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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.

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muss ich in's Freie und weg aus allen verstaubten
Stuben.

Aber sie sitzen kühl in kühlem Schatten: sie
wollen in Allem nur Zuschauer sein und hüten sich
dort zu sitzen, wo die Sonne auf die Stufen brennt.

Gleich Solchen, die auf der Strasse stehn und die
Leute angaffen, welche vorübergehn: also warten sie
auch und gaffen Gedanken an, die Andre gedacht
haben.

Greift man sie mit Händen, so stäuben sie um
sich gleich Mehlsäcken, und unfreiwillig: aber wer
erriethe wohl, dass ihr Staub vom Korne stammt und
von der gelben Wonne der Sommerfelder?

Geben sie sich weise, so fröstelt mich ihrer kleinen
Sprüche und Wahrheiten: ein Geruch ist oft an ihrer
Weisheit, als ob sie aus dem Sumpfe stamme: und
wahrlich, ich hörte auch schon den Frosch aus ihr
quaken!

Geschickt sind sie, sie haben kluge Finger: was
will meine Einfalt bei ihrer Vielfalt! Alles Fädeln
und Knüpfen und Weben verstehn ihre Finger: also
wirken sie die Strümpfe des Geistes!

Gute Uhrwerke sind sie: nur sorge man, sie richtig
aufzuziehn! Dann zeigen sie ohne Falsch die Stunde
an und machen einen bescheidnen Lärm dabei.

Gleich Mühlwerken arbeiten sie und Stampfen:
man werfe ihnen nur seine Fruchtkörner zu! -- sie
wissen schon, Korn klein zu mahlen und weissen Staub
daraus zu machen.

Sie sehen einander gut auf die Finger und trauen
sich nicht zum Besten. Erfinderisch in kleinen Schlau¬

muss ich in's Freie und weg aus allen verstaubten
Stuben.

Aber sie sitzen kühl in kühlem Schatten: sie
wollen in Allem nur Zuschauer sein und hüten sich
dort zu sitzen, wo die Sonne auf die Stufen brennt.

Gleich Solchen, die auf der Strasse stehn und die
Leute angaffen, welche vorübergehn: also warten sie
auch und gaffen Gedanken an, die Andre gedacht
haben.

Greift man sie mit Händen, so stäuben sie um
sich gleich Mehlsäcken, und unfreiwillig: aber wer
erriethe wohl, dass ihr Staub vom Korne stammt und
von der gelben Wonne der Sommerfelder?

Geben sie sich weise, so fröstelt mich ihrer kleinen
Sprüche und Wahrheiten: ein Geruch ist oft an ihrer
Weisheit, als ob sie aus dem Sumpfe stamme: und
wahrlich, ich hörte auch schon den Frosch aus ihr
quaken!

Geschickt sind sie, sie haben kluge Finger: was
will meine Einfalt bei ihrer Vielfalt! Alles Fädeln
und Knüpfen und Weben verstehn ihre Finger: also
wirken sie die Strümpfe des Geistes!

Gute Uhrwerke sind sie: nur sorge man, sie richtig
aufzuziehn! Dann zeigen sie ohne Falsch die Stunde
an und machen einen bescheidnen Lärm dabei.

Gleich Mühlwerken arbeiten sie und Stampfen:
man werfe ihnen nur seine Fruchtkörner zu! — sie
wissen schon, Korn klein zu mahlen und weissen Staub
daraus zu machen.

Sie sehen einander gut auf die Finger und trauen
sich nicht zum Besten. Erfinderisch in kleinen Schlau¬

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[66/0076] muss ich in's Freie und weg aus allen verstaubten Stuben. Aber sie sitzen kühl in kühlem Schatten: sie wollen in Allem nur Zuschauer sein und hüten sich dort zu sitzen, wo die Sonne auf die Stufen brennt. Gleich Solchen, die auf der Strasse stehn und die Leute angaffen, welche vorübergehn: also warten sie auch und gaffen Gedanken an, die Andre gedacht haben. Greift man sie mit Händen, so stäuben sie um sich gleich Mehlsäcken, und unfreiwillig: aber wer erriethe wohl, dass ihr Staub vom Korne stammt und von der gelben Wonne der Sommerfelder? Geben sie sich weise, so fröstelt mich ihrer kleinen Sprüche und Wahrheiten: ein Geruch ist oft an ihrer Weisheit, als ob sie aus dem Sumpfe stamme: und wahrlich, ich hörte auch schon den Frosch aus ihr quaken! Geschickt sind sie, sie haben kluge Finger: was will meine Einfalt bei ihrer Vielfalt! Alles Fädeln und Knüpfen und Weben verstehn ihre Finger: also wirken sie die Strümpfe des Geistes! Gute Uhrwerke sind sie: nur sorge man, sie richtig aufzuziehn! Dann zeigen sie ohne Falsch die Stunde an und machen einen bescheidnen Lärm dabei. Gleich Mühlwerken arbeiten sie und Stampfen: man werfe ihnen nur seine Fruchtkörner zu! — sie wissen schon, Korn klein zu mahlen und weissen Staub daraus zu machen. Sie sehen einander gut auf die Finger und trauen sich nicht zum Besten. Erfinderisch in kleinen Schlau¬

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/76>, abgerufen am 18.04.2024.