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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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ßen müßt. Novalis vergleicht diese unnützen
Geschäftigen mit dem Sisyphus, dessen Stein,
kaum hinaufgewälzt, von der andern Seite des
Berges wieder hinabstürzte. "Euer Stein wird
nie oben bleiben, wenn nicht eine Macht vom
Himmel her ihn fest hält." --

Ich habe dieser allgemeinen göttlichen Kraft,
welche den irdischen Dingen Dauer und Werth
verleihet, bisher lieber keinen bestimmten Nahmen
geben wollen, sondern ihre Kraft im Einzelnen
beschrieben, indem ich zeigte, wie alle Dinge,
Besitzthümer, Begriffe zu Ideen erhoben werden.
Sie kennen also das Wesen schon, dessen Nah-
men nun, da wir vom Alterthume reden, nicht
mehr verschwiegen werden kann, nehmlich die
Religion
. --

Wenn man von Betrachtung der Mosaischen
Gesetzgebungen zu den Griechischen übergeht, so
vermißt man zuvörderst einen allgemeinen Ge-
setzgeber, der, wie Moses im Anfange der ge-
meinschaftlichen, freien, politischen Existenz der
zwölf Stämme von Israel steht, so nun die po-
litische Einheit und Form aller der viel gestalte-
ten Griechischen Staaten bestimmte. Die Ju-
gendzeit oder die Erziehung beider Völker war
durchaus verschieden. Das mittelländische Meer
zerreißt an vielen Stellen die Küsten von Grie-

ßen muͤßt. Novalis vergleicht dieſe unnuͤtzen
Geſchaͤftigen mit dem Siſyphus, deſſen Stein,
kaum hinaufgewaͤlzt, von der andern Seite des
Berges wieder hinabſtuͤrzte. „Euer Stein wird
nie oben bleiben, wenn nicht eine Macht vom
Himmel her ihn feſt haͤlt.” —

Ich habe dieſer allgemeinen goͤttlichen Kraft,
welche den irdiſchen Dingen Dauer und Werth
verleihet, bisher lieber keinen beſtimmten Nahmen
geben wollen, ſondern ihre Kraft im Einzelnen
beſchrieben, indem ich zeigte, wie alle Dinge,
Beſitzthuͤmer, Begriffe zu Ideen erhoben werden.
Sie kennen alſo das Weſen ſchon, deſſen Nah-
men nun, da wir vom Alterthume reden, nicht
mehr verſchwiegen werden kann, nehmlich die
Religion
. —

Wenn man von Betrachtung der Moſaiſchen
Geſetzgebungen zu den Griechiſchen uͤbergeht, ſo
vermißt man zuvoͤrderſt einen allgemeinen Ge-
ſetzgeber, der, wie Moſes im Anfange der ge-
meinſchaftlichen, freien, politiſchen Exiſtenz der
zwoͤlf Staͤmme von Iſrael ſteht, ſo nun die po-
litiſche Einheit und Form aller der viel geſtalte-
ten Griechiſchen Staaten beſtimmte. Die Ju-
gendzeit oder die Erziehung beider Voͤlker war
durchaus verſchieden. Das mittellaͤndiſche Meer
zerreißt an vielen Stellen die Kuͤſten von Grie-

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[30/0038] ßen muͤßt. Novalis vergleicht dieſe unnuͤtzen Geſchaͤftigen mit dem Siſyphus, deſſen Stein, kaum hinaufgewaͤlzt, von der andern Seite des Berges wieder hinabſtuͤrzte. „Euer Stein wird nie oben bleiben, wenn nicht eine Macht vom Himmel her ihn feſt haͤlt.” — Ich habe dieſer allgemeinen goͤttlichen Kraft, welche den irdiſchen Dingen Dauer und Werth verleihet, bisher lieber keinen beſtimmten Nahmen geben wollen, ſondern ihre Kraft im Einzelnen beſchrieben, indem ich zeigte, wie alle Dinge, Beſitzthuͤmer, Begriffe zu Ideen erhoben werden. Sie kennen alſo das Weſen ſchon, deſſen Nah- men nun, da wir vom Alterthume reden, nicht mehr verſchwiegen werden kann, nehmlich die Religion. — Wenn man von Betrachtung der Moſaiſchen Geſetzgebungen zu den Griechiſchen uͤbergeht, ſo vermißt man zuvoͤrderſt einen allgemeinen Ge- ſetzgeber, der, wie Moſes im Anfange der ge- meinſchaftlichen, freien, politiſchen Exiſtenz der zwoͤlf Staͤmme von Iſrael ſteht, ſo nun die po- litiſche Einheit und Form aller der viel geſtalte- ten Griechiſchen Staaten beſtimmte. Die Ju- gendzeit oder die Erziehung beider Voͤlker war durchaus verſchieden. Das mittellaͤndiſche Meer zerreißt an vielen Stellen die Kuͤſten von Grie-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/38>, abgerufen am 19.04.2024.