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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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Sachen todt sind, die Personen aber leben. Der
Boden, welchen diese jungen Völkerstämme ge-
wannen, wurde in Lehne getheilt, die der oberste
Lehnsherr oder Heerführer -- unter der Bedin-
gung fortwährender Krieges-Vereinigung und
beim ersten Aufruf zu leistender persönlichen Dien-
ste -- seinem Comitate bewilligte, zuerst auf Le-
benszeit
, nachher weder durch bloße Usurpa-
tionen, noch durch bloßes ausdrückliches Gesetz,
sondern durch allmählich befestigte Gewohnheit,
erblich bis zu gänzlichem Aussterben des Manns-
stammes. -- Wesentlich war die unaufhörliche
Anerkennung dieses Lehns-Nexus durch ein Zei-
chen, durch eine Huldigung, durch ein homa-
gium
welches in früheren Zeiten vielmehr ein
religiöses, als ein juristisches Band war. --

Erinnern Sie Sich der Römischen Gesetzgebung
und des darin vorwaltenden Subordinations-Ge-
setzes; wie nach dem Untergange aller Ideen die
Autorität allein befestigt, organisirt und alles
freie Leben durch ein unergründlich consequentes
polizeiliches Arrangement, welches wir Römisches
Privat-Recht nennen, aus dem Staate heraus-
calculirt wurde. Die Basis dieser Römischen
Gesetzgebung war das strenge absolute Pri-
vat-Eigenthum
. -- Vergleichen Sie damit
die Lehnsverfassung, worin ein Gesetz der innig-

sten

Sachen todt ſind, die Perſonen aber leben. Der
Boden, welchen dieſe jungen Voͤlkerſtaͤmme ge-
wannen, wurde in Lehne getheilt, die der oberſte
Lehnsherr oder Heerfuͤhrer — unter der Bedin-
gung fortwaͤhrender Krieges-Vereinigung und
beim erſten Aufruf zu leiſtender perſoͤnlichen Dien-
ſte — ſeinem Comitate bewilligte, zuerſt auf Le-
benszeit
, nachher weder durch bloße Uſurpa-
tionen, noch durch bloßes ausdruͤckliches Geſetz,
ſondern durch allmaͤhlich befeſtigte Gewohnheit,
erblich bis zu gaͤnzlichem Ausſterben des Manns-
ſtammes. — Weſentlich war die unaufhoͤrliche
Anerkennung dieſes Lehns-Nexus durch ein Zei-
chen, durch eine Huldigung, durch ein homa-
gium
welches in fruͤheren Zeiten vielmehr ein
religioͤſes, als ein juriſtiſches Band war. —

Erinnern Sie Sich der Roͤmiſchen Geſetzgebung
und des darin vorwaltenden Subordinations-Ge-
ſetzes; wie nach dem Untergange aller Ideen die
Autoritaͤt allein befeſtigt, organiſirt und alles
freie Leben durch ein unergruͤndlich conſequentes
polizeiliches Arrangement, welches wir Roͤmiſches
Privat-Recht nennen, aus dem Staate heraus-
calculirt wurde. Die Baſis dieſer Roͤmiſchen
Geſetzgebung war das ſtrenge abſolute Pri-
vat-Eigenthum
. — Vergleichen Sie damit
die Lehnsverfaſſung, worin ein Geſetz der innig-

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[80/0088] Sachen todt ſind, die Perſonen aber leben. Der Boden, welchen dieſe jungen Voͤlkerſtaͤmme ge- wannen, wurde in Lehne getheilt, die der oberſte Lehnsherr oder Heerfuͤhrer — unter der Bedin- gung fortwaͤhrender Krieges-Vereinigung und beim erſten Aufruf zu leiſtender perſoͤnlichen Dien- ſte — ſeinem Comitate bewilligte, zuerſt auf Le- benszeit, nachher weder durch bloße Uſurpa- tionen, noch durch bloßes ausdruͤckliches Geſetz, ſondern durch allmaͤhlich befeſtigte Gewohnheit, erblich bis zu gaͤnzlichem Ausſterben des Manns- ſtammes. — Weſentlich war die unaufhoͤrliche Anerkennung dieſes Lehns-Nexus durch ein Zei- chen, durch eine Huldigung, durch ein homa- gium welches in fruͤheren Zeiten vielmehr ein religioͤſes, als ein juriſtiſches Band war. — Erinnern Sie Sich der Roͤmiſchen Geſetzgebung und des darin vorwaltenden Subordinations-Ge- ſetzes; wie nach dem Untergange aller Ideen die Autoritaͤt allein befeſtigt, organiſirt und alles freie Leben durch ein unergruͤndlich conſequentes polizeiliches Arrangement, welches wir Roͤmiſches Privat-Recht nennen, aus dem Staate heraus- calculirt wurde. Die Baſis dieſer Roͤmiſchen Geſetzgebung war das ſtrenge abſolute Pri- vat-Eigenthum. — Vergleichen Sie damit die Lehnsverfaſſung, worin ein Geſetz der innig- ſten

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/88>, abgerufen am 16.04.2024.