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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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Die bisherige Wissenschaft von der Natio-
nal-Oekonomie, oder, wie ich gezeigt habe, von
der rohen Production, oder von einem einzel-
nen hervorstechenden Kennzeichen des Reichthums
ist größten Theils in England ausgebildet wor-
den, in dem Lande, wo seit mehreren Jahrhun-
derten das Princip der Erhaltung, und die Idee
des nationalen Ganzen, durch Verfassung, durch
Sitte und Gewohnheit instinctartig befestigt sind.
Die Englischen, ökonomischen Autoren dürfen eher
die Production ausschließend in's Auge fassen,
als wir Rechner des Continents; denn die übri-
gen Bedingungen des Reichthums sind bei ihnen
schon ein Gegebenes, wiewohl auch dort die spe-
culative und die praktische Oekonomie sich zur Zeit
noch nicht um ein Bedeutendes haben gegenseitig
annähern wollen, eben weil in der Wirklichkeit
jene beiden Elemente der Conservation und der
Nationalisirung oder Idealisirung, welche die
Theoretiker nur indirect und ohne eigentliches Be-
wußtseyn in ihre Rechnung ziehen, unaufhörlich
mit in Anregung kommen. Indeß ist die Deut-
sche Nachbeterei des Adam Smith, welche, wie
so vieles andre Unnationale, Mode geworden,
vornehmlich unpassend, und zeigt, daß sich alle
eigenthümliche Tüchtigkeit Deutscher Denkungs-
art und Wissenschaft verliert. --

Die bisherige Wiſſenſchaft von der Natio-
nal-Oekonomie, oder, wie ich gezeigt habe, von
der rohen Production, oder von einem einzel-
nen hervorſtechenden Kennzeichen des Reichthums
iſt groͤßten Theils in England ausgebildet wor-
den, in dem Lande, wo ſeit mehreren Jahrhun-
derten das Princip der Erhaltung, und die Idee
des nationalen Ganzen, durch Verfaſſung, durch
Sitte und Gewohnheit inſtinctartig befeſtigt ſind.
Die Engliſchen, oͤkonomiſchen Autoren duͤrfen eher
die Production ausſchließend in’s Auge faſſen,
als wir Rechner des Continents; denn die uͤbri-
gen Bedingungen des Reichthums ſind bei ihnen
ſchon ein Gegebenes, wiewohl auch dort die ſpe-
culative und die praktiſche Oekonomie ſich zur Zeit
noch nicht um ein Bedeutendes haben gegenſeitig
annaͤhern wollen, eben weil in der Wirklichkeit
jene beiden Elemente der Conſervation und der
Nationaliſirung oder Idealiſirung, welche die
Theoretiker nur indirect und ohne eigentliches Be-
wußtſeyn in ihre Rechnung ziehen, unaufhoͤrlich
mit in Anregung kommen. Indeß iſt die Deut-
ſche Nachbeterei des Adam Smith, welche, wie
ſo vieles andre Unnationale, Mode geworden,
vornehmlich unpaſſend, und zeigt, daß ſich alle
eigenthuͤmliche Tuͤchtigkeit Deutſcher Denkungs-
art und Wiſſenſchaft verliert. —

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[226/0234] Die bisherige Wiſſenſchaft von der Natio- nal-Oekonomie, oder, wie ich gezeigt habe, von der rohen Production, oder von einem einzel- nen hervorſtechenden Kennzeichen des Reichthums iſt groͤßten Theils in England ausgebildet wor- den, in dem Lande, wo ſeit mehreren Jahrhun- derten das Princip der Erhaltung, und die Idee des nationalen Ganzen, durch Verfaſſung, durch Sitte und Gewohnheit inſtinctartig befeſtigt ſind. Die Engliſchen, oͤkonomiſchen Autoren duͤrfen eher die Production ausſchließend in’s Auge faſſen, als wir Rechner des Continents; denn die uͤbri- gen Bedingungen des Reichthums ſind bei ihnen ſchon ein Gegebenes, wiewohl auch dort die ſpe- culative und die praktiſche Oekonomie ſich zur Zeit noch nicht um ein Bedeutendes haben gegenſeitig annaͤhern wollen, eben weil in der Wirklichkeit jene beiden Elemente der Conſervation und der Nationaliſirung oder Idealiſirung, welche die Theoretiker nur indirect und ohne eigentliches Be- wußtſeyn in ihre Rechnung ziehen, unaufhoͤrlich mit in Anregung kommen. Indeß iſt die Deut- ſche Nachbeterei des Adam Smith, welche, wie ſo vieles andre Unnationale, Mode geworden, vornehmlich unpaſſend, und zeigt, daß ſich alle eigenthuͤmliche Tuͤchtigkeit Deutſcher Denkungs- art und Wiſſenſchaft verliert. —

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/234>, abgerufen am 25.04.2024.