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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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endlich seyn, wie es auch die Natur dazu be-
stimmt hat: alles soll ein Gegenstand des mensch-
lichen Begehrens werden, damit nichts außer-
halb der Vereinigung stehe, ohne welche die
Menschen nichts sind, und durch welche sie erst
ihre Bedeutung als Menschen erhalten.

Das Begehren soll keine Grenzen haben,
wohl aber Schranken, die nehmlich, welche
in der Natur der Sache, und zwar in dem all-
gemein durch die ganze Natur verbreiteten Ver-
hältnisse der Gegenseitigkeit liegen: nehmlich, in
so fern ich begehre oder Andrer bedarf, begehren
mich und bedürfen mein auch die Andern. Dieses
gegenseitige Begehren der Individuen verträgt
und verschränkt sich, setzt sich unter einander in's
Gleichgewicht; d. h. es hebt sich nicht unter ein-
ander auf, sondern es erzeugt eine fortschreitende
Thätigkeit, eine lebendige Kraft, oder Arbeit. --

So wie die Rechtslehre von der Vorstellung
der Freiheit ausgeht, von einem Streben jeder
einzelnen Natur, sich von der andern unabhän-
gig zu machen, und sich auf sich selbst ruhend
zu behaupten, doch, indem sie dieses Streben und
diese Freiheit einer Natur statuirt, zugleich das
Gegenstreben und die Gegenfreiheit andrer Na-
turen statuiren muß: so geht die Oekonomie von
der Vorstellung der Nothwendigkeit oder des Be-

endlich ſeyn, wie es auch die Natur dazu be-
ſtimmt hat: alles ſoll ein Gegenſtand des menſch-
lichen Begehrens werden, damit nichts außer-
halb der Vereinigung ſtehe, ohne welche die
Menſchen nichts ſind, und durch welche ſie erſt
ihre Bedeutung als Menſchen erhalten.

Das Begehren ſoll keine Grenzen haben,
wohl aber Schranken, die nehmlich, welche
in der Natur der Sache, und zwar in dem all-
gemein durch die ganze Natur verbreiteten Ver-
haͤltniſſe der Gegenſeitigkeit liegen: nehmlich, in
ſo fern ich begehre oder Andrer bedarf, begehren
mich und beduͤrfen mein auch die Andern. Dieſes
gegenſeitige Begehren der Individuen vertraͤgt
und verſchraͤnkt ſich, ſetzt ſich unter einander in’s
Gleichgewicht; d. h. es hebt ſich nicht unter ein-
ander auf, ſondern es erzeugt eine fortſchreitende
Thaͤtigkeit, eine lebendige Kraft, oder Arbeit. —

So wie die Rechtslehre von der Vorſtellung
der Freiheit ausgeht, von einem Streben jeder
einzelnen Natur, ſich von der andern unabhaͤn-
gig zu machen, und ſich auf ſich ſelbſt ruhend
zu behaupten, doch, indem ſie dieſes Streben und
dieſe Freiheit einer Natur ſtatuirt, zugleich das
Gegenſtreben und die Gegenfreiheit andrer Na-
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der Vorſtellung der Nothwendigkeit oder des Be-

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[217/0225] endlich ſeyn, wie es auch die Natur dazu be- ſtimmt hat: alles ſoll ein Gegenſtand des menſch- lichen Begehrens werden, damit nichts außer- halb der Vereinigung ſtehe, ohne welche die Menſchen nichts ſind, und durch welche ſie erſt ihre Bedeutung als Menſchen erhalten. Das Begehren ſoll keine Grenzen haben, wohl aber Schranken, die nehmlich, welche in der Natur der Sache, und zwar in dem all- gemein durch die ganze Natur verbreiteten Ver- haͤltniſſe der Gegenſeitigkeit liegen: nehmlich, in ſo fern ich begehre oder Andrer bedarf, begehren mich und beduͤrfen mein auch die Andern. Dieſes gegenſeitige Begehren der Individuen vertraͤgt und verſchraͤnkt ſich, ſetzt ſich unter einander in’s Gleichgewicht; d. h. es hebt ſich nicht unter ein- ander auf, ſondern es erzeugt eine fortſchreitende Thaͤtigkeit, eine lebendige Kraft, oder Arbeit. — So wie die Rechtslehre von der Vorſtellung der Freiheit ausgeht, von einem Streben jeder einzelnen Natur, ſich von der andern unabhaͤn- gig zu machen, und ſich auf ſich ſelbſt ruhend zu behaupten, doch, indem ſie dieſes Streben und dieſe Freiheit einer Natur ſtatuirt, zugleich das Gegenſtreben und die Gegenfreiheit andrer Na- turen ſtatuiren muß: ſo geht die Oekonomie von der Vorſtellung der Nothwendigkeit oder des Be-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/225>, abgerufen am 25.04.2024.