen, verschlafener
Wurm: auf! auf! Meine Stimme soll dich schon wach
krähen!

Knüpfe die Fessel deiner Ohren los: horche!
Denn ich will dich hören! Auf! Auf! Hier ist Donners
genug, dass auch Gräber horchen lernen!

Und wische den Schlaf und alles Blöde, Blinde
aus deinen Augen! Höre mich auch mit deinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0102" n="92"/>
      <div n="1">
        <head>Der Genesende.<lb/></head>
        <div n="2">
          <head>1.<lb/></head>
          <p>Eines Morgens, nicht lange nach seiner Rückkehr<lb/>
zur Höhle, sprang Zarathustra von seinem Lager auf<lb/>
wie ein Toller, schrie mit furchtbarer Stimme und ge¬<lb/>
bärdete sich, als ob noch Einer auf dem Lager läge,<lb/>
der nicht davon aufstehn wolle; und also tönte<lb/>
Zarathustra's Stimme, dass seine Thiere erschreckt<lb/>
hinzukamen, und dass aus allen Höhlen und Schlupf¬<lb/>
winkeln, die Zarathustra's Höhle benachbart waren,<lb/>
alles Gethier davon huschte, &#x2014; fliegend, flatternd,<lb/>
kriechend, springend, wie ihm nur die Art von Fuss<lb/>
und Flügel gegeben war. Zarathustra aber redete<lb/>
diese Worte:</p><lb/>
          <p>Herauf, abgründlicher Gedanke, aus meiner Tiefe!<lb/>
Ich bin dein Hahn und Morgen-Grauen, verschlafener<lb/>
Wurm: auf! auf! Meine Stimme soll dich schon wach<lb/>
krähen!</p><lb/>
          <p>Knüpfe die Fessel deiner Ohren los: horche!<lb/>
Denn ich will dich hören! Auf! Auf! Hier ist Donners<lb/>
genug, dass auch Gräber horchen lernen!</p><lb/>
          <p>Und wische den Schlaf und alles Blöde, Blinde<lb/>
aus deinen Augen! Höre mich auch mit deinen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0102] Der Genesende. 1. Eines Morgens, nicht lange nach seiner Rückkehr zur Höhle, sprang Zarathustra von seinem Lager auf wie ein Toller, schrie mit furchtbarer Stimme und ge¬ bärdete sich, als ob noch Einer auf dem Lager läge, der nicht davon aufstehn wolle; und also tönte Zarathustra's Stimme, dass seine Thiere erschreckt hinzukamen, und dass aus allen Höhlen und Schlupf¬ winkeln, die Zarathustra's Höhle benachbart waren, alles Gethier davon huschte, — fliegend, flatternd, kriechend, springend, wie ihm nur die Art von Fuss und Flügel gegeben war. Zarathustra aber redete diese Worte: Herauf, abgründlicher Gedanke, aus meiner Tiefe! Ich bin dein Hahn und Morgen-Grauen, verschlafener Wurm: auf! auf! Meine Stimme soll dich schon wach krähen! Knüpfe die Fessel deiner Ohren los: horche! Denn ich will dich hören! Auf! Auf! Hier ist Donners genug, dass auch Gräber horchen lernen! Und wische den Schlaf und alles Blöde, Blinde aus deinen Augen! Höre mich auch mit deinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/102
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/102>, abgerufen am 28.03.2024.