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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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Er ist verträglich? rief Sebaldus. Wohl! so
laßt uns zu ihm gehen. -- Doch lieber Mann,
sagte er, seufzend, indem sie fortgiengen, wißt ihr
nicht einen gutherzigen Krämer oder Bauern, zu
dem würde ich beynahe mehr Zutrauen haben. Der
Fischer wuste sonst niemand, und sie giengen nach
Alkmar.

Als sie in des Predigers Haus traten und ihn zu
sprechen verlangten, rief ihnen die Magd entgegen:
,Jhr werdet ihn ietzt nicht sprechen können, denn er
"ist eben von dem Leichenbegängnisse seines einzigen
"Sohnes zurückgekommen, und noch ganz in Traurig-
"keit versunken.' Doch als sie die Fremdlinge an-
meldete, wurden sie vorgelassen.

Der Fischer sagte ihm kurz: Er bringe ihm einen
auf der See verunglückten lutherischen Prediger aus
Deutschland, der, weil er sonst keine Hülfe finden
können, habe nach Ostindien gehen wollen.

Der Prediger fragte den Sebaldus lateinisch:
,Was ihn bewogen habe, sein Vaterland zu verlas-
"sen?'

,Unglück und Mangel' antwortete Sebaldus, --
sich nicht getrauend, gegen den Prediger eine nä-
here Veranlassung anzugeben. --

,Aber
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Er iſt vertraͤglich? rief Sebaldus. Wohl! ſo
laßt uns zu ihm gehen. — Doch lieber Mann,
ſagte er, ſeufzend, indem ſie fortgiengen, wißt ihr
nicht einen gutherzigen Kraͤmer oder Bauern, zu
dem wuͤrde ich beynahe mehr Zutrauen haben. Der
Fiſcher wuſte ſonſt niemand, und ſie giengen nach
Alkmar.

Als ſie in des Predigers Haus traten und ihn zu
ſprechen verlangten, rief ihnen die Magd entgegen:
‚Jhr werdet ihn ietzt nicht ſprechen koͤnnen, denn er
„iſt eben von dem Leichenbegaͤngniſſe ſeines einzigen
„Sohnes zuruͤckgekommen, und noch ganz in Traurig-
„keit verſunken.‛ Doch als ſie die Fremdlinge an-
meldete, wurden ſie vorgelaſſen.

Der Fiſcher ſagte ihm kurz: Er bringe ihm einen
auf der See verungluͤckten lutheriſchen Prediger aus
Deutſchland, der, weil er ſonſt keine Huͤlfe finden
koͤnnen, habe nach Oſtindien gehen wollen.

Der Prediger fragte den Sebaldus lateiniſch:
‚Was ihn bewogen habe, ſein Vaterland zu verlaſ-
„ſen?‛

‚Ungluͤck und Mangel‛ antwortete Sebaldus,
ſich nicht getrauend, gegen den Prediger eine naͤ-
here Veranlaſſung anzugeben. —

‚Aber
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[7[6]/0013] Er iſt vertraͤglich? rief Sebaldus. Wohl! ſo laßt uns zu ihm gehen. — Doch lieber Mann, ſagte er, ſeufzend, indem ſie fortgiengen, wißt ihr nicht einen gutherzigen Kraͤmer oder Bauern, zu dem wuͤrde ich beynahe mehr Zutrauen haben. Der Fiſcher wuſte ſonſt niemand, und ſie giengen nach Alkmar. Als ſie in des Predigers Haus traten und ihn zu ſprechen verlangten, rief ihnen die Magd entgegen: ‚Jhr werdet ihn ietzt nicht ſprechen koͤnnen, denn er „iſt eben von dem Leichenbegaͤngniſſe ſeines einzigen „Sohnes zuruͤckgekommen, und noch ganz in Traurig- „keit verſunken.‛ Doch als ſie die Fremdlinge an- meldete, wurden ſie vorgelaſſen. Der Fiſcher ſagte ihm kurz: Er bringe ihm einen auf der See verungluͤckten lutheriſchen Prediger aus Deutſchland, der, weil er ſonſt keine Huͤlfe finden koͤnnen, habe nach Oſtindien gehen wollen. Der Prediger fragte den Sebaldus lateiniſch: ‚Was ihn bewogen habe, ſein Vaterland zu verlaſ- „ſen?‛ ‚Ungluͤck und Mangel‛ antwortete Sebaldus, — ſich nicht getrauend, gegen den Prediger eine naͤ- here Veranlaſſung anzugeben. — ‚Aber A 4

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 7[6]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/13>, abgerufen am 24.04.2024.