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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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erste Stand an den Himmel knüpft. Das sind
die drei großen Grundgestalten der Freiheit, die
sich verschränken und verbürgen können, weil
sie durchaus entgegengesetzt sind, und die sich
verschränken und verbürgen sollen, weil jede
eine andre, ewige Eigenschaft der Menschheit
vertritt, und doch alle drei Das, was an unsrer
Natur der Rede werth ist, erschöpfend darstellen.
Sie können gemeinschaftlich ein vollständiges und
lebendiges Gesetz erzeugen, d. h. die Seele des
Suveräns nöthigen, sich unaufhörlich zu verjün-
gen, und doch dem Alterthum und der Ewigkeit
getreu zu bleiben. Sie geben dem Staate, was
kein Mechanismus der Welt geben kann: Fähig-
keit des Wachsthums, d. h. des Fortschreitens
und des Verweilens, so daß er, wie die Gestirne,
zugleich wandelt und steht.

Wenn Sie mich nicht mißverstehen wollen,
so möchte ich Sie noch zuletzt am Schlusse mei-
ner Darstellung von der Ständeverfassung an
die beiden historischen Monumente des adeligen
und des bürgerlichen Lebens, die Deutschland
vor allen andern Fünf-Reichen aufzuweisen hat,
erinnern: es sind Monumente der Poesie, der
überhaupt das schöne Geschäft, den Geist der
Zeiten treuer zu bewahren, als es selbst die ge-
schriebenen Gesetze vermögen, zu Theil gewor-

erſte Stand an den Himmel knuͤpft. Das ſind
die drei großen Grundgeſtalten der Freiheit, die
ſich verſchraͤnken und verbuͤrgen koͤnnen, weil
ſie durchaus entgegengeſetzt ſind, und die ſich
verſchraͤnken und verbuͤrgen ſollen, weil jede
eine andre, ewige Eigenſchaft der Menſchheit
vertritt, und doch alle drei Das, was an unſrer
Natur der Rede werth iſt, erſchoͤpfend darſtellen.
Sie koͤnnen gemeinſchaftlich ein vollſtaͤndiges und
lebendiges Geſetz erzeugen, d. h. die Seele des
Suveraͤns noͤthigen, ſich unaufhoͤrlich zu verjuͤn-
gen, und doch dem Alterthum und der Ewigkeit
getreu zu bleiben. Sie geben dem Staate, was
kein Mechanismus der Welt geben kann: Faͤhig-
keit des Wachsthums, d. h. des Fortſchreitens
und des Verweilens, ſo daß er, wie die Geſtirne,
zugleich wandelt und ſteht.

Wenn Sie mich nicht mißverſtehen wollen,
ſo moͤchte ich Sie noch zuletzt am Schluſſe mei-
ner Darſtellung von der Staͤndeverfaſſung an
die beiden hiſtoriſchen Monumente des adeligen
und des buͤrgerlichen Lebens, die Deutſchland
vor allen andern Fuͤnf-Reichen aufzuweiſen hat,
erinnern: es ſind Monumente der Poeſie, der
uͤberhaupt das ſchoͤne Geſchaͤft, den Geiſt der
Zeiten treuer zu bewahren, als es ſelbſt die ge-
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[151/0159] erſte Stand an den Himmel knuͤpft. Das ſind die drei großen Grundgeſtalten der Freiheit, die ſich verſchraͤnken und verbuͤrgen koͤnnen, weil ſie durchaus entgegengeſetzt ſind, und die ſich verſchraͤnken und verbuͤrgen ſollen, weil jede eine andre, ewige Eigenſchaft der Menſchheit vertritt, und doch alle drei Das, was an unſrer Natur der Rede werth iſt, erſchoͤpfend darſtellen. Sie koͤnnen gemeinſchaftlich ein vollſtaͤndiges und lebendiges Geſetz erzeugen, d. h. die Seele des Suveraͤns noͤthigen, ſich unaufhoͤrlich zu verjuͤn- gen, und doch dem Alterthum und der Ewigkeit getreu zu bleiben. Sie geben dem Staate, was kein Mechanismus der Welt geben kann: Faͤhig- keit des Wachsthums, d. h. des Fortſchreitens und des Verweilens, ſo daß er, wie die Geſtirne, zugleich wandelt und ſteht. Wenn Sie mich nicht mißverſtehen wollen, ſo moͤchte ich Sie noch zuletzt am Schluſſe mei- ner Darſtellung von der Staͤndeverfaſſung an die beiden hiſtoriſchen Monumente des adeligen und des buͤrgerlichen Lebens, die Deutſchland vor allen andern Fuͤnf-Reichen aufzuweiſen hat, erinnern: es ſind Monumente der Poeſie, der uͤberhaupt das ſchoͤne Geſchaͤft, den Geiſt der Zeiten treuer zu bewahren, als es ſelbſt die ge- ſchriebenen Geſetze vermoͤgen, zu Theil gewor-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/159>, abgerufen am 25.04.2024.