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Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876.

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in jeder Beziehung den Kaninchen-Aeltern glichen, drei andere Bastarde
waren (mules). Zwei dieser letztern starben bald, der dritte, weiblichen
Geschlechts, wurde mit gleichaltrigen Kaninchen erzogen, warf, 6 Monate
alt, ein Junges, darauf achtmal von zahmen und einem wilden Kaninchen,
konnte nicht mit einem Hasen gepaart werden. Die Nachkommen von
einem weissen, zahmen Kaninchen, von welchem dies Weibchen zweimal
warf, bestanden aus zwei Jungen, welche vollkommen grau ("gray") waren
und aus zwei gefleckten. Diese letzteren lebten damals noch und warfen
regelmässig 5--8 Junge. Das Durchschnittsgewicht der Nachkommen
des Bastards war 61/2 Pfund. Derselbe starb gleich nachdem er in
Besitz der zoologischen Gesellschaft gekommen war.

Ferner wird gesagt: Owen untersuchte diesen Bastard nach dem
Tode und berichtet: Grösse und Gestalt seien die des Hasen, aber die
Hinterbeine kürzer als beim Hasen, denen des wilden Kaninchens ähn-
licher. Die Länge der kleinen Eingeweide gleich der des Hasen, das
Cäkum 7" kürzer, die grossen Eingeweide 1' länger als die des Hasen *).

In diesem Falle handelt es sich wahrscheinlich um Superfötation,
doch möchte die Bastardqualität für einige der Produkte nicht zweifel-
haft sein. In Bezug auf die Fruchtbarkeit der Bastarde handelt es sich
nur um Anparung durch einen der Stammältern.



Broca 1858.

Hr. Broca berichtet (Memoire sur l'hybridite etc. etc. Journal
de la Physiologie. Paris 1858 t. 1 Nr. 3, § 7; pag. 368), dass Hr.
Roux, der für den Handel eine grosse Kaninchenzucht hielt, seit
1847 eine Zucht von Leporiden betreibe, durch deren Resultate die
Bastardfrage in ihrer vollsten Bedeutung definitiv entschieden sei, es sei
eine neue Rasse geschaffen.

Hr. Broca berichtet nur das, was ihm Hr. Roux erzählt
hat
; als er Hrn. Roux's Zucht gesehen, hatte er Messer und Mass-
stab zu Haus gelassen; er sagt merkwürdiger Weise "er habe nicht
Gelegenheit gehabt, diese Bastarde zu seziren
" -- obgleich,
nach seiner eigenen Angabe, Hr. Roux Tausende derselben auf den
Fleischmarkt für 2 Frcs. das Stück lieferte!

Nachdem Hrn. Broca's Abhandlung bekannt geworden war, er-

*) In meinen "Vorträgen über Viehzucht" (Seite 27), welche nach freier Rede
stenographisch nachgeschrieben sind, habe ich gelegentlich der Anführung dieses Falles
der Untersuchung eines Schädels erwähnt; ich habe bei der Korrektur übersehen zu
berichtigen, dass in den eben mitgetheilten Untersuchungen Owen's nicht vom
Schädel des Bastards, sondern, in oben angeführter Weise, nur von einigen anderen
Theilen die Rede ist. Eine Mittheilung von Owen über den Schädel ist mir nicht
bekannt.

in jeder Beziehung den Kaninchen-Aeltern glichen, drei andere Bastarde
waren (mules). Zwei dieser letztern starben bald, der dritte, weiblichen
Geschlechts, wurde mit gleichaltrigen Kaninchen erzogen, warf, 6 Monate
alt, ein Junges, darauf achtmal von zahmen und einem wilden Kaninchen,
konnte nicht mit einem Hasen gepaart werden. Die Nachkommen von
einem weissen, zahmen Kaninchen, von welchem dies Weibchen zweimal
warf, bestanden aus zwei Jungen, welche vollkommen grau („gray“) waren
und aus zwei gefleckten. Diese letzteren lebten damals noch und warfen
regelmässig 5—8 Junge. Das Durchschnittsgewicht der Nachkommen
des Bastards war 6½ Pfund. Derselbe starb gleich nachdem er in
Besitz der zoologischen Gesellschaft gekommen war.

Ferner wird gesagt: Owen untersuchte diesen Bastard nach dem
Tode und berichtet: Grösse und Gestalt seien die des Hasen, aber die
Hinterbeine kürzer als beim Hasen, denen des wilden Kaninchens ähn-
licher. Die Länge der kleinen Eingeweide gleich der des Hasen, das
Cäkum 7“ kürzer, die grossen Eingeweide 1‘ länger als die des Hasen *).

In diesem Falle handelt es sich wahrscheinlich um Superfötation,
doch möchte die Bastardqualität für einige der Produkte nicht zweifel-
haft sein. In Bezug auf die Fruchtbarkeit der Bastarde handelt es sich
nur um Anparung durch einen der Stammältern.



Broca 1858.

Hr. Broca berichtet (Mémoire sur l’hybridité etc. etc. Journal
de la Physiologie. Paris 1858 t. 1 Nr. 3, § 7; pag. 368), dass Hr.
Roux, der für den Handel eine grosse Kaninchenzucht hielt, seit
1847 eine Zucht von Leporiden betreibe, durch deren Resultate die
Bastardfrage in ihrer vollsten Bedeutung definitiv entschieden sei, es sei
eine neue Rasse geschaffen.

Hr. Broca berichtet nur das, was ihm Hr. Roux erzählt
hat
; als er Hrn. Roux’s Zucht gesehen, hatte er Messer und Mass-
stab zu Haus gelassen; er sagt merkwürdiger Weise „er habe nicht
Gelegenheit gehabt, diese Bastarde zu seziren
“ — obgleich,
nach seiner eigenen Angabe, Hr. Roux Tausende derselben auf den
Fleischmarkt für 2 Frcs. das Stück lieferte!

Nachdem Hrn. Broca’s Abhandlung bekannt geworden war, er-

*) In meinen „Vorträgen über Viehzucht“ (Seite 27), welche nach freier Rede
stenographisch nachgeschrieben sind, habe ich gelegentlich der Anführung dieses Falles
der Untersuchung eines Schädels erwähnt; ich habe bei der Korrektur übersehen zu
berichtigen, dass in den eben mitgetheilten Untersuchungen Owen’s nicht vom
Schädel des Bastards, sondern, in oben angeführter Weise, nur von einigen anderen
Theilen die Rede ist. Eine Mittheilung von Owen über den Schädel ist mir nicht
bekannt.
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[8/0016] in jeder Beziehung den Kaninchen-Aeltern glichen, drei andere Bastarde waren (mules). Zwei dieser letztern starben bald, der dritte, weiblichen Geschlechts, wurde mit gleichaltrigen Kaninchen erzogen, warf, 6 Monate alt, ein Junges, darauf achtmal von zahmen und einem wilden Kaninchen, konnte nicht mit einem Hasen gepaart werden. Die Nachkommen von einem weissen, zahmen Kaninchen, von welchem dies Weibchen zweimal warf, bestanden aus zwei Jungen, welche vollkommen grau („gray“) waren und aus zwei gefleckten. Diese letzteren lebten damals noch und warfen regelmässig 5—8 Junge. Das Durchschnittsgewicht der Nachkommen des Bastards war 6½ Pfund. Derselbe starb gleich nachdem er in Besitz der zoologischen Gesellschaft gekommen war. Ferner wird gesagt: Owen untersuchte diesen Bastard nach dem Tode und berichtet: Grösse und Gestalt seien die des Hasen, aber die Hinterbeine kürzer als beim Hasen, denen des wilden Kaninchens ähn- licher. Die Länge der kleinen Eingeweide gleich der des Hasen, das Cäkum 7“ kürzer, die grossen Eingeweide 1‘ länger als die des Hasen *). In diesem Falle handelt es sich wahrscheinlich um Superfötation, doch möchte die Bastardqualität für einige der Produkte nicht zweifel- haft sein. In Bezug auf die Fruchtbarkeit der Bastarde handelt es sich nur um Anparung durch einen der Stammältern. Broca 1858. Hr. Broca berichtet (Mémoire sur l’hybridité etc. etc. Journal de la Physiologie. Paris 1858 t. 1 Nr. 3, § 7; pag. 368), dass Hr. Roux, der für den Handel eine grosse Kaninchenzucht hielt, seit 1847 eine Zucht von Leporiden betreibe, durch deren Resultate die Bastardfrage in ihrer vollsten Bedeutung definitiv entschieden sei, es sei eine neue Rasse geschaffen. Hr. Broca berichtet nur das, was ihm Hr. Roux erzählt hat; als er Hrn. Roux’s Zucht gesehen, hatte er Messer und Mass- stab zu Haus gelassen; er sagt merkwürdiger Weise „er habe nicht Gelegenheit gehabt, diese Bastarde zu seziren“ — obgleich, nach seiner eigenen Angabe, Hr. Roux Tausende derselben auf den Fleischmarkt für 2 Frcs. das Stück lieferte! Nachdem Hrn. Broca’s Abhandlung bekannt geworden war, er- *) In meinen „Vorträgen über Viehzucht“ (Seite 27), welche nach freier Rede stenographisch nachgeschrieben sind, habe ich gelegentlich der Anführung dieses Falles der Untersuchung eines Schädels erwähnt; ich habe bei der Korrektur übersehen zu berichtigen, dass in den eben mitgetheilten Untersuchungen Owen’s nicht vom Schädel des Bastards, sondern, in oben angeführter Weise, nur von einigen anderen Theilen die Rede ist. Eine Mittheilung von Owen über den Schädel ist mir nicht bekannt.

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Zitationshilfe: Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_leporiden_1876/16>, abgerufen am 20.04.2024.