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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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also durch die Theilung um das 2400-fache ver-
mehrt. Aber, wie auch der Staats-Rechenmei-
ster von diesen Zahlen entzückt seyn möge -- wo
bleibt der bürgerliche Sinn des Geschäftes und
die Beziehung auf das Gemeinwesen, die durch
das Zunftwesen, wo Jeder meisterlich auf das
Ganze gerichtet war, unaufhörlich erhalten wurde!
Vergleichen Sie eine Werkstatt nach der Zunft-
verfassung mit einer modernen Manufactur, und
Sie werden finden, daß die bürgerlichen Beschäf-
tigungen sich genau nach dem Staate umgeformt
haben: anstatt der herzlichen Verbindung des
Meisters mit dem zweiten Stande der arbeiten-
den Gesellen und dem tiers-etat der handrei-
chenden und umhertragenden Lehrlinge in der al-
ten Werkstatt, steht in der neuen Manufactur
kalt, calculatorisch und auf das reine Einkom-
men gerichtet, ein Entrepreneur an der Spitze
-- die Wissenschaft denkt sich in der Regel die
Fürsten nicht anders denn als Staats-Entrepre-
neurs: der Manufactur-Entrepreneur steht, wie
der Imperator über einen absoluten tiers-etat
maschinenartiger Lohnarbeiter -- und solch ein
todtes Wesen nennen sie: Freiheit! -- Ich
nicht. Ich habe eine bessere Staatsansicht dieses
wichtigen Theiles von der städtischen Verfassung
hier einleiten wollen; das Weitere, und wie die

alſo durch die Theilung um das 2400-fache ver-
mehrt. Aber, wie auch der Staats-Rechenmei-
ſter von dieſen Zahlen entzuͤckt ſeyn moͤge — wo
bleibt der buͤrgerliche Sinn des Geſchaͤftes und
die Beziehung auf das Gemeinweſen, die durch
das Zunftweſen, wo Jeder meiſterlich auf das
Ganze gerichtet war, unaufhoͤrlich erhalten wurde!
Vergleichen Sie eine Werkſtatt nach der Zunft-
verfaſſung mit einer modernen Manufactur, und
Sie werden finden, daß die buͤrgerlichen Beſchaͤf-
tigungen ſich genau nach dem Staate umgeformt
haben: anſtatt der herzlichen Verbindung des
Meiſters mit dem zweiten Stande der arbeiten-
den Geſellen und dem tiers-état der handrei-
chenden und umhertragenden Lehrlinge in der al-
ten Werkſtatt, ſteht in der neuen Manufactur
kalt, calculatoriſch und auf das reine Einkom-
men gerichtet, ein Entrepreneur an der Spitze
— die Wiſſenſchaft denkt ſich in der Regel die
Fuͤrſten nicht anders denn als Staats-Entrepre-
neurs: der Manufactur-Entrepreneur ſteht, wie
der Imperator uͤber einen abſoluten tiers-état
maſchinenartiger Lohnarbeiter — und ſolch ein
todtes Weſen nennen ſie: Freiheit! — Ich
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hier einleiten wollen; das Weitere, und wie die

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[142/0150] alſo durch die Theilung um das 2400-fache ver- mehrt. Aber, wie auch der Staats-Rechenmei- ſter von dieſen Zahlen entzuͤckt ſeyn moͤge — wo bleibt der buͤrgerliche Sinn des Geſchaͤftes und die Beziehung auf das Gemeinweſen, die durch das Zunftweſen, wo Jeder meiſterlich auf das Ganze gerichtet war, unaufhoͤrlich erhalten wurde! Vergleichen Sie eine Werkſtatt nach der Zunft- verfaſſung mit einer modernen Manufactur, und Sie werden finden, daß die buͤrgerlichen Beſchaͤf- tigungen ſich genau nach dem Staate umgeformt haben: anſtatt der herzlichen Verbindung des Meiſters mit dem zweiten Stande der arbeiten- den Geſellen und dem tiers-état der handrei- chenden und umhertragenden Lehrlinge in der al- ten Werkſtatt, ſteht in der neuen Manufactur kalt, calculatoriſch und auf das reine Einkom- men gerichtet, ein Entrepreneur an der Spitze — die Wiſſenſchaft denkt ſich in der Regel die Fuͤrſten nicht anders denn als Staats-Entrepre- neurs: der Manufactur-Entrepreneur ſteht, wie der Imperator uͤber einen abſoluten tiers-état maſchinenartiger Lohnarbeiter — und ſolch ein todtes Weſen nennen ſie: Freiheit! — Ich nicht. Ich habe eine beſſere Staatsanſicht dieſes wichtigen Theiles von der ſtaͤdtiſchen Verfaſſung hier einleiten wollen; das Weitere, und wie die

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/150>, abgerufen am 25.04.2024.