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Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876.

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des Kammfortsatzes über den Atlas spricht. Wie sich von selbst ver-
steht, ist dies nicht am trockenen Skelet zu beobachten. Bringe ich die
beiden ersten Halswirbel in die Lage, dass die Zentra des Rückenmark-
kanals beider in einer Ebene liegen, dann greift, beim Hasen wie beim
Kaninchen, der Fortsatz bis ungefähr zur Mitte des Körpers des Atlas
über diesen. Richte ich am frischen Präparat die beiden Wirbel derart
zu einander, dass die bezeichneten Achsen den möglichst kleinen (nach
oben offenen) Winkel miteinander bilden, so weit es möglich ist ohne
die Gelenkflächen und Pfannen ausser Berührung zu bringen, dann greift
in dieser Situation der fragliche Fortsatz, beim Hasen wie beim Kanin-
chen, bis an die vordere Gränze des Atlaskörpers.

Demnach ist entweder der von Hrn. Zürn angeführte Unterschied
überhaupt nicht vorhanden, oder aber der besprochene Fortsatz ist beim
Hasen individuel so variabel, dass er für die Entscheidung der Lepo-
ridenfrage ohne Bedeutung ist.

11) "Ulna hinter dem Radius beim Hasen, Ulna mehr neben dem
Radius bei Kaninchen und Leporiden."

Soweit Beobachtung bis jetzt reicht, liegt allerdings in der Ge-
staltung des Unterarms ein konstanter und sehr bedeutender Unterschied
zwischen Hasen und Kaninchen. Beim Hasen ist in der Ansicht des
Vorderfusses von vorn das Ellenbogenbein dermassen von der Speiche
gedeckt, dass nur der untere, äussere Theil der Ulna über dem Hand-
gelenk sichtbar wird, höchstens, bei Verrückung des Gesichtspunktes,
nur noch der äussere, scharfe Rand. Beim Kaninchen dagegen wird in
gleicher Ansicht nur ein kleiner Theil der Ulna, zunächst unter dem
Ellenbogengelenk von dem Radius verdeckt, im übrigen Verlauf liegt
die Ulna neben dem Radius so frei, dass nur der innere Rand derselben
gedeckt ist. Mit dieser differenten Stellung ist aber der
Unterschied nicht erschöpft
.

Die Ulna des Kaninchens ist, vom Ellenbogengelenk bis zum Hand-
gelenk, relativ mehr als doppelt so stark als die des Hasen; bei diesem
verjüngt sie sich von oben nach unten sehr bedeutend, bei jenem ist sie
am Handgelenke beträchtlich stärker als am Ellenbogengelenk und in
der Mitte des Körpers am breitesten.

Die grösste Achse zwischen dem nach oben hervorragendsten Punkte
des Olecranon und dem nach unten hervorragendsten Punkte des Gelenkes
der Ulna finde ich bei einem Hasen (No. 1878) = 137 mm., bei einem
grossen sogenannten belgischen Riesenkaninchen (No. 1870) = 90 mm.
Bei jenem Hasen ist der grösste transversale Durchmesser des Radius (un-
gefähr auf der Gränze des untern Drittels des Knochenkörpers) = 6 mm.,
an derselben Stelle die der Ulna = 2 mm. Bei diesem Kaninchen ist
(ungefähr in der Mitte des Knochenkörpers) der grösste transversale
Durchmesser der Ulna = 5,5 mm., an derselben Stelle der des Radius
= 4 mm.

des Kammfortsatzes über den Atlas spricht. Wie sich von selbst ver-
steht, ist dies nicht am trockenen Skelet zu beobachten. Bringe ich die
beiden ersten Halswirbel in die Lage, dass die Zentra des Rückenmark-
kanals beider in einer Ebene liegen, dann greift, beim Hasen wie beim
Kaninchen, der Fortsatz bis ungefähr zur Mitte des Körpers des Atlas
über diesen. Richte ich am frischen Präparat die beiden Wirbel derart
zu einander, dass die bezeichneten Achsen den möglichst kleinen (nach
oben offenen) Winkel miteinander bilden, so weit es möglich ist ohne
die Gelenkflächen und Pfannen ausser Berührung zu bringen, dann greift
in dieser Situation der fragliche Fortsatz, beim Hasen wie beim Kanin-
chen, bis an die vordere Gränze des Atlaskörpers.

Demnach ist entweder der von Hrn. Zürn angeführte Unterschied
überhaupt nicht vorhanden, oder aber der besprochene Fortsatz ist beim
Hasen individuel so variabel, dass er für die Entscheidung der Lepo-
ridenfrage ohne Bedeutung ist.

11) „Ulna hinter dem Radius beim Hasen, Ulna mehr neben dem
Radius bei Kaninchen und Leporiden.“

Soweit Beobachtung bis jetzt reicht, liegt allerdings in der Ge-
staltung des Unterarms ein konstanter und sehr bedeutender Unterschied
zwischen Hasen und Kaninchen. Beim Hasen ist in der Ansicht des
Vorderfusses von vorn das Ellenbogenbein dermassen von der Speiche
gedeckt, dass nur der untere, äussere Theil der Ulna über dem Hand-
gelenk sichtbar wird, höchstens, bei Verrückung des Gesichtspunktes,
nur noch der äussere, scharfe Rand. Beim Kaninchen dagegen wird in
gleicher Ansicht nur ein kleiner Theil der Ulna, zunächst unter dem
Ellenbogengelenk von dem Radius verdeckt, im übrigen Verlauf liegt
die Ulna neben dem Radius so frei, dass nur der innere Rand derselben
gedeckt ist. Mit dieser differenten Stellung ist aber der
Unterschied nicht erschöpft
.

Die Ulna des Kaninchens ist, vom Ellenbogengelenk bis zum Hand-
gelenk, relativ mehr als doppelt so stark als die des Hasen; bei diesem
verjüngt sie sich von oben nach unten sehr bedeutend, bei jenem ist sie
am Handgelenke beträchtlich stärker als am Ellenbogengelenk und in
der Mitte des Körpers am breitesten.

Die grösste Achse zwischen dem nach oben hervorragendsten Punkte
des Olecranon und dem nach unten hervorragendsten Punkte des Gelenkes
der Ulna finde ich bei einem Hasen (No. 1878) = 137 mm., bei einem
grossen sogenannten belgischen Riesenkaninchen (No. 1870) = 90 mm.
Bei jenem Hasen ist der grösste transversale Durchmesser des Radius (un-
gefähr auf der Gränze des untern Drittels des Knochenkörpers) = 6 mm.,
an derselben Stelle die der Ulna = 2 mm. Bei diesem Kaninchen ist
(ungefähr in der Mitte des Knochenkörpers) der grösste transversale
Durchmesser der Ulna = 5,5 mm., an derselben Stelle der des Radius
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[31/0039] des Kammfortsatzes über den Atlas spricht. Wie sich von selbst ver- steht, ist dies nicht am trockenen Skelet zu beobachten. Bringe ich die beiden ersten Halswirbel in die Lage, dass die Zentra des Rückenmark- kanals beider in einer Ebene liegen, dann greift, beim Hasen wie beim Kaninchen, der Fortsatz bis ungefähr zur Mitte des Körpers des Atlas über diesen. Richte ich am frischen Präparat die beiden Wirbel derart zu einander, dass die bezeichneten Achsen den möglichst kleinen (nach oben offenen) Winkel miteinander bilden, so weit es möglich ist ohne die Gelenkflächen und Pfannen ausser Berührung zu bringen, dann greift in dieser Situation der fragliche Fortsatz, beim Hasen wie beim Kanin- chen, bis an die vordere Gränze des Atlaskörpers. Demnach ist entweder der von Hrn. Zürn angeführte Unterschied überhaupt nicht vorhanden, oder aber der besprochene Fortsatz ist beim Hasen individuel so variabel, dass er für die Entscheidung der Lepo- ridenfrage ohne Bedeutung ist. 11) „Ulna hinter dem Radius beim Hasen, Ulna mehr neben dem Radius bei Kaninchen und Leporiden.“ Soweit Beobachtung bis jetzt reicht, liegt allerdings in der Ge- staltung des Unterarms ein konstanter und sehr bedeutender Unterschied zwischen Hasen und Kaninchen. Beim Hasen ist in der Ansicht des Vorderfusses von vorn das Ellenbogenbein dermassen von der Speiche gedeckt, dass nur der untere, äussere Theil der Ulna über dem Hand- gelenk sichtbar wird, höchstens, bei Verrückung des Gesichtspunktes, nur noch der äussere, scharfe Rand. Beim Kaninchen dagegen wird in gleicher Ansicht nur ein kleiner Theil der Ulna, zunächst unter dem Ellenbogengelenk von dem Radius verdeckt, im übrigen Verlauf liegt die Ulna neben dem Radius so frei, dass nur der innere Rand derselben gedeckt ist. Mit dieser differenten Stellung ist aber der Unterschied nicht erschöpft. Die Ulna des Kaninchens ist, vom Ellenbogengelenk bis zum Hand- gelenk, relativ mehr als doppelt so stark als die des Hasen; bei diesem verjüngt sie sich von oben nach unten sehr bedeutend, bei jenem ist sie am Handgelenke beträchtlich stärker als am Ellenbogengelenk und in der Mitte des Körpers am breitesten. Die grösste Achse zwischen dem nach oben hervorragendsten Punkte des Olecranon und dem nach unten hervorragendsten Punkte des Gelenkes der Ulna finde ich bei einem Hasen (No. 1878) = 137 mm., bei einem grossen sogenannten belgischen Riesenkaninchen (No. 1870) = 90 mm. Bei jenem Hasen ist der grösste transversale Durchmesser des Radius (un- gefähr auf der Gränze des untern Drittels des Knochenkörpers) = 6 mm., an derselben Stelle die der Ulna = 2 mm. Bei diesem Kaninchen ist (ungefähr in der Mitte des Knochenkörpers) der grösste transversale Durchmesser der Ulna = 5,5 mm., an derselben Stelle der des Radius = 4 mm.

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Zitationshilfe: Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_leporiden_1876/39>, abgerufen am 20.04.2024.