Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

dürfnisses aus, setzt das Begehren und Bedür-
fen der Einen Natur und zugleich das Gegenbe-
gehren und Gegenbedürfen der andern; beide un-
zertrennlich von einander. Die Freiheit regt sich
gegen die Freiheit; und so wird das erzeugt,
was wir Handlung nennen und vor den Rich-
terstuhl des Rechtes ziehen: -- gegen das Be-
dürfniß regt sich das Gegenbedürfniß; und so
wird das erzeugt, was wir Arbeit nennen
und vor das ökonomische Forum ziehen. Ein Be-
dürfniß ohne Rücksicht auf das Gegenbedürfniß
der Andern befriedigen, nennen wir Raub;
die Freiheit absolut und ohne Rücksicht auf Ge-
genfreiheit behaupten, nennen wir Verrath. --

Je lebhafter Freiheit und Gegenfreiheit
einander berühren, um so mächtiger wird das
Gesetz: das war der Grundgedanke meiner ganzen
Rechtslehre; aus dem Kriege der Freiheit mit
der Gegenfreiheit, und auf keine andre Weise,
ist der Friede oder das lebendige Gesetz zu erzeu-
gen. Daher hat die Natur in jeder Familie, wie
ich gezeigt habe, das Schema zu der Grundun-
gleichheit des ganzen Geschlechtes, oder die entge-
gengesetztesten Formen der Freiheit, niedergelegt:
Alter und Jugend, Mann und Weib; darum
hat, nach den wahren Gesetzen der Natur, das-
selbe Schema in der Familie aller Familien,

duͤrfniſſes aus, ſetzt das Begehren und Beduͤr-
fen der Einen Natur und zugleich das Gegenbe-
gehren und Gegenbeduͤrfen der andern; beide un-
zertrennlich von einander. Die Freiheit regt ſich
gegen die Freiheit; und ſo wird das erzeugt,
was wir Handlung nennen und vor den Rich-
terſtuhl des Rechtes ziehen: — gegen das Be-
duͤrfniß regt ſich das Gegenbeduͤrfniß; und ſo
wird das erzeugt, was wir Arbeit nennen
und vor das oͤkonomiſche Forum ziehen. Ein Be-
duͤrfniß ohne Ruͤckſicht auf das Gegenbeduͤrfniß
der Andern befriedigen, nennen wir Raub;
die Freiheit abſolut und ohne Ruͤckſicht auf Ge-
genfreiheit behaupten, nennen wir Verrath. —

Je lebhafter Freiheit und Gegenfreiheit
einander beruͤhren, um ſo maͤchtiger wird das
Geſetz: das war der Grundgedanke meiner ganzen
Rechtslehre; aus dem Kriege der Freiheit mit
der Gegenfreiheit, und auf keine andre Weiſe,
iſt der Friede oder das lebendige Geſetz zu erzeu-
gen. Daher hat die Natur in jeder Familie, wie
ich gezeigt habe, das Schema zu der Grundun-
gleichheit des ganzen Geſchlechtes, oder die entge-
gengeſetzteſten Formen der Freiheit, niedergelegt:
Alter und Jugend, Mann und Weib; darum
hat, nach den wahren Geſetzen der Natur, daſ-
ſelbe Schema in der Familie aller Familien,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0226" n="218"/>
du&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;es aus, &#x017F;etzt das Begehren und Bedu&#x0364;r-<lb/>
fen der Einen Natur und zugleich das Gegenbe-<lb/>
gehren und Gegenbedu&#x0364;rfen der andern; beide un-<lb/>
zertrennlich von einander. Die Freiheit regt &#x017F;ich<lb/>
gegen die Freiheit; und &#x017F;o wird <hi rendition="#g">das</hi> erzeugt,<lb/>
was wir <hi rendition="#g">Handlung</hi> nennen und vor den Rich-<lb/>
ter&#x017F;tuhl des Rechtes ziehen: &#x2014; gegen das Be-<lb/>
du&#x0364;rfniß regt &#x017F;ich das Gegenbedu&#x0364;rfniß; und &#x017F;o<lb/>
wird das erzeugt, was wir <hi rendition="#g">Arbeit</hi> nennen<lb/>
und vor das o&#x0364;konomi&#x017F;che Forum ziehen. Ein Be-<lb/>
du&#x0364;rfniß ohne Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf das Gegenbedu&#x0364;rfniß<lb/>
der Andern befriedigen, nennen wir <hi rendition="#g">Raub</hi>;<lb/>
die Freiheit ab&#x017F;olut und ohne Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf Ge-<lb/>
genfreiheit behaupten, nennen wir <hi rendition="#g">Verrath</hi>. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Je lebhafter Freiheit und Gegenfreiheit<lb/>
einander beru&#x0364;hren, um &#x017F;o ma&#x0364;chtiger wird das<lb/>
Ge&#x017F;etz: das war der Grundgedanke meiner ganzen<lb/><hi rendition="#g">Rechtslehre</hi>; aus dem Kriege der Freiheit mit<lb/>
der Gegenfreiheit, und auf keine andre Wei&#x017F;e,<lb/>
i&#x017F;t der Friede oder das lebendige Ge&#x017F;etz zu erzeu-<lb/>
gen. Daher hat die Natur in jeder Familie, wie<lb/>
ich gezeigt habe, das Schema zu der Grundun-<lb/>
gleichheit des ganzen Ge&#x017F;chlechtes, oder die entge-<lb/>
genge&#x017F;etzte&#x017F;ten Formen der Freiheit, niedergelegt:<lb/>
Alter und Jugend, Mann und Weib; darum<lb/>
hat, nach den wahren Ge&#x017F;etzen der Natur, da&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elbe Schema in der Familie <hi rendition="#g">aller</hi> Familien,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0226] duͤrfniſſes aus, ſetzt das Begehren und Beduͤr- fen der Einen Natur und zugleich das Gegenbe- gehren und Gegenbeduͤrfen der andern; beide un- zertrennlich von einander. Die Freiheit regt ſich gegen die Freiheit; und ſo wird das erzeugt, was wir Handlung nennen und vor den Rich- terſtuhl des Rechtes ziehen: — gegen das Be- duͤrfniß regt ſich das Gegenbeduͤrfniß; und ſo wird das erzeugt, was wir Arbeit nennen und vor das oͤkonomiſche Forum ziehen. Ein Be- duͤrfniß ohne Ruͤckſicht auf das Gegenbeduͤrfniß der Andern befriedigen, nennen wir Raub; die Freiheit abſolut und ohne Ruͤckſicht auf Ge- genfreiheit behaupten, nennen wir Verrath. — Je lebhafter Freiheit und Gegenfreiheit einander beruͤhren, um ſo maͤchtiger wird das Geſetz: das war der Grundgedanke meiner ganzen Rechtslehre; aus dem Kriege der Freiheit mit der Gegenfreiheit, und auf keine andre Weiſe, iſt der Friede oder das lebendige Geſetz zu erzeu- gen. Daher hat die Natur in jeder Familie, wie ich gezeigt habe, das Schema zu der Grundun- gleichheit des ganzen Geſchlechtes, oder die entge- gengeſetzteſten Formen der Freiheit, niedergelegt: Alter und Jugend, Mann und Weib; darum hat, nach den wahren Geſetzen der Natur, daſ- ſelbe Schema in der Familie aller Familien,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/226
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/226>, abgerufen am 25.04.2024.