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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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nichts, als daß die einzelnen Menschen nichts
mehr in Gemeinschaft mit Andern besitzen können,
und daß ihnen demnach die erste Qualität als
Staatsbürgern abgeht. Denn der Staat, oder
das ganze bürgerliche Wesen, ist, wie ich schon
oben gezeigt habe, corporatives und Familien-
Eigenthum zugleich; der wahre Bürger muß
ohne Ende eingedenk seyn, daß er nur vorüber-
gehender Nießbraucher, d. h. Familien-Glied,
und Theilnehmer der großen Gemeinheit, d. h.
Corporations-Glied ist, welche beide Qualifica-
tionen ihm noch einmal in der inneren Organi-
sation der beiden ersten Stände und ihres Eigen-
thums lebendig und im Gegensatz vor die Augen
gestellt werden. --

Ich glaube, jetzt deutlich genug gezeigt zu
haben, daß dieselben Ursachen, welche das Ge-
biet des Lehnsrechtes in Europa mehr und mehr
beschränken, und gänzlich aufzulösen drohen,
auch das Kirchenrecht mit jedem Tage in engere
Grenzen zurückdrücken. An und für sich kommt
es mir gar nicht darauf an, diese oder jene
Form der kirchlichen Macht, weder die welt-
republikanische der Concilien, noch die monarchi-
sche der Päpste, weder eine presbyterianische, noch
episkopalische zu vertheidigen oder zu verdam-
men, sondern nur, zu zeigen, wie sich in dem

nichts, als daß die einzelnen Menſchen nichts
mehr in Gemeinſchaft mit Andern beſitzen koͤnnen,
und daß ihnen demnach die erſte Qualitaͤt als
Staatsbuͤrgern abgeht. Denn der Staat, oder
das ganze buͤrgerliche Weſen, iſt, wie ich ſchon
oben gezeigt habe, corporatives und Familien-
Eigenthum zugleich; der wahre Buͤrger muß
ohne Ende eingedenk ſeyn, daß er nur voruͤber-
gehender Nießbraucher, d. h. Familien-Glied,
und Theilnehmer der großen Gemeinheit, d. h.
Corporations-Glied iſt, welche beide Qualifica-
tionen ihm noch einmal in der inneren Organi-
ſation der beiden erſten Staͤnde und ihres Eigen-
thums lebendig und im Gegenſatz vor die Augen
geſtellt werden. —

Ich glaube, jetzt deutlich genug gezeigt zu
haben, daß dieſelben Urſachen, welche das Ge-
biet des Lehnsrechtes in Europa mehr und mehr
beſchraͤnken, und gaͤnzlich aufzuloͤſen drohen,
auch das Kirchenrecht mit jedem Tage in engere
Grenzen zuruͤckdruͤcken. An und fuͤr ſich kommt
es mir gar nicht darauf an, dieſe oder jene
Form der kirchlichen Macht, weder die welt-
republikaniſche der Concilien, noch die monarchi-
ſche der Paͤpſte, weder eine presbyterianiſche, noch
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[120/0128] nichts, als daß die einzelnen Menſchen nichts mehr in Gemeinſchaft mit Andern beſitzen koͤnnen, und daß ihnen demnach die erſte Qualitaͤt als Staatsbuͤrgern abgeht. Denn der Staat, oder das ganze buͤrgerliche Weſen, iſt, wie ich ſchon oben gezeigt habe, corporatives und Familien- Eigenthum zugleich; der wahre Buͤrger muß ohne Ende eingedenk ſeyn, daß er nur voruͤber- gehender Nießbraucher, d. h. Familien-Glied, und Theilnehmer der großen Gemeinheit, d. h. Corporations-Glied iſt, welche beide Qualifica- tionen ihm noch einmal in der inneren Organi- ſation der beiden erſten Staͤnde und ihres Eigen- thums lebendig und im Gegenſatz vor die Augen geſtellt werden. — Ich glaube, jetzt deutlich genug gezeigt zu haben, daß dieſelben Urſachen, welche das Ge- biet des Lehnsrechtes in Europa mehr und mehr beſchraͤnken, und gaͤnzlich aufzuloͤſen drohen, auch das Kirchenrecht mit jedem Tage in engere Grenzen zuruͤckdruͤcken. An und fuͤr ſich kommt es mir gar nicht darauf an, dieſe oder jene Form der kirchlichen Macht, weder die welt- republikaniſche der Concilien, noch die monarchi- ſche der Paͤpſte, weder eine presbyterianiſche, noch episkopaliſche zu vertheidigen oder zu verdam- men, ſondern nur, zu zeigen, wie ſich in dem

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/128>, abgerufen am 29.03.2024.