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Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876.

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Hr. von Middendorff ist in seiner gründlichen Abhandlung "über
die als Bastarde angesprochenen Mittelformen zwischen Lepus europaeus
Pall. und Lep. variabilis Pall." der Frage näher getreten (Bulletin physic.-
mathem. de l'Academie Peterbourg, tom. IX. pag. 209). Tschudi glaubt
an das Vorkommen von Bastarden von gemeinen und Schneehasen in
der Schweiz, ohne näheren Nachweis.

Diese Fragen haben nur eine indirekte Beziehung zu der vorliegen-
den; näher steht derselben folgende Beobachtung, welche ich nicht
anders als hier in der Einleitung unterzubringen weiss.



Hr. Spencer Baird erwähnt in seiner vortrefflichen Arbeit über
die amerikanischen Hasen (Reports of explorations and surveys etc. etc.
Washington 1857 vol. VIII Mammals pag. 575) eines in Pennsylvanien
gezogenen Bastards von Lepus cuniculus und Lepus sylvaticus Bachm.
Der Schädel befindet sich unter Nr. 595 im Smithsonian Museum, sei
von einem Hybriden zweiter Generation, und vereinige die Eigenthüm-
lichkeiten beider Arten in merklicher Weise: Kürze der Schnauze und
der Nasenknochen und Wölbung des Gehirntheiles von Lep. sylvaticus,
Divergenz der freien (nicht mit dem Schädel nach hinten verbundenen)
Superziliarfortsätze der Kaninchen.

Weiteres habe ich über diesen Bastard nicht auffinden können.

Lepus sylvaticus Bachm., gray Rabbit der Amerikaner, gehört zu
der von Baird charakterisirten Gruppe der amerikanischen Hasen,
welche Gray als Gattung trennt und Sylvilagus benennt. (Annals et
Magazine of Natur. hist., vol. XX. pag. 221.) Diese Gruppe steht dem
Kaninchen nah, jedenfalls weit näher als dem europäischen Hasen. Nach
einer von Gray erwähnten Angabe von Clark sollen diese Thiere auch
graben; andere, z. B. de Kay (Zoology of New-York-Albany 1842, pag.
95) widersprechen darin.

Die mir zugänglichen Schädel von Lepus sylvaticus (Nr. 627 und 628
aus Michigan) haben eine Basilarlänge von 57 und 58 mm. Die Nasen-
breite verhält sich zu dieser Länge = 0,27 und 0,29 : 1. Die Gaumen-
weite = 0,12 und 0,13: 1 und das Verhältniss der Weite der Gaumen-
öffnung zum transversalen Durchmesser der Molaren = 1: 0,71 und 0,625.

Demnach stehen in Bezug auf die Nasenbreite diese beiden Schädel
des Lep. sylvaticus auf der Gränze zwischen dem von mir ermittelten,
später zu erörternden Verhalten bei Hasen und Kaninchen; in Bezug
auf die Gaumenöffnung fast ebenso, jedoch mit entschiedener Annäherung
an das durchschnittliche Mass des Kaninchens.

Sehr auffallend ist die Bildung des Superziliarfortsatzes des Stirn-
beines. Die hintere Spitze desselben ist mit dem Stirn- und Schläfen-

Hr. von Middendorff ist in seiner gründlichen Abhandlung „über
die als Bastarde angesprochenen Mittelformen zwischen Lepus europaeus
Pall. und Lep. variabilis Pall.“ der Frage näher getreten (Bulletin physic.-
mathém. de l’Academie Peterbourg, tom. IX. pag. 209). Tschudi glaubt
an das Vorkommen von Bastarden von gemeinen und Schneehasen in
der Schweiz, ohne näheren Nachweis.

Diese Fragen haben nur eine indirekte Beziehung zu der vorliegen-
den; näher steht derselben folgende Beobachtung, welche ich nicht
anders als hier in der Einleitung unterzubringen weiss.



Hr. Spencer Baird erwähnt in seiner vortrefflichen Arbeit über
die amerikanischen Hasen (Reports of explorations and surveys etc. etc.
Washington 1857 vol. VIII Mammals pag. 575) eines in Pennsylvanien
gezogenen Bastards von Lepus cuniculus und Lepus sylvaticus Bachm.
Der Schädel befindet sich unter Nr. 595 im Smithsonian Museum, sei
von einem Hybriden zweiter Generation, und vereinige die Eigenthüm-
lichkeiten beider Arten in merklicher Weise: Kürze der Schnauze und
der Nasenknochen und Wölbung des Gehirntheiles von Lep. sylvaticus,
Divergenz der freien (nicht mit dem Schädel nach hinten verbundenen)
Superziliarfortsätze der Kaninchen.

Weiteres habe ich über diesen Bastard nicht auffinden können.

Lepus sylvaticus Bachm., gray Rabbit der Amerikaner, gehört zu
der von Baird charakterisirten Gruppe der amerikanischen Hasen,
welche Gray als Gattung trennt und Sylvilagus benennt. (Annals et
Magazine of Natur. hist., vol. XX. pag. 221.) Diese Gruppe steht dem
Kaninchen nah, jedenfalls weit näher als dem europäischen Hasen. Nach
einer von Gray erwähnten Angabe von Clark sollen diese Thiere auch
graben; andere, z. B. de Kay (Zoology of New-York-Albany 1842, pag.
95) widersprechen darin.

Die mir zugänglichen Schädel von Lepus sylvaticus (Nr. 627 und 628
aus Michigan) haben eine Basilarlänge von 57 und 58 mm. Die Nasen-
breite verhält sich zu dieser Länge = 0,27 und 0,29 : 1. Die Gaumen-
weite = 0,12 und 0,13: 1 und das Verhältniss der Weite der Gaumen-
öffnung zum transversalen Durchmesser der Molaren = 1: 0,71 und 0,625.

Demnach stehen in Bezug auf die Nasenbreite diese beiden Schädel
des Lep. sylvaticus auf der Gränze zwischen dem von mir ermittelten,
später zu erörternden Verhalten bei Hasen und Kaninchen; in Bezug
auf die Gaumenöffnung fast ebenso, jedoch mit entschiedener Annäherung
an das durchschnittliche Mass des Kaninchens.

Sehr auffallend ist die Bildung des Superziliarfortsatzes des Stirn-
beines. Die hintere Spitze desselben ist mit dem Stirn- und Schläfen-

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[5/0013] Hr. von Middendorff ist in seiner gründlichen Abhandlung „über die als Bastarde angesprochenen Mittelformen zwischen Lepus europaeus Pall. und Lep. variabilis Pall.“ der Frage näher getreten (Bulletin physic.- mathém. de l’Academie Peterbourg, tom. IX. pag. 209). Tschudi glaubt an das Vorkommen von Bastarden von gemeinen und Schneehasen in der Schweiz, ohne näheren Nachweis. Diese Fragen haben nur eine indirekte Beziehung zu der vorliegen- den; näher steht derselben folgende Beobachtung, welche ich nicht anders als hier in der Einleitung unterzubringen weiss. Hr. Spencer Baird erwähnt in seiner vortrefflichen Arbeit über die amerikanischen Hasen (Reports of explorations and surveys etc. etc. Washington 1857 vol. VIII Mammals pag. 575) eines in Pennsylvanien gezogenen Bastards von Lepus cuniculus und Lepus sylvaticus Bachm. Der Schädel befindet sich unter Nr. 595 im Smithsonian Museum, sei von einem Hybriden zweiter Generation, und vereinige die Eigenthüm- lichkeiten beider Arten in merklicher Weise: Kürze der Schnauze und der Nasenknochen und Wölbung des Gehirntheiles von Lep. sylvaticus, Divergenz der freien (nicht mit dem Schädel nach hinten verbundenen) Superziliarfortsätze der Kaninchen. Weiteres habe ich über diesen Bastard nicht auffinden können. Lepus sylvaticus Bachm., gray Rabbit der Amerikaner, gehört zu der von Baird charakterisirten Gruppe der amerikanischen Hasen, welche Gray als Gattung trennt und Sylvilagus benennt. (Annals et Magazine of Natur. hist., vol. XX. pag. 221.) Diese Gruppe steht dem Kaninchen nah, jedenfalls weit näher als dem europäischen Hasen. Nach einer von Gray erwähnten Angabe von Clark sollen diese Thiere auch graben; andere, z. B. de Kay (Zoology of New-York-Albany 1842, pag. 95) widersprechen darin. Die mir zugänglichen Schädel von Lepus sylvaticus (Nr. 627 und 628 aus Michigan) haben eine Basilarlänge von 57 und 58 mm. Die Nasen- breite verhält sich zu dieser Länge = 0,27 und 0,29 : 1. Die Gaumen- weite = 0,12 und 0,13: 1 und das Verhältniss der Weite der Gaumen- öffnung zum transversalen Durchmesser der Molaren = 1: 0,71 und 0,625. Demnach stehen in Bezug auf die Nasenbreite diese beiden Schädel des Lep. sylvaticus auf der Gränze zwischen dem von mir ermittelten, später zu erörternden Verhalten bei Hasen und Kaninchen; in Bezug auf die Gaumenöffnung fast ebenso, jedoch mit entschiedener Annäherung an das durchschnittliche Mass des Kaninchens. Sehr auffallend ist die Bildung des Superziliarfortsatzes des Stirn- beines. Die hintere Spitze desselben ist mit dem Stirn- und Schläfen-

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Zitationshilfe: Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_leporiden_1876/13>, abgerufen am 18.04.2024.