Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



werden; von seiner Mutter: Gottesfurcht und
Freigebigkeit, und nicht nur nichts Böses zu
thun,
sondern es auch nicht einmahl zu den-
ken
*) u. s. w.

Der Kaufmann und seine Frau hörten aufmerk-
sam zu. Frau Elsabe gestand, wenn dieser Heide
so gesinnet gewesen, könne es wohl nicht verdamm-
lich seyn, ihn zum Beyspiele darzustellen. Ja sie
möchte sich selbst nicht unterstehen, einen so guten
Heiden zu verdammen.

Hiemit stimmte der Kaufmann überein. ,Aber
"dieß ist nicht das schlimmste, sagte er zum Sebal-
"dus;
denn die Domine wissen ohnedem mit dem
"Verdammen geschwinder umzuspringen als unser
"einer. Das schlimmste ist, daß ich Euch wider Wil-
"len der Domine nicht im Hause behalten kann, weil
"sie allen Leuten sagen werden, daß ihr keine rechte
"gewisse Religion habt.'

,Eine rechte gewisse Religion? Mein Herr! die
"habe ich, Gott Lob! denn ich weiß, an wen ich
"glaube.
Aber daß mein Glauben, mit dem,
"was verschiedene andere Leute glauben, oder andern
"Leuten, als Formulare zu glauben vorschreiben, zu-

"weilen
*) S. Antonins Betrachtungen über sich selbst. 1stes Buch im
Anfange.



werden; von ſeiner Mutter: Gottesfurcht und
Freigebigkeit, und nicht nur nichts Boͤſes zu
thun,
ſondern es auch nicht einmahl zu den-
ken
*) u. ſ. w.

Der Kaufmann und ſeine Frau hoͤrten aufmerk-
ſam zu. Frau Elſabe geſtand, wenn dieſer Heide
ſo geſinnet geweſen, koͤnne es wohl nicht verdamm-
lich ſeyn, ihn zum Beyſpiele darzuſtellen. Ja ſie
moͤchte ſich ſelbſt nicht unterſtehen, einen ſo guten
Heiden zu verdammen.

Hiemit ſtimmte der Kaufmann uͤberein. ‚Aber
„dieß iſt nicht das ſchlimmſte, ſagte er zum Sebal-
„dus;
denn die Domine wiſſen ohnedem mit dem
„Verdammen geſchwinder umzuſpringen als unſer
„einer. Das ſchlimmſte iſt, daß ich Euch wider Wil-
„len der Domine nicht im Hauſe behalten kann, weil
„ſie allen Leuten ſagen werden, daß ihr keine rechte
„gewiſſe Religion habt.‛

‚Eine rechte gewiſſe Religion? Mein Herr! die
„habe ich, Gott Lob! denn ich weiß, an wen ich
„glaube.
Aber daß mein Glauben, mit dem,
„was verſchiedene andere Leute glauben, oder andern
„Leuten, als Formulare zu glauben vorſchreiben, zu-

„weilen
*) S. Antonins Betrachtungen uͤber ſich ſelbſt. 1ſtes Buch im
Anfange.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0037" n="29[28]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#fr">werden;</hi> von &#x017F;einer Mutter: <hi rendition="#fr">Gottesfurcht</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Freigebigkeit,</hi> und nicht nur <hi rendition="#fr">nichts Bo&#x0364;&#x017F;es zu<lb/>
thun,</hi> &#x017F;ondern es auch <hi rendition="#fr">nicht einmahl zu den-<lb/>
ken</hi> <note place="foot" n="*)">S. Antonins Betrachtungen u&#x0364;ber &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t. 1&#x017F;tes Buch im<lb/>
Anfange.</note> u. &#x017F;. w.</p><lb/>
          <p>Der Kaufmann und &#x017F;eine Frau ho&#x0364;rten aufmerk-<lb/>
&#x017F;am zu. Frau <hi rendition="#fr">El&#x017F;abe</hi> ge&#x017F;tand, wenn die&#x017F;er <hi rendition="#fr">Heide</hi><lb/>
&#x017F;o ge&#x017F;innet gewe&#x017F;en, ko&#x0364;nne es wohl nicht verdamm-<lb/>
lich &#x017F;eyn, ihn zum Bey&#x017F;piele darzu&#x017F;tellen. Ja &#x017F;ie<lb/>
mo&#x0364;chte &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht unter&#x017F;tehen, einen &#x017F;o guten<lb/>
Heiden zu verdammen.</p><lb/>
          <p>Hiemit &#x017F;timmte der Kaufmann u&#x0364;berein. &#x201A;Aber<lb/>
&#x201E;dieß i&#x017F;t nicht das &#x017F;chlimm&#x017F;te, &#x017F;agte er zum <hi rendition="#fr">Sebal-<lb/>
&#x201E;dus;</hi> denn die Domine wi&#x017F;&#x017F;en ohnedem mit dem<lb/>
&#x201E;Verdammen ge&#x017F;chwinder umzu&#x017F;pringen als un&#x017F;er<lb/>
&#x201E;einer. Das &#x017F;chlimm&#x017F;te i&#x017F;t, daß ich Euch wider Wil-<lb/>
&#x201E;len der Domine nicht im Hau&#x017F;e behalten kann, weil<lb/>
&#x201E;&#x017F;ie allen Leuten &#x017F;agen werden, daß ihr keine rechte<lb/>
&#x201E;gewi&#x017F;&#x017F;e Religion habt.&#x201B;</p><lb/>
          <p>&#x201A;Eine rechte gewi&#x017F;&#x017F;e Religion? Mein Herr! die<lb/>
&#x201E;habe ich, Gott Lob! <hi rendition="#fr">denn ich weiß, an wen ich<lb/>
&#x201E;glaube.</hi> Aber daß mein Glauben, mit dem,<lb/>
&#x201E;was ver&#x017F;chiedene andere Leute glauben, oder andern<lb/>
&#x201E;Leuten, als Formulare zu glauben vor&#x017F;chreiben, zu-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;weilen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29[28]/0037] werden; von ſeiner Mutter: Gottesfurcht und Freigebigkeit, und nicht nur nichts Boͤſes zu thun, ſondern es auch nicht einmahl zu den- ken *) u. ſ. w. Der Kaufmann und ſeine Frau hoͤrten aufmerk- ſam zu. Frau Elſabe geſtand, wenn dieſer Heide ſo geſinnet geweſen, koͤnne es wohl nicht verdamm- lich ſeyn, ihn zum Beyſpiele darzuſtellen. Ja ſie moͤchte ſich ſelbſt nicht unterſtehen, einen ſo guten Heiden zu verdammen. Hiemit ſtimmte der Kaufmann uͤberein. ‚Aber „dieß iſt nicht das ſchlimmſte, ſagte er zum Sebal- „dus; denn die Domine wiſſen ohnedem mit dem „Verdammen geſchwinder umzuſpringen als unſer „einer. Das ſchlimmſte iſt, daß ich Euch wider Wil- „len der Domine nicht im Hauſe behalten kann, weil „ſie allen Leuten ſagen werden, daß ihr keine rechte „gewiſſe Religion habt.‛ ‚Eine rechte gewiſſe Religion? Mein Herr! die „habe ich, Gott Lob! denn ich weiß, an wen ich „glaube. Aber daß mein Glauben, mit dem, „was verſchiedene andere Leute glauben, oder andern „Leuten, als Formulare zu glauben vorſchreiben, zu- „weilen *) S. Antonins Betrachtungen uͤber ſich ſelbſt. 1ſtes Buch im Anfange.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/37
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 29[28]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/37>, abgerufen am 28.03.2024.