Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

Bild:
<< vorherige Seite



"die bey mir zum Durchbruch kam, seitdem habe ich
"an der Gnade beständig gehangen, bin nie der
"Gnade satt worden.'

,Also glauben sie doch gewiß ewig selig zu werden?'

,Ach ja! dessen bin ich gewiß:

,Denn ich will stets ein Bienelein
"Auf des Lammes Wundeu seyn
"Und fahren so in'n Himmel nein.'

,So! Und werden ewige Freude haben, und wer-
"den ganz geruhig zusehen, *) wie Millionen ihrer
"Nebenmenschen sich beißen, fressen, nagen, sich
"fluchen und lästern, wie der Tod sie recht

"plagt
*) Manchen eifrigen Gottesgelehrten, muß es nicht so anstößig
seyn, als dem ehrlichen Sebaldus, daß die Seligen im Him-
mel die ewige Quaal der Verdamten ganz geruhig, ohne Mit-
leid,
ansehen sollen. Z. B. Jn M. Cyriacus Höfers kur-
zem und richtigem Himmeisweg wie ein Kind in 24 Stun-
den lernen kann, wie es soll der Höllen entgehen und ewig
selig werden, einem Katechismus, der im Churfürsten-
thume Sachsen,
und vielleicht auch in andern Provinzen,
in vielen Schulen, zur Unterweisung der Jngend gebraucht
wird, und der noch 1772 zu Leipzig gedruckt worden, findet
man S. 97. folgende Fragen und Antworten:
"Wenn du welche der Deinen würdest in der Hölle sehen
"würde dir die Marter zu Herzen gehen, oder würde sie
"dir nicht zu Herzen geben?"
"Antw. Sie würde mir nicht zu Herzen gehen."
"Warum wird sie dir nicht zu Herzen gehen?"
"Antw. Weil alsdenn mein Willen mit dem Willen
"Gottes übereinstimmen wird.
"

Will



”die bey mir zum Durchbruch kam, ſeitdem habe ich
”an der Gnade beſtaͤndig gehangen, bin nie der
”Gnade ſatt worden.‛

‚Alſo glauben ſie doch gewiß ewig ſelig zu werden?‛

‚Ach ja! deſſen bin ich gewiß:

‚Denn ich will ſtets ein Bienelein
”Auf des Lammes Wundeu ſeyn
”Und fahren ſo in’n Himmel nein.‛

‚So! Und werden ewige Freude haben, und wer-
”den ganz geruhig zuſehen, *) wie Millionen ihrer
”Nebenmenſchen ſich beißen, freſſen, nagen, ſich
”fluchen und laͤſtern, wie der Tod ſie recht

”plagt
*) Manchen eifrigen Gottesgelehrten, muß es nicht ſo anſtößig
ſeyn, als dem ehrlichen Sebaldus, daß die Seligen im Him-
mel die ewige Quaal der Verdamten ganz geruhig, ohne Mit-
leid,
anſehen ſollen. Z. B. Jn M. Cyriacus Hoͤfers kur-
zem und richtigem Himmeisweg wie ein Kind in 24 Stun-
den lernen kann, wie es ſoll der Hoͤllen entgehen und ewig
ſelig werden, einem Katechismus, der im Churfuͤrſten-
thume Sachſen,
und vielleicht auch in andern Provinzen,
in vielen Schulen, zur Unterweiſung der Jngend gebraucht
wird, und der noch 1772 zu Leipzig gedruckt worden, findet
man S. 97. folgende Fragen und Antworten:
„Wenn du welche der Deinen würdeſt in der Hölle ſehen
”würde dir die Marter zu Herzen gehen, oder würde ſie
”dir nicht zu Herzen geben?‟
„Antw. Sie wuͤrde mir nicht zu Herzen gehen.
„Warum wird ſie dir nicht zu Herzen gehen?‟
„Antw. Weil alsdenn mein Willen mit dem Willen
”Gottes uͤbereinſtimmen wird.

Will
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0016" n="12"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x201D;die bey mir zum Durchbruch kam, &#x017F;eitdem habe ich<lb/>
&#x201D;an der Gnade be&#x017F;ta&#x0364;ndig gehangen, bin nie der<lb/>
&#x201D;Gnade &#x017F;att worden.&#x201B;</p><lb/>
          <p>&#x201A;Al&#x017F;o glauben &#x017F;ie doch gewiß ewig &#x017F;elig zu werden?&#x201B;</p><lb/>
          <p>&#x201A;Ach ja! de&#x017F;&#x017F;en bin ich gewiß:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201A;Denn ich will &#x017F;tets ein Bienelein</l><lb/>
            <l>&#x201D;Auf des Lammes Wundeu &#x017F;eyn</l><lb/>
            <l>&#x201D;Und fahren &#x017F;o in&#x2019;n Himmel nein.&#x201B;</l>
          </lg><lb/>
          <p>&#x201A;So! Und werden ewige Freude haben, und wer-<lb/>
&#x201D;den ganz geruhig zu&#x017F;ehen, <note xml:id="seg2pn_1_1" next="#seg2pn_1_2" place="foot" n="*)">Manchen eifrigen Gottesgelehrten, muß es nicht &#x017F;o an&#x017F;tößig<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;eyn, als dem ehrlichen Sebaldus,</hi> daß die Seligen im Him-<lb/>
mel die ewige Quaal der Verdamten <hi rendition="#fr">ganz geruhig, ohne Mit-<lb/>
leid,</hi> an&#x017F;ehen &#x017F;ollen. Z. B. Jn M. <hi rendition="#fr">Cyriacus Ho&#x0364;fers kur-<lb/>
zem und richtigem Himmeisweg wie ein Kind in 24 Stun-<lb/>
den lernen kann, wie es &#x017F;oll der Ho&#x0364;llen entgehen und ewig<lb/>
&#x017F;elig werden, einem Katechismus, der im Churfu&#x0364;r&#x017F;ten-<lb/>
thume Sach&#x017F;en,</hi> und vielleicht auch in andern Provinzen,<lb/>
in vielen Schulen, zur Unterwei&#x017F;ung der Jngend gebraucht<lb/>
wird, und der noch 1772 zu Leipzig gedruckt worden, findet<lb/>
man S. 97. folgende Fragen und Antworten:<lb/><cit><quote>&#x201E;Wenn du welche der Deinen würde&#x017F;t in der Hölle &#x017F;ehen<lb/>
&#x201D;würde dir die Marter zu Herzen gehen, oder würde &#x017F;ie<lb/>
&#x201D;dir nicht zu Herzen geben?&#x201F;<lb/>
&#x201E;Antw. <hi rendition="#fr">Sie wu&#x0364;rde mir nicht zu Herzen gehen.</hi>&#x201F;<lb/>
&#x201E;Warum wird &#x017F;ie dir nicht zu Herzen gehen?&#x201F;<lb/>
&#x201E;Antw. <hi rendition="#fr">Weil alsdenn mein Willen mit dem Willen<lb/>
&#x201D;Gottes u&#x0364;berein&#x017F;timmen wird.</hi>&#x201F;</quote><bibl/></cit><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Will</fw></note> wie Millionen ihrer<lb/>
&#x201D;Nebenmen&#x017F;chen <hi rendition="#fr">&#x017F;ich beißen, fre&#x017F;&#x017F;en, nagen, &#x017F;ich<lb/>
&#x201D;fluchen und la&#x0364;&#x017F;tern, wie der Tod &#x017F;ie recht</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">&#x201D;plagt</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0016] ”die bey mir zum Durchbruch kam, ſeitdem habe ich ”an der Gnade beſtaͤndig gehangen, bin nie der ”Gnade ſatt worden.‛ ‚Alſo glauben ſie doch gewiß ewig ſelig zu werden?‛ ‚Ach ja! deſſen bin ich gewiß: ‚Denn ich will ſtets ein Bienelein ”Auf des Lammes Wundeu ſeyn ”Und fahren ſo in’n Himmel nein.‛ ‚So! Und werden ewige Freude haben, und wer- ”den ganz geruhig zuſehen, *) wie Millionen ihrer ”Nebenmenſchen ſich beißen, freſſen, nagen, ſich ”fluchen und laͤſtern, wie der Tod ſie recht ”plagt *) Manchen eifrigen Gottesgelehrten, muß es nicht ſo anſtößig ſeyn, als dem ehrlichen Sebaldus, daß die Seligen im Him- mel die ewige Quaal der Verdamten ganz geruhig, ohne Mit- leid, anſehen ſollen. Z. B. Jn M. Cyriacus Hoͤfers kur- zem und richtigem Himmeisweg wie ein Kind in 24 Stun- den lernen kann, wie es ſoll der Hoͤllen entgehen und ewig ſelig werden, einem Katechismus, der im Churfuͤrſten- thume Sachſen, und vielleicht auch in andern Provinzen, in vielen Schulen, zur Unterweiſung der Jngend gebraucht wird, und der noch 1772 zu Leipzig gedruckt worden, findet man S. 97. folgende Fragen und Antworten: „Wenn du welche der Deinen würdeſt in der Hölle ſehen ”würde dir die Marter zu Herzen gehen, oder würde ſie ”dir nicht zu Herzen geben?‟ „Antw. Sie wuͤrde mir nicht zu Herzen gehen.‟ „Warum wird ſie dir nicht zu Herzen gehen?‟ „Antw. Weil alsdenn mein Willen mit dem Willen ”Gottes uͤbereinſtimmen wird.‟ Will

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/16
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/16>, abgerufen am 29.03.2024.