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Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666.

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An dem wohlgeneigten Leser.

Sind demnach diejenigen zuloben/ welche darnach reisen und uns/ als
ausgeschickte Bothen/ die rechte Warheit heimbringen und berichten/ damit
wir nicht an ungewissen Dingen hengen bleiben und uns damit behelffen dörf-
fen/ das wir doch anders wissen können/ als es die Vorfahren ihrem befinden
nach aufgezeichnet.

Nützlich ist das Reisen auch/ denn es bessert im Wissen und Leben und
sagt jener fleißige Reisemann nicht unbillig: Reisen ist ein fleißiger Lehrmeister.
Denn indem einer nicht nur Städte und Länder/ sondern auch der Menschen
Sitten/ Sprachen/ Trachten/ Wercke und Gemüther und wie dieselben regi-
ret werden/ selber sihet und erforschet/ so sihet er nicht allein Guts und Böses
beysammen und hab die Wahl/ welches wohl oder übel stehet/ Schaden/ oder
Nutzen schaffet/ sondern auch es mag einer studirt haben und so gelehrt seyn
als er immer wolle/ so wird doch seine Geschicklichkeit dadurch vermehret/ ge-
stärcket und das Gemüthe zur Ehr und Erbarkeit angetrieben und weiß her-
nach auch andere weißlich und löblich zu regiren/ oder andern regiren zuhelf-
fen/ wie Sirach im 39. Cap. seines Hauß-Buchs den Gereiseten zuschreibet.
Drumb sagen unsere Alten: Wer nicht auskömmet/ der kömmet auch nicht
ein.

Heimgebackene und Selbst-kluge richten selten viel Gutes aus/ oder müs-
sen sich mit Einbildungen und Aufschneiden behelffen. Denn die Bäurische
Arth/ die man zu Hause angewohnet/ wird mit dem ausländischen Saltz der
Höflichkeit subtil gemacht/ daß man höflich/ Gesprächig/ demüthig und recht
vernünfftig wird/ da man ingegen sihet/ daß die/ so zu Hause im Schatten bey
denen ihrigen/ als die Jungen bey den Alten im Neste/ sitzen bleiben/ gemeinig-
lich gantz wilde/ eigenwillig/ einbildig/ und stärrig bleiben/ die mit niemande
umzugehen/ noch sich zuschicken wissen. Besihe hierbey auch den fleißigen
Schreiber Zeilerum und seine 99. Epistel im Dritten Hundert.

Daß aber auch wohl welche das Böse von ihrem Reisen mit nach Hause
bringen und nicht allein vor ihre Person davon Böse werden/ sondern auch
wohl löbliche Ordnungen/ Regimenter/ Sitten und Religionen damit be-
schmitzen/ verfälschen/ zerrütten und verderben/ das gibt die Erfahrung leider!
offt und viel/ zumahl in diesen ietzt verderbten letzten Zeiten/ mit Schmertzen
zu beklagen.

Poli-
An dem wohlgeneigten Leſer.

Sind demnach diejenigen zuloben/ welche darnach reiſen und uns/ als
ausgeſchickte Bothen/ die rechte Warheit heimbringen und berichten/ damit
wir nicht an ungewiſſen Dingen hengen bleiben und uns damit behelffen doͤrf-
fen/ das wir doch anders wiſſen koͤnnen/ als es die Vorfahren ihrem befinden
nach aufgezeichnet.

Nuͤtzlich iſt das Reiſen auch/ denn es beſſert im Wiſſen und Leben und
ſagt jener fleißige Reiſemann nicht unbillig: Reiſen iſt ein fleißiger Lehrmeiſter.
Denn indem einer nicht nur Staͤdte und Laͤnder/ ſondern auch der Menſchen
Sitten/ Sprachen/ Trachten/ Wercke und Gemuͤther und wie dieſelben regi-
ret werden/ ſelber ſihet und erforſchet/ ſo ſihet er nicht allein Guts und Boͤſes
beyſammen und hab die Wahl/ welches wohl oder uͤbel ſtehet/ Schaden/ oder
Nutzen ſchaffet/ ſondern auch es mag einer ſtudirt haben und ſo gelehrt ſeyn
als er immer wolle/ ſo wird doch ſeine Geſchicklichkeit dadurch vermehret/ ge-
ſtaͤrcket und das Gemuͤthe zur Ehr und Erbarkeit angetrieben und weiß her-
nach auch andere weißlich und loͤblich zu regiren/ oder andern regiren zuhelf-
fen/ wie Sirach im 39. Cap. ſeines Hauß-Buchs den Gereiſeten zuſchreibet.
Drumb ſagen unſere Alten: Wer nicht auskoͤmmet/ der koͤmmet auch nicht
ein.

Heimgebackene und Selbſt-kluge richten ſelten viel Gutes aus/ oder muͤſ-
ſen ſich mit Einbildungen und Aufſchneiden behelffen. Denn die Baͤuriſche
Arth/ die man zu Hauſe angewohnet/ wird mit dem auslaͤndiſchen Saltz der
Hoͤflichkeit ſubtil gemacht/ daß man hoͤflich/ Geſpraͤchig/ demuͤthig und recht
vernuͤnfftig wird/ da man ingegen ſihet/ daß die/ ſo zu Hauſe im Schatten bey
denen ihrigen/ als die Jungen bey den Alten im Neſte/ ſitzen bleiben/ gemeinig-
lich gantz wilde/ eigenwillig/ einbildig/ und ſtaͤrrig bleiben/ die mit niemande
umzugehen/ noch ſich zuſchicken wiſſen. Beſihe hierbey auch den fleißigen
Schreiber Zeilerum und ſeine 99. Epiſtel im Dritten Hundert.

Daß aber auch wohl welche das Boͤſe von ihrem Reiſen mit nach Hauſe
bringen und nicht allein vor ihre Perſon davon Boͤſe werden/ ſondern auch
wohl loͤbliche Ordnungen/ Regimenter/ Sitten und Religionen damit be-
ſchmitzen/ verfaͤlſchen/ zerruͤtten und verderben/ das gibt die Erfahrung leider!
offt und viel/ zumahl in dieſen ietzt verderbten letzten Zeiten/ mit Schmertzen
zu beklagen.

Poli-
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[8/0014] An dem wohlgeneigten Leſer. Sind demnach diejenigen zuloben/ welche darnach reiſen und uns/ als ausgeſchickte Bothen/ die rechte Warheit heimbringen und berichten/ damit wir nicht an ungewiſſen Dingen hengen bleiben und uns damit behelffen doͤrf- fen/ das wir doch anders wiſſen koͤnnen/ als es die Vorfahren ihrem befinden nach aufgezeichnet. Nuͤtzlich iſt das Reiſen auch/ denn es beſſert im Wiſſen und Leben und ſagt jener fleißige Reiſemann nicht unbillig: Reiſen iſt ein fleißiger Lehrmeiſter. Denn indem einer nicht nur Staͤdte und Laͤnder/ ſondern auch der Menſchen Sitten/ Sprachen/ Trachten/ Wercke und Gemuͤther und wie dieſelben regi- ret werden/ ſelber ſihet und erforſchet/ ſo ſihet er nicht allein Guts und Boͤſes beyſammen und hab die Wahl/ welches wohl oder uͤbel ſtehet/ Schaden/ oder Nutzen ſchaffet/ ſondern auch es mag einer ſtudirt haben und ſo gelehrt ſeyn als er immer wolle/ ſo wird doch ſeine Geſchicklichkeit dadurch vermehret/ ge- ſtaͤrcket und das Gemuͤthe zur Ehr und Erbarkeit angetrieben und weiß her- nach auch andere weißlich und loͤblich zu regiren/ oder andern regiren zuhelf- fen/ wie Sirach im 39. Cap. ſeines Hauß-Buchs den Gereiſeten zuſchreibet. Drumb ſagen unſere Alten: Wer nicht auskoͤmmet/ der koͤmmet auch nicht ein. Heimgebackene und Selbſt-kluge richten ſelten viel Gutes aus/ oder muͤſ- ſen ſich mit Einbildungen und Aufſchneiden behelffen. Denn die Baͤuriſche Arth/ die man zu Hauſe angewohnet/ wird mit dem auslaͤndiſchen Saltz der Hoͤflichkeit ſubtil gemacht/ daß man hoͤflich/ Geſpraͤchig/ demuͤthig und recht vernuͤnfftig wird/ da man ingegen ſihet/ daß die/ ſo zu Hauſe im Schatten bey denen ihrigen/ als die Jungen bey den Alten im Neſte/ ſitzen bleiben/ gemeinig- lich gantz wilde/ eigenwillig/ einbildig/ und ſtaͤrrig bleiben/ die mit niemande umzugehen/ noch ſich zuſchicken wiſſen. Beſihe hierbey auch den fleißigen Schreiber Zeilerum und ſeine 99. Epiſtel im Dritten Hundert. Daß aber auch wohl welche das Boͤſe von ihrem Reiſen mit nach Hauſe bringen und nicht allein vor ihre Perſon davon Boͤſe werden/ ſondern auch wohl loͤbliche Ordnungen/ Regimenter/ Sitten und Religionen damit be- ſchmitzen/ verfaͤlſchen/ zerruͤtten und verderben/ das gibt die Erfahrung leider! offt und viel/ zumahl in dieſen ietzt verderbten letzten Zeiten/ mit Schmertzen zu beklagen. Poli-

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Zitationshilfe: Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666. , S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neitschitz_reise_1666/14>, abgerufen am 28.03.2024.