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Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876.

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dieser aber nicht möglich ist, weil es an einer Dimension fehlt, von
welcher aus Gleichungen berechnet werden können. -- --

Die frappanteste Differenz zwischen Hasen- und Kaninchenschädel,
die relative Breite der Gaumenlücke, ist, merkwürdiger Weise, von Hrn.
Sanson nicht beachtet. --

Leider ist auch das Skelet nicht in Betracht gezogen. --



Hr. Sanson kommt (pag. 17 und folg.) zu folgenden Resultaten
in Bezug auf die Differenz der beiden Formen der Leporiden:

Der gemeine Leporide und der seidenharige Lepo-
ride sind, trotz ihres gleichen Ursprungs, nicht einer Art
oder eines natürlichen Typus
. Im Gesichtstypus (type facial)
liegt der wesentliche Unterschied. Der Schädel des gemeinen Leporiden
kann mit dem des Hasen nicht verwechselt werden, es ist derselbe
gleich dem Schädel des Kaninchens, die Identität beider
ist festgestellt
(p. 21).

Der Schädel der seidenharigen Leporiden ist verschieden von dem
der gemeinen Leporiden, also auch von dem des Kaninchens; er trägt
weder den Typus des Hasen, noch den des Kaninchens, er ist in einigen
Theilen zugleich ähnlich dem des Hasen und dem des Kaninchens, er
erscheint als ein Mittel zwischen beiden.

Der gemeine Leporide ist ein Rückschlag auf den Typus des
Kaninchens; der seidenhaarige Leporide ist auf dem Wege zum Rück-
schlag auf den Typus des Hasen; dieser Rückschlag würde sicherlich
schon vollendet sein, wenn er nicht durch den Gegensatz der natürlichen
Existenz des Hasen, der vollständigen Freiheit, aufgehalten wäre.

Es ist also in diesen Hybriden ein neuer, spezifischer
Typus nicht
dargestellt. --

Meine Aufgabe ist es nicht, an dieser Stelle einzugehen auf alle
die Fragen, welche Hr. Sanson hiermit von Neuem in Anregung bringt;
ich folge deshalb auch nicht seinen Folgerungen in Bezug auf Bastard-
erzeugung überhaupt und Differenz zwischen hybridite und metissage,
also auch nicht, worauf doch schliesslich alles hinaus kommt, der Defi-
nition des Artbegriffs.

Unter allen Umständen sind aber die Ergebnisse der Versuche des
Hrn. Gayot und der Beobachtungen des Hrn. Sanson weitaus das
Bedeutendste, was bis jetzt über die sogenannten Leporiden bekannt
geworden ist. --

Mein Vorsatz war allein der, die grossen Lücken nachzuweisen,
welche bis dahin in der genauen Kenntniss der sogenannten Leporiden
vorhanden sind und einen kleinen Beitrag zu geben in Bezug auf die
Methode, welche ich für nöthig halte, der Lösung der Frage wenigstens
um einen Schritt näher zu treten. --



dieser aber nicht möglich ist, weil es an einer Dimension fehlt, von
welcher aus Gleichungen berechnet werden können. — —

Die frappanteste Differenz zwischen Hasen- und Kaninchenschädel,
die relative Breite der Gaumenlücke, ist, merkwürdiger Weise, von Hrn.
Sanson nicht beachtet. —

Leider ist auch das Skelet nicht in Betracht gezogen. —



Hr. Sanson kommt (pag. 17 und folg.) zu folgenden Resultaten
in Bezug auf die Differenz der beiden Formen der Leporiden:

Der gemeine Leporide und der seidenharige Lepo-
ride sind, trotz ihres gleichen Ursprungs, nicht einer Art
oder eines natürlichen Typus
. Im Gesichtstypus (type facial)
liegt der wesentliche Unterschied. Der Schädel des gemeinen Leporiden
kann mit dem des Hasen nicht verwechselt werden, es ist derselbe
gleich dem Schädel des Kaninchens, die Identität beider
ist festgestellt
(p. 21).

Der Schädel der seidenharigen Leporiden ist verschieden von dem
der gemeinen Leporiden, also auch von dem des Kaninchens; er trägt
weder den Typus des Hasen, noch den des Kaninchens, er ist in einigen
Theilen zugleich ähnlich dem des Hasen und dem des Kaninchens, er
erscheint als ein Mittel zwischen beiden.

Der gemeine Leporide ist ein Rückschlag auf den Typus des
Kaninchens; der seidenhaarige Leporide ist auf dem Wege zum Rück-
schlag auf den Typus des Hasen; dieser Rückschlag würde sicherlich
schon vollendet sein, wenn er nicht durch den Gegensatz der natürlichen
Existenz des Hasen, der vollständigen Freiheit, aufgehalten wäre.

Es ist also in diesen Hybriden ein neuer, spezifischer
Typus nicht
dargestellt. —

Meine Aufgabe ist es nicht, an dieser Stelle einzugehen auf alle
die Fragen, welche Hr. Sanson hiermit von Neuem in Anregung bringt;
ich folge deshalb auch nicht seinen Folgerungen in Bezug auf Bastard-
erzeugung überhaupt und Differenz zwischen hybridité und metissage,
also auch nicht, worauf doch schliesslich alles hinaus kommt, der Defi-
nition des Artbegriffs.

Unter allen Umständen sind aber die Ergebnisse der Versuche des
Hrn. Gayot und der Beobachtungen des Hrn. Sanson weitaus das
Bedeutendste, was bis jetzt über die sogenannten Leporiden bekannt
geworden ist. —

Mein Vorsatz war allein der, die grossen Lücken nachzuweisen,
welche bis dahin in der genauen Kenntniss der sogenannten Leporiden
vorhanden sind und einen kleinen Beitrag zu geben in Bezug auf die
Methode, welche ich für nöthig halte, der Lösung der Frage wenigstens
um einen Schritt näher zu treten. —



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[60/0068] dieser aber nicht möglich ist, weil es an einer Dimension fehlt, von welcher aus Gleichungen berechnet werden können. — — Die frappanteste Differenz zwischen Hasen- und Kaninchenschädel, die relative Breite der Gaumenlücke, ist, merkwürdiger Weise, von Hrn. Sanson nicht beachtet. — Leider ist auch das Skelet nicht in Betracht gezogen. — Hr. Sanson kommt (pag. 17 und folg.) zu folgenden Resultaten in Bezug auf die Differenz der beiden Formen der Leporiden: Der gemeine Leporide und der seidenharige Lepo- ride sind, trotz ihres gleichen Ursprungs, nicht einer Art oder eines natürlichen Typus. Im Gesichtstypus (type facial) liegt der wesentliche Unterschied. Der Schädel des gemeinen Leporiden kann mit dem des Hasen nicht verwechselt werden, es ist derselbe gleich dem Schädel des Kaninchens, die Identität beider ist festgestellt (p. 21). Der Schädel der seidenharigen Leporiden ist verschieden von dem der gemeinen Leporiden, also auch von dem des Kaninchens; er trägt weder den Typus des Hasen, noch den des Kaninchens, er ist in einigen Theilen zugleich ähnlich dem des Hasen und dem des Kaninchens, er erscheint als ein Mittel zwischen beiden. Der gemeine Leporide ist ein Rückschlag auf den Typus des Kaninchens; der seidenhaarige Leporide ist auf dem Wege zum Rück- schlag auf den Typus des Hasen; dieser Rückschlag würde sicherlich schon vollendet sein, wenn er nicht durch den Gegensatz der natürlichen Existenz des Hasen, der vollständigen Freiheit, aufgehalten wäre. Es ist also in diesen Hybriden ein neuer, spezifischer Typus nicht dargestellt. — Meine Aufgabe ist es nicht, an dieser Stelle einzugehen auf alle die Fragen, welche Hr. Sanson hiermit von Neuem in Anregung bringt; ich folge deshalb auch nicht seinen Folgerungen in Bezug auf Bastard- erzeugung überhaupt und Differenz zwischen hybridité und metissage, also auch nicht, worauf doch schliesslich alles hinaus kommt, der Defi- nition des Artbegriffs. Unter allen Umständen sind aber die Ergebnisse der Versuche des Hrn. Gayot und der Beobachtungen des Hrn. Sanson weitaus das Bedeutendste, was bis jetzt über die sogenannten Leporiden bekannt geworden ist. — Mein Vorsatz war allein der, die grossen Lücken nachzuweisen, welche bis dahin in der genauen Kenntniss der sogenannten Leporiden vorhanden sind und einen kleinen Beitrag zu geben in Bezug auf die Methode, welche ich für nöthig halte, der Lösung der Frage wenigstens um einen Schritt näher zu treten. —

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Zitationshilfe: Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_leporiden_1876/68>, abgerufen am 29.03.2024.