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Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876.

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Nach diesen Ergebnissen ist wohl die Meinung gerechtfertigt, dass
die Leporidenfrage noch nicht gelöst ist.

Deshalb ist es ein Bedürfniss, derselben von Neuem näher zu treten.

Neue Versuche über Erzeugung der sogenannten Leporiden müs-
sen gemacht werden; wenn sie zu einem positiven Resultat geführt haben,
müssen die Leporiden einer Untersuchung nach einer Methode unter-
worfen werden, von der Resultate erwartet werden können. --

Ich versuche schliesslich eine Zusammenstellung derjenigen Rück-
sichten, welche bei dem Unternehmen solcher Versuche in Betracht
kommen dürften.



Erfahrungsmässig gelingt die Parung der Hasen und Kaninchen
sehr selten; es ist anzufangen mit der Erziehung junger Hasen in der
Gefangenschaft, möglichst von Aeltern welche schon in der Gefangenschaft
gelebt haben.

Künstliche Befruchtung ist zu versuchen; würde diese gelingen,
dann würde ein grosser Theil der technischen Schwierigkeiten beseitigt sein.

Es sind für die Versuche jungfräuliche Weibchen zu nehmen, um
die Infektionstheorie ausser Frage zu lassen.

Dieselben sind mindestens vier Wochen vor der Befruchtung isolirt
zu halten, um die fragliche Superfötation zu vermeiden.

Es ist besonders wichtig, männliche Hasen mit weiblichen Kanin-
chen und männliche Kaninchen mit weiblichen Hasen zu paren.

Sollte sich Hrn. Sanson's Behauptung bestätigen, dass die sogenann-
ten gemeinen Leporiden, deren Stammvater ein männlicher Hase war,
identisch mit den Kaninchen sind -- dass also der Einfluss der
Mutter ein so überwiegender gewesen, dass der Vater keine seiner
Eigenschaften auf die Nachkommen übertragen habe, dann würde es von
hohem Interesse sein, festzustellen, wie sich dieses Verhältniss im um-
gekehrten Fall, bei den Nachkommen eines weiblichen Hasen, zeigt.

Datum der Begattung oder Befruchtung, Dauer der Trächtigkeit,
Zeit der Geburt und Zustand der Jungen bei der Geburt und deren
Entwicklung sind peinlich genau zu notiren.

Hierbei ist besonders auch darauf zu achten, ob die Dauer der
Trächtigkeit u. s. w. je nach der Art der Mutter verschieden ist, ob
sich die Nachkommen eines weiblichen Hasen anders verhalten als die
eines weiblichen Kaninchens.

Die sämmtlichen Jungen jedes Wurfes sind auf etwaige Unter-
schiede bei der Geburt zu untersuchen und deren Entwicklung bis
wenigstens zur Geschlechtsreife zu verfolgen.

Sind Bastarde erster Generation erzeugt, dann sind die Aeltern
derselben einer wissenschaftlichen Untersuchung zu unterwerfen; wenn

Nach diesen Ergebnissen ist wohl die Meinung gerechtfertigt, dass
die Leporidenfrage noch nicht gelöst ist.

Deshalb ist es ein Bedürfniss, derselben von Neuem näher zu treten.

Neue Versuche über Erzeugung der sogenannten Leporiden müs-
sen gemacht werden; wenn sie zu einem positiven Resultat geführt haben,
müssen die Leporiden einer Untersuchung nach einer Methode unter-
worfen werden, von der Resultate erwartet werden können. —

Ich versuche schliesslich eine Zusammenstellung derjenigen Rück-
sichten, welche bei dem Unternehmen solcher Versuche in Betracht
kommen dürften.



Erfahrungsmässig gelingt die Parung der Hasen und Kaninchen
sehr selten; es ist anzufangen mit der Erziehung junger Hasen in der
Gefangenschaft, möglichst von Aeltern welche schon in der Gefangenschaft
gelebt haben.

Künstliche Befruchtung ist zu versuchen; würde diese gelingen,
dann würde ein grosser Theil der technischen Schwierigkeiten beseitigt sein.

Es sind für die Versuche jungfräuliche Weibchen zu nehmen, um
die Infektionstheorie ausser Frage zu lassen.

Dieselben sind mindestens vier Wochen vor der Befruchtung isolirt
zu halten, um die fragliche Superfötation zu vermeiden.

Es ist besonders wichtig, männliche Hasen mit weiblichen Kanin-
chen und männliche Kaninchen mit weiblichen Hasen zu paren.

Sollte sich Hrn. Sanson’s Behauptung bestätigen, dass die sogenann-
ten gemeinen Leporiden, deren Stammvater ein männlicher Hase war,
identisch mit den Kaninchen sind — dass also der Einfluss der
Mutter ein so überwiegender gewesen, dass der Vater keine seiner
Eigenschaften auf die Nachkommen übertragen habe, dann würde es von
hohem Interesse sein, festzustellen, wie sich dieses Verhältniss im um-
gekehrten Fall, bei den Nachkommen eines weiblichen Hasen, zeigt.

Datum der Begattung oder Befruchtung, Dauer der Trächtigkeit,
Zeit der Geburt und Zustand der Jungen bei der Geburt und deren
Entwicklung sind peinlich genau zu notiren.

Hierbei ist besonders auch darauf zu achten, ob die Dauer der
Trächtigkeit u. s. w. je nach der Art der Mutter verschieden ist, ob
sich die Nachkommen eines weiblichen Hasen anders verhalten als die
eines weiblichen Kaninchens.

Die sämmtlichen Jungen jedes Wurfes sind auf etwaige Unter-
schiede bei der Geburt zu untersuchen und deren Entwicklung bis
wenigstens zur Geschlechtsreife zu verfolgen.

Sind Bastarde erster Generation erzeugt, dann sind die Aeltern
derselben einer wissenschaftlichen Untersuchung zu unterwerfen; wenn

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[69/0077] Nach diesen Ergebnissen ist wohl die Meinung gerechtfertigt, dass die Leporidenfrage noch nicht gelöst ist. Deshalb ist es ein Bedürfniss, derselben von Neuem näher zu treten. Neue Versuche über Erzeugung der sogenannten Leporiden müs- sen gemacht werden; wenn sie zu einem positiven Resultat geführt haben, müssen die Leporiden einer Untersuchung nach einer Methode unter- worfen werden, von der Resultate erwartet werden können. — Ich versuche schliesslich eine Zusammenstellung derjenigen Rück- sichten, welche bei dem Unternehmen solcher Versuche in Betracht kommen dürften. Erfahrungsmässig gelingt die Parung der Hasen und Kaninchen sehr selten; es ist anzufangen mit der Erziehung junger Hasen in der Gefangenschaft, möglichst von Aeltern welche schon in der Gefangenschaft gelebt haben. Künstliche Befruchtung ist zu versuchen; würde diese gelingen, dann würde ein grosser Theil der technischen Schwierigkeiten beseitigt sein. Es sind für die Versuche jungfräuliche Weibchen zu nehmen, um die Infektionstheorie ausser Frage zu lassen. Dieselben sind mindestens vier Wochen vor der Befruchtung isolirt zu halten, um die fragliche Superfötation zu vermeiden. Es ist besonders wichtig, männliche Hasen mit weiblichen Kanin- chen und männliche Kaninchen mit weiblichen Hasen zu paren. Sollte sich Hrn. Sanson’s Behauptung bestätigen, dass die sogenann- ten gemeinen Leporiden, deren Stammvater ein männlicher Hase war, identisch mit den Kaninchen sind — dass also der Einfluss der Mutter ein so überwiegender gewesen, dass der Vater keine seiner Eigenschaften auf die Nachkommen übertragen habe, dann würde es von hohem Interesse sein, festzustellen, wie sich dieses Verhältniss im um- gekehrten Fall, bei den Nachkommen eines weiblichen Hasen, zeigt. Datum der Begattung oder Befruchtung, Dauer der Trächtigkeit, Zeit der Geburt und Zustand der Jungen bei der Geburt und deren Entwicklung sind peinlich genau zu notiren. Hierbei ist besonders auch darauf zu achten, ob die Dauer der Trächtigkeit u. s. w. je nach der Art der Mutter verschieden ist, ob sich die Nachkommen eines weiblichen Hasen anders verhalten als die eines weiblichen Kaninchens. Die sämmtlichen Jungen jedes Wurfes sind auf etwaige Unter- schiede bei der Geburt zu untersuchen und deren Entwicklung bis wenigstens zur Geschlechtsreife zu verfolgen. Sind Bastarde erster Generation erzeugt, dann sind die Aeltern derselben einer wissenschaftlichen Untersuchung zu unterwerfen; wenn

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Zitationshilfe: Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_leporiden_1876/77>, abgerufen am 29.03.2024.