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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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großen Helden stehen, der diese Worte an die
Spitze seiner Gesetzgebung stellte, wir, deren
Leben in tausend kleine Begriffe oder Götzen-
dienste zersplittert ist, ringen nach Nahmen, um
die Hoheit dieser Idee zu bezeichnen. Die Ein-
heit, der lebendige National-Zusammenhang, ist
euer höchstes Gut: um dessentwillen müssen alle
andren Güter da seyn und darauf sich beziehen;
und dieser große Vaterlandsgedanke verträgt sich
mit allen andern Gütern, und erhebt sie alle:
aber es ist ein eifersüchtiger Gedanke, der keinen
Nebengötzendienst irgend eines einzelnen, noch so
kostbaren, irdischen Gutes duldet. -- So etwa
lautet das göttliche Gesetz in die Sprache über-
setzt, welche gesittete Leute heut zu Tage unter
sich dulden.

Deshalb ist ein andrer Grundpfeiler der Mo-
saischen Gesetzgebung der Glaube: Jehova ist
der Eigenthümer des Landes unsrer Väter; wir
Israeliten sind nichts als die Verwalter, die
Meier unsrer Aecker, die zeitigen Nießbraucher
seines Lieblingswohnsitzes, des reichen, schönen
Landes, in welches er uns geführt hat. Nie-
mand, heißt es im Mosaischen Gesetz, kann sei-
nen Acker auf ewige Zeiten verkaufen, weil er
nicht Eigenthümer ist. So, mit dem Gedanken
Gottes, oder der Freiheit, oder des Lebens, wie

großen Helden ſtehen, der dieſe Worte an die
Spitze ſeiner Geſetzgebung ſtellte, wir, deren
Leben in tauſend kleine Begriffe oder Goͤtzen-
dienſte zerſplittert iſt, ringen nach Nahmen, um
die Hoheit dieſer Idee zu bezeichnen. Die Ein-
heit, der lebendige National-Zuſammenhang, iſt
euer hoͤchſtes Gut: um deſſentwillen muͤſſen alle
andren Guͤter da ſeyn und darauf ſich beziehen;
und dieſer große Vaterlandsgedanke vertraͤgt ſich
mit allen andern Guͤtern, und erhebt ſie alle:
aber es iſt ein eiferſuͤchtiger Gedanke, der keinen
Nebengoͤtzendienſt irgend eines einzelnen, noch ſo
koſtbaren, irdiſchen Gutes duldet. — So etwa
lautet das goͤttliche Geſetz in die Sprache uͤber-
ſetzt, welche geſittete Leute heut zu Tage unter
ſich dulden.

Deshalb iſt ein andrer Grundpfeiler der Mo-
ſaiſchen Geſetzgebung der Glaube: Jehova iſt
der Eigenthuͤmer des Landes unſrer Vaͤter; wir
Iſraeliten ſind nichts als die Verwalter, die
Meier unſrer Aecker, die zeitigen Nießbraucher
ſeines Lieblingswohnſitzes, des reichen, ſchoͤnen
Landes, in welches er uns gefuͤhrt hat. Nie-
mand, heißt es im Moſaiſchen Geſetz, kann ſei-
nen Acker auf ewige Zeiten verkaufen, weil er
nicht Eigenthuͤmer iſt. So, mit dem Gedanken
Gottes, oder der Freiheit, oder des Lebens, wie

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[15/0023] großen Helden ſtehen, der dieſe Worte an die Spitze ſeiner Geſetzgebung ſtellte, wir, deren Leben in tauſend kleine Begriffe oder Goͤtzen- dienſte zerſplittert iſt, ringen nach Nahmen, um die Hoheit dieſer Idee zu bezeichnen. Die Ein- heit, der lebendige National-Zuſammenhang, iſt euer hoͤchſtes Gut: um deſſentwillen muͤſſen alle andren Guͤter da ſeyn und darauf ſich beziehen; und dieſer große Vaterlandsgedanke vertraͤgt ſich mit allen andern Guͤtern, und erhebt ſie alle: aber es iſt ein eiferſuͤchtiger Gedanke, der keinen Nebengoͤtzendienſt irgend eines einzelnen, noch ſo koſtbaren, irdiſchen Gutes duldet. — So etwa lautet das goͤttliche Geſetz in die Sprache uͤber- ſetzt, welche geſittete Leute heut zu Tage unter ſich dulden. Deshalb iſt ein andrer Grundpfeiler der Mo- ſaiſchen Geſetzgebung der Glaube: Jehova iſt der Eigenthuͤmer des Landes unſrer Vaͤter; wir Iſraeliten ſind nichts als die Verwalter, die Meier unſrer Aecker, die zeitigen Nießbraucher ſeines Lieblingswohnſitzes, des reichen, ſchoͤnen Landes, in welches er uns gefuͤhrt hat. Nie- mand, heißt es im Moſaiſchen Geſetz, kann ſei- nen Acker auf ewige Zeiten verkaufen, weil er nicht Eigenthuͤmer iſt. So, mit dem Gedanken Gottes, oder der Freiheit, oder des Lebens, wie

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/23>, abgerufen am 24.04.2024.