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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.

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Ich will Kobolde um mich haben, denn ich bin
muthig. Muth, der die Gespenster verscheucht, schafft
sich selber Kobolde, -- der Muth will lachen.

Ich empfinde nicht mehr mit euch: diese Wolke,
die ich unter mir sehe, diese Schwärze und Schwere,
über die ich lache, -- gerade das ist eure Gewitter¬
wolke.

Ihr seht nach Oben, wenn ihr nach Erhebung
verlangt. Und ich sehe hinab, weil ich erhoben bin.

Wer von euch kann zugleich lachen und er¬
hoben sein?

Wer auf den höchsten Bergen steigt, der lacht
über alle Trauer-Spiele und Trauer-Ernste.

Muthig, unbekümmert, spöttisch, gewaltthätig --
so will uns die Weisheit: sie ist ein Weib und liebt
immer nur einen Kriegsmann.

Ihr sagt mir: "das Leben ist schwer zu tragen."
Aber wozu hättet ihr Vormittags euren Stolz und
Abends eure Ergebung?

Das Leben ist schwer zu tragen: aber so thut
mir doch nicht so zärtlich! Wir sind allesammt hübsche
lastbare Esel und Eselinnen.

Was haben wir gemein mit der Rosenknospe,
welche zittert, weil ihr ein Tropfen Thau auf dem
Leibe liegt?

Es ist wahr: wir lieben das Leben, nicht, weil
wir an's Leben, sondern weil wir an's Lieben ge¬
wöhnt sind.

Es ist immer etwas Wahnsinn in der Liebe. Es
ist aber immer auch etwas Vernunft im Wahnsinn.

Ich will Kobolde um mich haben, denn ich bin
muthig. Muth, der die Gespenster verscheucht, schafft
sich selber Kobolde, — der Muth will lachen.

Ich empfinde nicht mehr mit euch: diese Wolke,
die ich unter mir sehe, diese Schwärze und Schwere,
über die ich lache, — gerade das ist eure Gewitter¬
wolke.

Ihr seht nach Oben, wenn ihr nach Erhebung
verlangt. Und ich sehe hinab, weil ich erhoben bin.

Wer von euch kann zugleich lachen und er¬
hoben sein?

Wer auf den höchsten Bergen steigt, der lacht
über alle Trauer-Spiele und Trauer-Ernste.

Muthig, unbekümmert, spöttisch, gewaltthätig —
so will uns die Weisheit: sie ist ein Weib und liebt
immer nur einen Kriegsmann.

Ihr sagt mir: „das Leben ist schwer zu tragen.“
Aber wozu hättet ihr Vormittags euren Stolz und
Abends eure Ergebung?

Das Leben ist schwer zu tragen: aber so thut
mir doch nicht so zärtlich! Wir sind allesammt hübsche
lastbare Esel und Eselinnen.

Was haben wir gemein mit der Rosenknospe,
welche zittert, weil ihr ein Tropfen Thau auf dem
Leibe liegt?

Es ist wahr: wir lieben das Leben, nicht, weil
wir an's Leben, sondern weil wir an's Lieben ge¬
wöhnt sind.

Es ist immer etwas Wahnsinn in der Liebe. Es
ist aber immer auch etwas Vernunft im Wahnsinn.

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[53/0059] Ich will Kobolde um mich haben, denn ich bin muthig. Muth, der die Gespenster verscheucht, schafft sich selber Kobolde, — der Muth will lachen. Ich empfinde nicht mehr mit euch: diese Wolke, die ich unter mir sehe, diese Schwärze und Schwere, über die ich lache, — gerade das ist eure Gewitter¬ wolke. Ihr seht nach Oben, wenn ihr nach Erhebung verlangt. Und ich sehe hinab, weil ich erhoben bin. Wer von euch kann zugleich lachen und er¬ hoben sein? Wer auf den höchsten Bergen steigt, der lacht über alle Trauer-Spiele und Trauer-Ernste. Muthig, unbekümmert, spöttisch, gewaltthätig — so will uns die Weisheit: sie ist ein Weib und liebt immer nur einen Kriegsmann. Ihr sagt mir: „das Leben ist schwer zu tragen.“ Aber wozu hättet ihr Vormittags euren Stolz und Abends eure Ergebung? Das Leben ist schwer zu tragen: aber so thut mir doch nicht so zärtlich! Wir sind allesammt hübsche lastbare Esel und Eselinnen. Was haben wir gemein mit der Rosenknospe, welche zittert, weil ihr ein Tropfen Thau auf dem Leibe liegt? Es ist wahr: wir lieben das Leben, nicht, weil wir an's Leben, sondern weil wir an's Lieben ge¬ wöhnt sind. Es ist immer etwas Wahnsinn in der Liebe. Es ist aber immer auch etwas Vernunft im Wahnsinn.

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/59>, abgerufen am 18.04.2024.