Sebaldus wanderte auf der von ohngefehr ge- fundenen Landstraße fort, ohne zu wissen wohin. Er war schon ein paar Meilen einsam fort- gegangen, als er von weitem einen Fußgänger er- blickte, den er einzuholen suchte. Er verdoppelte seine Schritte, und erblickte einen Mann, der in einen grauen Rock von feinem Tuche gekleidet war, eine ungepuderte Stutzperucke auf dem Kopfe hatte, einen kleinen Bündel an einem Stabe auf der Schulter trug, und mit heller Stimme, das Lied: Wachet auf, ruft uns die Stimme, sang. Sebaldus, ein Freund des Singens geistlicher Lieder, zumahl ge- wisser enthusiastischer Melodien, gesellte sich zu dem Wanderer, und summete das Lied, in einer mit vielen Terzien und Sexten untermischten extemporirten Baßpartie nach.
Als
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Viertes Buch.
Erſter Abſchnitt.
Sebaldus wanderte auf der von ohngefehr ge- fundenen Landſtraße fort, ohne zu wiſſen wohin. Er war ſchon ein paar Meilen einſam fort- gegangen, als er von weitem einen Fußgaͤnger er- blickte, den er einzuholen ſuchte. Er verdoppelte ſeine Schritte, und erblickte einen Mann, der in einen grauen Rock von feinem Tuche gekleidet war, eine ungepuderte Stutzperucke auf dem Kopfe hatte, einen kleinen Buͤndel an einem Stabe auf der Schulter trug, und mit heller Stimme, das Lied: Wachet auf, ruft uns die Stimme, ſang. Sebaldus, ein Freund des Singens geiſtlicher Lieder, zumahl ge- wiſſer enthuſiaſtiſcher Melodien, geſellte ſich zu dem Wanderer, und ſummete das Lied, in einer mit vielen Terzien und Sexten untermiſchten extemporirten Baßpartie nach.
Als
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Viertes Buch.
Erſter Abſchnitt.
Sebaldus wanderte auf der von ohngefehr ge-
fundenen Landſtraße fort, ohne zu wiſſen
wohin. Er war ſchon ein paar Meilen einſam fort-
gegangen, als er von weitem einen Fußgaͤnger er-
blickte, den er einzuholen ſuchte. Er verdoppelte ſeine
Schritte, und erblickte einen Mann, der in einen
grauen Rock von feinem Tuche gekleidet war, eine
ungepuderte Stutzperucke auf dem Kopfe hatte, einen
kleinen Buͤndel an einem Stabe auf der Schulter
trug, und mit heller Stimme, das Lied: Wachet
auf, ruft uns die Stimme, ſang. Sebaldus,
ein Freund des Singens geiſtlicher Lieder, zumahl ge-
wiſſer enthuſiaſtiſcher Melodien, geſellte ſich zu dem
Wanderer, und ſummete das Lied, in einer mit vielen
Terzien und Sexten untermiſchten extemporirten
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/7>, abgerufen am 20.04.2024.
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