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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

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beschäftigt waren, ihn einzufangen. Als ich nun
endlich herankam und sie mir mein Thier über-
lieferten, stand ich da, völlig durchnäßt, den Hut
auf dem kahlen Kopfe, (: ein kurzgeschorner Schä-
del aber war damals etwas Lächerliches:) und
bedachte bei mir selbst, was weiter zu thun sey?
Doch ich meynte, ich sey ja wohl eher einmal naß
gewesen; warf mich auf's Pferd, und trabte, als
sey nichts geschehen, nach Henkenbagen zu.

Jndeß muß ich doch ziemlich verstört ausge-
sehen haben: denn alle Leute, die mir begegne-
ten, sperrten die Augen auf und fragten, was
mir begegnet sey? Jch dagegen hielt mich mit
keiner langen Antwort auf, bis ich das Dorf er-
reichte: aber als ich nun vom Pferde steigen
wollte, fühlte ich mich von Nasse und Kälte so
erstarrt, daß ich mich nicht zu regen vermochte.
Ob nun das, was ich that, das Gescheuteste war,
weiß ich nicht: aber anstatt den nächsten warmen
Ofen zu suchen, macht' ich mit meinem Gaule
auf der Stelle rechtsum und sprengte, im gestreck-
ten Galopp, nach Colberg heim, wo ich mein
Abentheuer mit einer achttägigen Unpäßlichkeit be-
zahlte, ohne jedoch dadurch klüger zu werden.

Denn noch in diesem nemlichen Winter ver-
suchte ich es fast noch halsbrechender, indem ich
in einem zweispännigen Jagdschlitten über Land
fuhr. Es gab ein dichtes Schneegestöber; so daß
man nur wenige Schritte deutlich sehen konnte.
Bei der Mühle zu Simötzel hatt' ich einen stark

beſchaͤftigt waren, ihn einzufangen. Als ich nun
endlich herankam und ſie mir mein Thier uͤber-
lieferten, ſtand ich da, voͤllig durchnaͤßt, den Hut
auf dem kahlen Kopfe, (: ein kurzgeſchorner Schaͤ-
del aber war damals etwas Laͤcherliches:) und
bedachte bei mir ſelbſt, was weiter zu thun ſey?
Doch ich meynte, ich ſey ja wohl eher einmal naß
geweſen; warf mich auf’s Pferd, und trabte, als
ſey nichts geſchehen, nach Henkenbagen zu.

Jndeß muß ich doch ziemlich verſtoͤrt ausge-
ſehen haben: denn alle Leute, die mir begegne-
ten, ſperrten die Augen auf und fragten, was
mir begegnet ſey? Jch dagegen hielt mich mit
keiner langen Antwort auf, bis ich das Dorf er-
reichte: aber als ich nun vom Pferde ſteigen
wollte, fuͤhlte ich mich von Naſſe und Kaͤlte ſo
erſtarrt, daß ich mich nicht zu regen vermochte.
Ob nun das, was ich that, das Geſcheuteſte war,
weiß ich nicht: aber anſtatt den naͤchſten warmen
Ofen zu ſuchen, macht’ ich mit meinem Gaule
auf der Stelle rechtsum und ſprengte, im geſtreck-
ten Galopp, nach Colberg heim, wo ich mein
Abentheuer mit einer achttaͤgigen Unpaͤßlichkeit be-
zahlte, ohne jedoch dadurch kluͤger zu werden.

Denn noch in dieſem nemlichen Winter ver-
ſuchte ich es faſt noch halsbrechender, indem ich
in einem zweiſpaͤnnigen Jagdſchlitten uͤber Land
fuhr. Es gab ein dichtes Schneegeſtoͤber; ſo daß
man nur wenige Schritte deutlich ſehen konnte.
Bei der Muͤhle zu Simoͤtzel hatt’ ich einen ſtark

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[6/0022] beſchaͤftigt waren, ihn einzufangen. Als ich nun endlich herankam und ſie mir mein Thier uͤber- lieferten, ſtand ich da, voͤllig durchnaͤßt, den Hut auf dem kahlen Kopfe, (: ein kurzgeſchorner Schaͤ- del aber war damals etwas Laͤcherliches:) und bedachte bei mir ſelbſt, was weiter zu thun ſey? Doch ich meynte, ich ſey ja wohl eher einmal naß geweſen; warf mich auf’s Pferd, und trabte, als ſey nichts geſchehen, nach Henkenbagen zu. Jndeß muß ich doch ziemlich verſtoͤrt ausge- ſehen haben: denn alle Leute, die mir begegne- ten, ſperrten die Augen auf und fragten, was mir begegnet ſey? Jch dagegen hielt mich mit keiner langen Antwort auf, bis ich das Dorf er- reichte: aber als ich nun vom Pferde ſteigen wollte, fuͤhlte ich mich von Naſſe und Kaͤlte ſo erſtarrt, daß ich mich nicht zu regen vermochte. Ob nun das, was ich that, das Geſcheuteſte war, weiß ich nicht: aber anſtatt den naͤchſten warmen Ofen zu ſuchen, macht’ ich mit meinem Gaule auf der Stelle rechtsum und ſprengte, im geſtreck- ten Galopp, nach Colberg heim, wo ich mein Abentheuer mit einer achttaͤgigen Unpaͤßlichkeit be- zahlte, ohne jedoch dadurch kluͤger zu werden. Denn noch in dieſem nemlichen Winter ver- ſuchte ich es faſt noch halsbrechender, indem ich in einem zweiſpaͤnnigen Jagdſchlitten uͤber Land fuhr. Es gab ein dichtes Schneegeſtoͤber; ſo daß man nur wenige Schritte deutlich ſehen konnte. Bei der Muͤhle zu Simoͤtzel hatt’ ich einen ſtark

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/22>, abgerufen am 24.04.2024.