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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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nicht wieder zu verlieren. Jhre Gesinnungen werden
dadurch verbessert werden, und diese Verbesserung muß
mit Jhr Hauptgeschäfft seyn. Diese gebesserten Gesin-
nungen müssen Sie zu Jhrer eignen Beruhigung wirk-
sam zu machen suchen. Denken Sie vor Gott darüber
nach, was Sie etwa noch Gutes thun können, und
was besonders in Jhrem gegenwärtigen Verhältniß Jhre
Pflicht von Jhnen fordert.

Jch hatte ihm Reimari vornehmste Wahrheiten
der natürlichen Religion mitgebracht. Jch rieth ihm
dieß Buch mit Fleiß zu studiren, um seine vernünftige
Erkenntniß von Gott zu berichtigen und vollständig zu machen.

Vierte Unterredung, den 8ten März.

Jch hatte nun schon große Vortheile in Händen. Der
Graf Struensee fühlte die nahe Ewigkeit, und
konnte und wollte sich nicht mehr gegen die Eindrücke
wehren, die ihr Anblick auf ihn machte. Er war über
seinen moralischen Zustand bekümmert: aber noch nicht
genug, noch nicht, wenigstens nicht so sehr als es seyn
sollte, aus dem Grunde, daß er Gottes Misfallen an
sich bemerkte. Er wünschte, durch das Christenthum
beruhigt zu werden, aber er hielt es noch nicht für mög-
lich, von demselben eine feste Ueberzeugung zu erhalten.
Jch bestimmte daher nun den Plan meines Verfahrens
bey ihm so, daß ich, ohne sehr lebhaft zur Annehmung
des Christenthums in ihn zu dringen, ihm dasselbe durch
das Gefühl seines Elendes und seiner Gefahr nothwendig
zu machen suchen wollte. Unterdessen wollte ich ihm von
Zeit zu Zeit Gelegenheit geben, die Beweise der christli-
chen Religion kennen zu lernen, damit in eben dem
Maaße, in welchem sein Verlangen nach dem Troste

derselben
C 3



nicht wieder zu verlieren. Jhre Geſinnungen werden
dadurch verbeſſert werden, und dieſe Verbeſſerung muß
mit Jhr Hauptgeſchaͤfft ſeyn. Dieſe gebeſſerten Geſin-
nungen muͤſſen Sie zu Jhrer eignen Beruhigung wirk-
ſam zu machen ſuchen. Denken Sie vor Gott daruͤber
nach, was Sie etwa noch Gutes thun koͤnnen, und
was beſonders in Jhrem gegenwaͤrtigen Verhaͤltniß Jhre
Pflicht von Jhnen fordert.

Jch hatte ihm Reimari vornehmſte Wahrheiten
der natuͤrlichen Religion mitgebracht. Jch rieth ihm
dieß Buch mit Fleiß zu ſtudiren, um ſeine vernuͤnftige
Erkenntniß von Gott zu berichtigen und vollſtaͤndig zu machen.

Vierte Unterredung, den 8ten Maͤrz.

Jch hatte nun ſchon große Vortheile in Haͤnden. Der
Graf Struenſee fuͤhlte die nahe Ewigkeit, und
konnte und wollte ſich nicht mehr gegen die Eindruͤcke
wehren, die ihr Anblick auf ihn machte. Er war uͤber
ſeinen moraliſchen Zuſtand bekuͤmmert: aber noch nicht
genug, noch nicht, wenigſtens nicht ſo ſehr als es ſeyn
ſollte, aus dem Grunde, daß er Gottes Misfallen an
ſich bemerkte. Er wuͤnſchte, durch das Chriſtenthum
beruhigt zu werden, aber er hielt es noch nicht fuͤr moͤg-
lich, von demſelben eine feſte Ueberzeugung zu erhalten.
Jch beſtimmte daher nun den Plan meines Verfahrens
bey ihm ſo, daß ich, ohne ſehr lebhaft zur Annehmung
des Chriſtenthums in ihn zu dringen, ihm daſſelbe durch
das Gefuͤhl ſeines Elendes und ſeiner Gefahr nothwendig
zu machen ſuchen wollte. Unterdeſſen wollte ich ihm von
Zeit zu Zeit Gelegenheit geben, die Beweiſe der chriſtli-
chen Religion kennen zu lernen, damit in eben dem
Maaße, in welchem ſein Verlangen nach dem Troſte

derſelben
C 3
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[37/0049] nicht wieder zu verlieren. Jhre Geſinnungen werden dadurch verbeſſert werden, und dieſe Verbeſſerung muß mit Jhr Hauptgeſchaͤfft ſeyn. Dieſe gebeſſerten Geſin- nungen muͤſſen Sie zu Jhrer eignen Beruhigung wirk- ſam zu machen ſuchen. Denken Sie vor Gott daruͤber nach, was Sie etwa noch Gutes thun koͤnnen, und was beſonders in Jhrem gegenwaͤrtigen Verhaͤltniß Jhre Pflicht von Jhnen fordert. Jch hatte ihm Reimari vornehmſte Wahrheiten der natuͤrlichen Religion mitgebracht. Jch rieth ihm dieß Buch mit Fleiß zu ſtudiren, um ſeine vernuͤnftige Erkenntniß von Gott zu berichtigen und vollſtaͤndig zu machen. Vierte Unterredung, den 8ten Maͤrz. Jch hatte nun ſchon große Vortheile in Haͤnden. Der Graf Struenſee fuͤhlte die nahe Ewigkeit, und konnte und wollte ſich nicht mehr gegen die Eindruͤcke wehren, die ihr Anblick auf ihn machte. Er war uͤber ſeinen moraliſchen Zuſtand bekuͤmmert: aber noch nicht genug, noch nicht, wenigſtens nicht ſo ſehr als es ſeyn ſollte, aus dem Grunde, daß er Gottes Misfallen an ſich bemerkte. Er wuͤnſchte, durch das Chriſtenthum beruhigt zu werden, aber er hielt es noch nicht fuͤr moͤg- lich, von demſelben eine feſte Ueberzeugung zu erhalten. Jch beſtimmte daher nun den Plan meines Verfahrens bey ihm ſo, daß ich, ohne ſehr lebhaft zur Annehmung des Chriſtenthums in ihn zu dringen, ihm daſſelbe durch das Gefuͤhl ſeines Elendes und ſeiner Gefahr nothwendig zu machen ſuchen wollte. Unterdeſſen wollte ich ihm von Zeit zu Zeit Gelegenheit geben, die Beweiſe der chriſtli- chen Religion kennen zu lernen, damit in eben dem Maaße, in welchem ſein Verlangen nach dem Troſte derſelben C 3

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/49>, abgerufen am 29.03.2024.