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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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so würde der Inhalt dieser Vorlesungen schwer-
lich mir überlassen worden seyn *). --

Die städtischen Verfassungen des Mittelal-
ters, bis gegen die Mitte des sechzehnten Jahr-
hunderts, zeigen an unzähligen Stellen den Ein-
fluß des Lehns- und des Kirchenrechtes, so wie
sie wieder ihrerseits der Verfassung der Geist-
lichkeit und des Adels einen unverkennbar mil-
dernden Geist mittheilten. Das Interesse des
Gemeinwesens, nach christlicher Art, behielt in
allen Wegen die Oberhand; und so konnte das
Eigenthum -- welche strenge Abgränzung dessel-
ben auch der Handel nothwendig machte -- nie
den absolut privativen Charakter annehmen. Es
gab vieles gemeinschaftliche corporative Recht,
wie noch heut zu Tage die viel verschmäheten und
völlig mißverstandenen Zunft- und Innungsver-
fassungen davon zeugen. Alles Gemeinsame, und
so auch vieler Gemeinbesitz, war den Städten
noch sehr wichtig: Theils die Noth, Theils der
richtige und fromme Sinn, vermochte sie, be-
ständig sich selbst und die Stadt, das Privat-
Vermögen und das Commun-Vermögen, das

*) Man erinnre sich, daß, als diese Vorlesungen gehalten
wurden, Johann von Müller noch lebte.

ſo wuͤrde der Inhalt dieſer Vorleſungen ſchwer-
lich mir uͤberlaſſen worden ſeyn *). —

Die ſtaͤdtiſchen Verfaſſungen des Mittelal-
ters, bis gegen die Mitte des ſechzehnten Jahr-
hunderts, zeigen an unzaͤhligen Stellen den Ein-
fluß des Lehns- und des Kirchenrechtes, ſo wie
ſie wieder ihrerſeits der Verfaſſung der Geiſt-
lichkeit und des Adels einen unverkennbar mil-
dernden Geiſt mittheilten. Das Intereſſe des
Gemeinweſens, nach chriſtlicher Art, behielt in
allen Wegen die Oberhand; und ſo konnte das
Eigenthum — welche ſtrenge Abgraͤnzung deſſel-
ben auch der Handel nothwendig machte — nie
den abſolut privativen Charakter annehmen. Es
gab vieles gemeinſchaftliche corporative Recht,
wie noch heut zu Tage die viel verſchmaͤheten und
voͤllig mißverſtandenen Zunft- und Innungsver-
faſſungen davon zeugen. Alles Gemeinſame, und
ſo auch vieler Gemeinbeſitz, war den Staͤdten
noch ſehr wichtig: Theils die Noth, Theils der
richtige und fromme Sinn, vermochte ſie, be-
ſtaͤndig ſich ſelbſt und die Stadt, das Privat-
Vermoͤgen und das Commun-Vermoͤgen, das

*) Man erinnre ſich, daß, als dieſe Vorleſungen gehalten
wurden, Johann von Müller noch lebte.
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[139/0147] ſo wuͤrde der Inhalt dieſer Vorleſungen ſchwer- lich mir uͤberlaſſen worden ſeyn *). — Die ſtaͤdtiſchen Verfaſſungen des Mittelal- ters, bis gegen die Mitte des ſechzehnten Jahr- hunderts, zeigen an unzaͤhligen Stellen den Ein- fluß des Lehns- und des Kirchenrechtes, ſo wie ſie wieder ihrerſeits der Verfaſſung der Geiſt- lichkeit und des Adels einen unverkennbar mil- dernden Geiſt mittheilten. Das Intereſſe des Gemeinweſens, nach chriſtlicher Art, behielt in allen Wegen die Oberhand; und ſo konnte das Eigenthum — welche ſtrenge Abgraͤnzung deſſel- ben auch der Handel nothwendig machte — nie den abſolut privativen Charakter annehmen. Es gab vieles gemeinſchaftliche corporative Recht, wie noch heut zu Tage die viel verſchmaͤheten und voͤllig mißverſtandenen Zunft- und Innungsver- faſſungen davon zeugen. Alles Gemeinſame, und ſo auch vieler Gemeinbeſitz, war den Staͤdten noch ſehr wichtig: Theils die Noth, Theils der richtige und fromme Sinn, vermochte ſie, be- ſtaͤndig ſich ſelbſt und die Stadt, das Privat- Vermoͤgen und das Commun-Vermoͤgen, das *) Man erinnre ſich, daß, als dieſe Vorleſungen gehalten wurden, Johann von Müller noch lebte.

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/147>, abgerufen am 28.03.2024.