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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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regiert werde und bezwungen werde? Circum-
spice!
Dazu bedarf es weiter der Wissenschaft,
die es nicht mit den Massen, wohl aber, und
ohne Ende, mit dem Leben zu thun hat, wel-
ches alle Masse bezwingt und sich unterwirft. --
Sie wollen die ewige Staatskunst, und nicht
die Lehre von der polizeilichen und militärischen
Disciplin? Wohlan!

Moses gründete ein Volk von Priestern,
und erklärte zum obersten Gesetzgeber und König
desselben den einzigen Gott, Jehova, und als
erstes Reichsgrundgesetz, wie ich oben gezeigt
habe, den Glauben an diesen einzigen, unsicht-
baren König. Die Mode-Liebhaberei unsrer Zeit
für das Griechische und Römische Alterthum hat
diesen großen Gesetzgeber aus dem Andenken der
Gebildeten verdrängt, und die geistlose Politik
hat die Verfassung, deren Urheber er war, als
leere und unbedeutende Antiquität unter dem
Schimpfnahmen der Theokratie bei Seite
gesetzt. -- Lassen Sie uns diesem Unverstande
einigen Verstand gegenüber stellen. --

Eine hervorstechende Eigenthümlichkeit der Mo-
saischen Staatsverfassung ist es zuvörderst, daß
über die Form der Suveränetät nichts Unbe-
dingtes bestimmt worden war. Wir sehen durch
die lange Reihe von Jahrhunderten, welche die

regiert werde und bezwungen werde? Circum-
spice!
Dazu bedarf es weiter der Wiſſenſchaft,
die es nicht mit den Maſſen, wohl aber, und
ohne Ende, mit dem Leben zu thun hat, wel-
ches alle Maſſe bezwingt und ſich unterwirft. —
Sie wollen die ewige Staatskunſt, und nicht
die Lehre von der polizeilichen und militaͤriſchen
Disciplin? Wohlan!

Moſes gruͤndete ein Volk von Prieſtern,
und erklaͤrte zum oberſten Geſetzgeber und Koͤnig
deſſelben den einzigen Gott, Jehova, und als
erſtes Reichsgrundgeſetz, wie ich oben gezeigt
habe, den Glauben an dieſen einzigen, unſicht-
baren Koͤnig. Die Mode-Liebhaberei unſrer Zeit
fuͤr das Griechiſche und Roͤmiſche Alterthum hat
dieſen großen Geſetzgeber aus dem Andenken der
Gebildeten verdraͤngt, und die geiſtloſe Politik
hat die Verfaſſung, deren Urheber er war, als
leere und unbedeutende Antiquitaͤt unter dem
Schimpfnahmen der Theokratie bei Seite
geſetzt. — Laſſen Sie uns dieſem Unverſtande
einigen Verſtand gegenuͤber ſtellen. —

Eine hervorſtechende Eigenthuͤmlichkeit der Mo-
ſaiſchen Staatsverfaſſung iſt es zuvoͤrderſt, daß
uͤber die Form der Suveraͤnetaͤt nichts Unbe-
dingtes beſtimmt worden war. Wir ſehen durch
die lange Reihe von Jahrhunderten, welche die

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[9/0017] regiert werde und bezwungen werde? Circum- spice! Dazu bedarf es weiter der Wiſſenſchaft, die es nicht mit den Maſſen, wohl aber, und ohne Ende, mit dem Leben zu thun hat, wel- ches alle Maſſe bezwingt und ſich unterwirft. — Sie wollen die ewige Staatskunſt, und nicht die Lehre von der polizeilichen und militaͤriſchen Disciplin? Wohlan! Moſes gruͤndete ein Volk von Prieſtern, und erklaͤrte zum oberſten Geſetzgeber und Koͤnig deſſelben den einzigen Gott, Jehova, und als erſtes Reichsgrundgeſetz, wie ich oben gezeigt habe, den Glauben an dieſen einzigen, unſicht- baren Koͤnig. Die Mode-Liebhaberei unſrer Zeit fuͤr das Griechiſche und Roͤmiſche Alterthum hat dieſen großen Geſetzgeber aus dem Andenken der Gebildeten verdraͤngt, und die geiſtloſe Politik hat die Verfaſſung, deren Urheber er war, als leere und unbedeutende Antiquitaͤt unter dem Schimpfnahmen der Theokratie bei Seite geſetzt. — Laſſen Sie uns dieſem Unverſtande einigen Verſtand gegenuͤber ſtellen. — Eine hervorſtechende Eigenthuͤmlichkeit der Mo- ſaiſchen Staatsverfaſſung iſt es zuvoͤrderſt, daß uͤber die Form der Suveraͤnetaͤt nichts Unbe- dingtes beſtimmt worden war. Wir ſehen durch die lange Reihe von Jahrhunderten, welche die

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/17>, abgerufen am 24.04.2024.