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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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annahm, eben so das älteste Römische Gesetz sich
mehr auf den weltlichen, sächlichen Besitz richten
mußte. Roms vorzüglichster Zweck war Behaup-
tung und Erweiterung eines sächlichen Besitzes,
Israels Hauptzweck die Reinerhaltung und Be-
festigung der alten Familienverbindung. Der
Sinn der Römer richtet sich nothwendig auf den
Ruhm kriegerischer Thaten; und wenn es auch
Israel keinesweges an kriegerischem Geiste man-
gelte, so werden doch die Thaten nur mit Rück-
sicht auf den Hauptzweck, auf die Verewigung
der Familie Abrahams, gewürdigt: aller Ruhm
der Israeliten liegt, wie ich schon einmal erinnert
habe, in den National-Stammbäumen, also in
der Fortpflanzung des Geschlechtes.

Der Landbau neben dem Kriege war, wie der
Israeliten, so auch der Römer ursprüngliche Be-
schäftigung, freilich bei den Römern fast ohne
alle Beziehung auf einen unsichtbaren Grund-
herrn, weshalb der Arten Eigenthum zu erwer-
ben bei ihnen so viele, als bei den Israe-
liten wenige waren. Daher ist, wenn auch in
den strengen Beschäftigungen und in der festen
Treue gegen das Gesetz unter beiden Völkern
eine große Aehnlichkeit Statt findet, der Geist
beider dennoch durchaus entgegengesetzt.

Das Band der Römer war weltliches Eigen-

annahm, eben ſo das aͤlteſte Roͤmiſche Geſetz ſich
mehr auf den weltlichen, ſaͤchlichen Beſitz richten
mußte. Roms vorzuͤglichſter Zweck war Behaup-
tung und Erweiterung eines ſaͤchlichen Beſitzes,
Iſraels Hauptzweck die Reinerhaltung und Be-
feſtigung der alten Familienverbindung. Der
Sinn der Roͤmer richtet ſich nothwendig auf den
Ruhm kriegeriſcher Thaten; und wenn es auch
Iſrael keinesweges an kriegeriſchem Geiſte man-
gelte, ſo werden doch die Thaten nur mit Ruͤck-
ſicht auf den Hauptzweck, auf die Verewigung
der Familie Abrahams, gewuͤrdigt: aller Ruhm
der Iſraeliten liegt, wie ich ſchon einmal erinnert
habe, in den National-Stammbaͤumen, alſo in
der Fortpflanzung des Geſchlechtes.

Der Landbau neben dem Kriege war, wie der
Iſraeliten, ſo auch der Roͤmer urſpruͤngliche Be-
ſchaͤftigung, freilich bei den Roͤmern faſt ohne
alle Beziehung auf einen unſichtbaren Grund-
herrn, weshalb der Arten Eigenthum zu erwer-
ben bei ihnen ſo viele, als bei den Iſrae-
liten wenige waren. Daher iſt, wenn auch in
den ſtrengen Beſchaͤftigungen und in der feſten
Treue gegen das Geſetz unter beiden Voͤlkern
eine große Aehnlichkeit Statt findet, der Geiſt
beider dennoch durchaus entgegengeſetzt.

Das Band der Roͤmer war weltliches Eigen-

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[52/0060] annahm, eben ſo das aͤlteſte Roͤmiſche Geſetz ſich mehr auf den weltlichen, ſaͤchlichen Beſitz richten mußte. Roms vorzuͤglichſter Zweck war Behaup- tung und Erweiterung eines ſaͤchlichen Beſitzes, Iſraels Hauptzweck die Reinerhaltung und Be- feſtigung der alten Familienverbindung. Der Sinn der Roͤmer richtet ſich nothwendig auf den Ruhm kriegeriſcher Thaten; und wenn es auch Iſrael keinesweges an kriegeriſchem Geiſte man- gelte, ſo werden doch die Thaten nur mit Ruͤck- ſicht auf den Hauptzweck, auf die Verewigung der Familie Abrahams, gewuͤrdigt: aller Ruhm der Iſraeliten liegt, wie ich ſchon einmal erinnert habe, in den National-Stammbaͤumen, alſo in der Fortpflanzung des Geſchlechtes. Der Landbau neben dem Kriege war, wie der Iſraeliten, ſo auch der Roͤmer urſpruͤngliche Be- ſchaͤftigung, freilich bei den Roͤmern faſt ohne alle Beziehung auf einen unſichtbaren Grund- herrn, weshalb der Arten Eigenthum zu erwer- ben bei ihnen ſo viele, als bei den Iſrae- liten wenige waren. Daher iſt, wenn auch in den ſtrengen Beſchaͤftigungen und in der feſten Treue gegen das Geſetz unter beiden Voͤlkern eine große Aehnlichkeit Statt findet, der Geiſt beider dennoch durchaus entgegengeſetzt. Das Band der Roͤmer war weltliches Eigen-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/60>, abgerufen am 29.03.2024.