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Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876.

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Einleitung.


Leporiden hat Hr. Broca die Nachkommen der Bastarde
zwischen Hasen und Kaninchen
benannt.

Das Wort war bereits im zoologischen System für eine Familie
der doppelzähnigen Nager gebräuchlich, eben so wie das fast zu ähnliche
"Leporinen". Jetzt ist es wohl so vielfach im Sinne des Hrn. Broca
in Gebrauch, dass eine Opposition dagegen erfolglos sein würde.

Hr. Zürn giebt diesen Thieren den systematischen Namen Lepus
Darwini, und führt damit die Neuerung ein, Bastarde mit einem Spezies-
Namen im zoologischen System zu bezeichnen.

Diese sogenannten Leporiden haben grosse Bedeutung für einige
Fragen erlangt, welche, besonders seit Darwins tiefgreifendem Einfluss
die Naturforschung beschäftigen. Für die Begriffe der Art (Species) und
die damit in Verbindung stehenden Räthsel, sind die Leporiden von
allergrösster Wichtigkeit.

Es ist mir nicht gelungen, weder Hasen-Kaninchen-Bastarde zu er-
ziehen, noch solche zur eigenen Beobachtung zu erlangen, über deren
Ursprung jeder Zweifel unmöglich war. Während der 18 Jahre, seitdem
die Broca'sche Arbeit bekannt wurde, habe ich aus Frankreich,
Belgien u. s. w. sogenannte Leporiden erhalten; es sind mir von Jägern
und Kaninchenzüchtern Thiere zugekommen, von denen die Bastard-
qualität behauptet oder vermuthet wurde. Den Beweis dafür habe ich
jedesmal anzutreten versucht -- bisher immer ohne Erfolg.

Ich meine, es giebt zwei Wege, auf denen man sich dem Ziele
nähern kann:

Der erste, und jedenfalls der entscheidende, würde der sein, durch
Versuche zum Ziel zu gelangen. Diese Versuche müssen aber die
Qualität eines exakten, wissenschaftlichen Experiments haben. Sie müs-
sen von Anfang bis zu Ende der strengsten Kontrole der Beobachter
unterliegen, die Experimentatoren müssen sich bewusst sein, worum es
sich handelt, sie müssen orientirt sein, um während des Versuchs schon

H. v. Nathusius, Leporiden. 1
Einleitung.


Leporiden hat Hr. Broca die Nachkommen der Bastarde
zwischen Hasen und Kaninchen
benannt.

Das Wort war bereits im zoologischen System für eine Familie
der doppelzähnigen Nager gebräuchlich, eben so wie das fast zu ähnliche
„Leporinen“. Jetzt ist es wohl so vielfach im Sinne des Hrn. Broca
in Gebrauch, dass eine Opposition dagegen erfolglos sein würde.

Hr. Zürn giebt diesen Thieren den systematischen Namen Lepus
Darwini, und führt damit die Neuerung ein, Bastarde mit einem Spezies-
Namen im zoologischen System zu bezeichnen.

Diese sogenannten Leporiden haben grosse Bedeutung für einige
Fragen erlangt, welche, besonders seit Darwins tiefgreifendem Einfluss
die Naturforschung beschäftigen. Für die Begriffe der Art (Species) und
die damit in Verbindung stehenden Räthsel, sind die Leporiden von
allergrösster Wichtigkeit.

Es ist mir nicht gelungen, weder Hasen-Kaninchen-Bastarde zu er-
ziehen, noch solche zur eigenen Beobachtung zu erlangen, über deren
Ursprung jeder Zweifel unmöglich war. Während der 18 Jahre, seitdem
die Broca’sche Arbeit bekannt wurde, habe ich aus Frankreich,
Belgien u. s. w. sogenannte Leporiden erhalten; es sind mir von Jägern
und Kaninchenzüchtern Thiere zugekommen, von denen die Bastard-
qualität behauptet oder vermuthet wurde. Den Beweis dafür habe ich
jedesmal anzutreten versucht — bisher immer ohne Erfolg.

Ich meine, es giebt zwei Wege, auf denen man sich dem Ziele
nähern kann:

Der erste, und jedenfalls der entscheidende, würde der sein, durch
Versuche zum Ziel zu gelangen. Diese Versuche müssen aber die
Qualität eines exakten, wissenschaftlichen Experiments haben. Sie müs-
sen von Anfang bis zu Ende der strengsten Kontrole der Beobachter
unterliegen, die Experimentatoren müssen sich bewusst sein, worum es
sich handelt, sie müssen orientirt sein, um während des Versuchs schon

H. v. Nathusius, Leporiden. 1
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[0009] Einleitung. Leporiden hat Hr. Broca die Nachkommen der Bastarde zwischen Hasen und Kaninchen benannt. Das Wort war bereits im zoologischen System für eine Familie der doppelzähnigen Nager gebräuchlich, eben so wie das fast zu ähnliche „Leporinen“. Jetzt ist es wohl so vielfach im Sinne des Hrn. Broca in Gebrauch, dass eine Opposition dagegen erfolglos sein würde. Hr. Zürn giebt diesen Thieren den systematischen Namen Lepus Darwini, und führt damit die Neuerung ein, Bastarde mit einem Spezies- Namen im zoologischen System zu bezeichnen. Diese sogenannten Leporiden haben grosse Bedeutung für einige Fragen erlangt, welche, besonders seit Darwins tiefgreifendem Einfluss die Naturforschung beschäftigen. Für die Begriffe der Art (Species) und die damit in Verbindung stehenden Räthsel, sind die Leporiden von allergrösster Wichtigkeit. Es ist mir nicht gelungen, weder Hasen-Kaninchen-Bastarde zu er- ziehen, noch solche zur eigenen Beobachtung zu erlangen, über deren Ursprung jeder Zweifel unmöglich war. Während der 18 Jahre, seitdem die Broca’sche Arbeit bekannt wurde, habe ich aus Frankreich, Belgien u. s. w. sogenannte Leporiden erhalten; es sind mir von Jägern und Kaninchenzüchtern Thiere zugekommen, von denen die Bastard- qualität behauptet oder vermuthet wurde. Den Beweis dafür habe ich jedesmal anzutreten versucht — bisher immer ohne Erfolg. Ich meine, es giebt zwei Wege, auf denen man sich dem Ziele nähern kann: Der erste, und jedenfalls der entscheidende, würde der sein, durch Versuche zum Ziel zu gelangen. Diese Versuche müssen aber die Qualität eines exakten, wissenschaftlichen Experiments haben. Sie müs- sen von Anfang bis zu Ende der strengsten Kontrole der Beobachter unterliegen, die Experimentatoren müssen sich bewusst sein, worum es sich handelt, sie müssen orientirt sein, um während des Versuchs schon H. v. Nathusius, Leporiden. 1

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Zitationshilfe: Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_leporiden_1876/9>, abgerufen am 29.03.2024.