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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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sen, hartnäckig beibehalten haben, oder sie aufs
neue mit ganzer Seele und ohne ökonomische
Restriction schließen; dann wird es auch, wie wir
schon jetzt sehen, an wahren und innigen Bünd-
nissen unter den Zeitgenossen nicht fehlen. --

So kamen die Bundesgenossenschaften des
tiers-etat im Mittelalter zu Stande, die der
Schweizer, der Rheinischen und der hanseatischen
Städte, die noch jetzt aller Föderal-Verfassung
zum Muster dienen, nicht so wohl in ihrer Form,
als in ihrem Geiste. Aber ein würdiger Feind
stand ihnen gegenüber, den sie ökonomisch, recht-
lich und in jeder Beziehung respectiren mußten,
während sie ihn bekriegten, von dem sie lernten,
indem sie sich gegen ihn vertheidigten, und mit
dem sie in der Hauptsache, in dem Glauben, der
alle Herzen beschützte, eins waren: mit einem
Stande, mit dem Adel. Von Adel und tiers-
etat
im Mittelalter gilt, was Göthe von der
Feindschaft zwischen Antonio und Tasso sagt: sie
wären darum Feinde gewesen, weil die Natur
nicht Eins aus ihnen Beiden schuf.

Wir haben einen Feind uns gegenüber, von
dem wir gründlich und methodisch lernen sollen,
was nicht Wahrheit, nicht Recht, nicht Friede,
nicht Krieg, nicht Staat ist: -- nehmlich das
uns Allen, wie ich gezeigt habe, mehr oder we-

ſen, hartnaͤckig beibehalten haben, oder ſie aufs
neue mit ganzer Seele und ohne oͤkonomiſche
Reſtriction ſchließen; dann wird es auch, wie wir
ſchon jetzt ſehen, an wahren und innigen Buͤnd-
niſſen unter den Zeitgenoſſen nicht fehlen. —

So kamen die Bundesgenoſſenſchaften des
tiers-état im Mittelalter zu Stande, die der
Schweizer, der Rheiniſchen und der hanſeatiſchen
Staͤdte, die noch jetzt aller Foͤderal-Verfaſſung
zum Muſter dienen, nicht ſo wohl in ihrer Form,
als in ihrem Geiſte. Aber ein wuͤrdiger Feind
ſtand ihnen gegenuͤber, den ſie oͤkonomiſch, recht-
lich und in jeder Beziehung reſpectiren mußten,
waͤhrend ſie ihn bekriegten, von dem ſie lernten,
indem ſie ſich gegen ihn vertheidigten, und mit
dem ſie in der Hauptſache, in dem Glauben, der
alle Herzen beſchuͤtzte, eins waren: mit einem
Stande, mit dem Adel. Von Adel und tiers-
état
im Mittelalter gilt, was Goͤthe von der
Feindſchaft zwiſchen Antonio und Taſſo ſagt: ſie
waͤren darum Feinde geweſen, weil die Natur
nicht Eins aus ihnen Beiden ſchuf.

Wir haben einen Feind uns gegenuͤber, von
dem wir gruͤndlich und methodiſch lernen ſollen,
was nicht Wahrheit, nicht Recht, nicht Friede,
nicht Krieg, nicht Staat iſt: — nehmlich das
uns Allen, wie ich gezeigt habe, mehr oder we-

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[149/0157] ſen, hartnaͤckig beibehalten haben, oder ſie aufs neue mit ganzer Seele und ohne oͤkonomiſche Reſtriction ſchließen; dann wird es auch, wie wir ſchon jetzt ſehen, an wahren und innigen Buͤnd- niſſen unter den Zeitgenoſſen nicht fehlen. — So kamen die Bundesgenoſſenſchaften des tiers-état im Mittelalter zu Stande, die der Schweizer, der Rheiniſchen und der hanſeatiſchen Staͤdte, die noch jetzt aller Foͤderal-Verfaſſung zum Muſter dienen, nicht ſo wohl in ihrer Form, als in ihrem Geiſte. Aber ein wuͤrdiger Feind ſtand ihnen gegenuͤber, den ſie oͤkonomiſch, recht- lich und in jeder Beziehung reſpectiren mußten, waͤhrend ſie ihn bekriegten, von dem ſie lernten, indem ſie ſich gegen ihn vertheidigten, und mit dem ſie in der Hauptſache, in dem Glauben, der alle Herzen beſchuͤtzte, eins waren: mit einem Stande, mit dem Adel. Von Adel und tiers- état im Mittelalter gilt, was Goͤthe von der Feindſchaft zwiſchen Antonio und Taſſo ſagt: ſie waͤren darum Feinde geweſen, weil die Natur nicht Eins aus ihnen Beiden ſchuf. Wir haben einen Feind uns gegenuͤber, von dem wir gruͤndlich und methodiſch lernen ſollen, was nicht Wahrheit, nicht Recht, nicht Friede, nicht Krieg, nicht Staat iſt: — nehmlich das uns Allen, wie ich gezeigt habe, mehr oder we-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/157>, abgerufen am 20.04.2024.