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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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Begleiter in eine Art von Unterkammer stieß, wo
ohngefähr dreißig elende Menschen auf Stroh lagen.
Er brach in die heftigsten Vorwürfe gegen seinen Be-
gleiter aus, die dieser, nachdem er ihm einigemahl
in einem trotzigen Tone stillzuschweigen geboten hatte,
durch derbe Schläge mit einem dicken Seile, beant-
wortete, wovon Sebaldus ganz betäubt auf das
Strohlager niederfiel.

Als er sich ein wenig erholte, sah er um sich eine
Anzahl elender Schatten-ähnlicher Menschen, von
Hunger, Vlöße, Schlägen, Krankheit und Kinn-
mer ganz ausgemergelt, von ihrem Strohlager auf-
kriechen. Neben ihm lag ein Mensch, günstiges An-
sehens, aber vom Fieber ganz abgezehrt, der ihm,
auf seine laute Klagen mit mattaufgehobner Hand,
und schwacher Stimme, hochdeutsch zusprach;
"Sey geduldig Freund, denn es wartet dein noch
"mehr Elend; das meinige ist hoffentlich bald zu
"Ende.'

Sebaldus fiel wieder in schwermüthiges Stau-
nen, aus welchem er ohngefähr nach einer Stunde
erweckt wurde, da man ihn holte, um vor dem See-
lenverkäufer zu erscheinen, der nicht längst aufge-
standen war.

Sebal-
C 5



Begleiter in eine Art von Unterkammer ſtieß, wo
ohngefaͤhr dreißig elende Menſchen auf Stroh lagen.
Er brach in die heftigſten Vorwuͤrfe gegen ſeinen Be-
gleiter aus, die dieſer, nachdem er ihm einigemahl
in einem trotzigen Tone ſtillzuſchweigen geboten hatte,
durch derbe Schlaͤge mit einem dicken Seile, beant-
wortete, wovon Sebaldus ganz betaͤubt auf das
Strohlager niederfiel.

Als er ſich ein wenig erholte, ſah er um ſich eine
Anzahl elender Schatten-aͤhnlicher Menſchen, von
Hunger, Vloͤße, Schlaͤgen, Krankheit und Kinn-
mer ganz ausgemergelt, von ihrem Strohlager auf-
kriechen. Neben ihm lag ein Menſch, guͤnſtiges An-
ſehens, aber vom Fieber ganz abgezehrt, der ihm,
auf ſeine laute Klagen mit mattaufgehobner Hand,
und ſchwacher Stimme, hochdeutſch zuſprach;
„Sey geduldig Freund, denn es wartet dein noch
„mehr Elend; das meinige iſt hoffentlich bald zu
„Ende.‛

Sebaldus fiel wieder in ſchwermuͤthiges Stau-
nen, aus welchem er ohngefaͤhr nach einer Stunde
erweckt wurde, da man ihn holte, um vor dem See-
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C 5
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[39[38]/0047] Begleiter in eine Art von Unterkammer ſtieß, wo ohngefaͤhr dreißig elende Menſchen auf Stroh lagen. Er brach in die heftigſten Vorwuͤrfe gegen ſeinen Be- gleiter aus, die dieſer, nachdem er ihm einigemahl in einem trotzigen Tone ſtillzuſchweigen geboten hatte, durch derbe Schlaͤge mit einem dicken Seile, beant- wortete, wovon Sebaldus ganz betaͤubt auf das Strohlager niederfiel. Als er ſich ein wenig erholte, ſah er um ſich eine Anzahl elender Schatten-aͤhnlicher Menſchen, von Hunger, Vloͤße, Schlaͤgen, Krankheit und Kinn- mer ganz ausgemergelt, von ihrem Strohlager auf- kriechen. Neben ihm lag ein Menſch, guͤnſtiges An- ſehens, aber vom Fieber ganz abgezehrt, der ihm, auf ſeine laute Klagen mit mattaufgehobner Hand, und ſchwacher Stimme, hochdeutſch zuſprach; „Sey geduldig Freund, denn es wartet dein noch „mehr Elend; das meinige iſt hoffentlich bald zu „Ende.‛ Sebaldus fiel wieder in ſchwermuͤthiges Stau- nen, aus welchem er ohngefaͤhr nach einer Stunde erweckt wurde, da man ihn holte, um vor dem See- lenverkaͤufer zu erſcheinen, der nicht laͤngſt aufge- ſtanden war. Sebal- C 5

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 39[38]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/47>, abgerufen am 24.04.2024.