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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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und demnach die Ausbildung der weltlichen, Rö-
mischen Suveränetät und Autorität, und des
damit enge verbundene tiers-etat oder strengen
Römischen Privat-Eigenthums, d. h. die unbe-
dingte Rückkehr in das Römische Geleise, für
das alleinige Problem aller modernen Europä-
schen Staaten zu halten!

So ergriff denn der Römische Mechanismus,
oder der Römische Tod, alle Staatswissenschaften,
und gegen das Ende des achtzehnten Jahrhun-
derts alle Gesetzgebung. Römische Grundsätze
sollten das Unheil wieder gut machen, das Rö-
mische Begriffe, Römische Gesetze, Römische
Weltansichten und Römisches Privat-Eigenthum
gestiftet hatten. Die erhabenen Ideen "persönli-
cher Dienst, Süzeränetät und Lehn" mußten über-
all den Begriffen "Geldabgabe, weltliche Suve-
ränetät oder Zwangsgewalt, und strenger Besitz"
wieder weichen; was nicht dem Calcul und der
Wagschale unterworfen werden konnte, mußte
aus der Staatsverbindung heraus. Mit der
Religion mußte nothwendig alles Verständniß
und alles Gefühl dieser Lehnsgesetze verschwinden;
das Lehn, das Verliehene, wurde entblößt von
dem Geiste der Freiheit, der Gegenseitigkeit und
des würdigen Gehorsams, der Anfangs davon
unzertrennlich war: es war in den Händen der

roma-

und demnach die Ausbildung der weltlichen, Roͤ-
miſchen Suveraͤnetaͤt und Autoritaͤt, und des
damit enge verbundene tiers-état oder ſtrengen
Roͤmiſchen Privat-Eigenthums, d. h. die unbe-
dingte Ruͤckkehr in das Roͤmiſche Geleiſe, fuͤr
das alleinige Problem aller modernen Europaͤ-
ſchen Staaten zu halten!

So ergriff denn der Roͤmiſche Mechanismus,
oder der Roͤmiſche Tod, alle Staatswiſſenſchaften,
und gegen das Ende des achtzehnten Jahrhun-
derts alle Geſetzgebung. Roͤmiſche Grundſaͤtze
ſollten das Unheil wieder gut machen, das Roͤ-
miſche Begriffe, Roͤmiſche Geſetze, Roͤmiſche
Weltanſichten und Roͤmiſches Privat-Eigenthum
geſtiftet hatten. Die erhabenen Ideen „perſoͤnli-
cher Dienſt, Suͤzeraͤnetaͤt und Lehn“ mußten uͤber-
all den Begriffen „Geldabgabe, weltliche Suve-
raͤnetaͤt oder Zwangsgewalt, und ſtrenger Beſitz“
wieder weichen; was nicht dem Calcul und der
Wagſchale unterworfen werden konnte, mußte
aus der Staatsverbindung heraus. Mit der
Religion mußte nothwendig alles Verſtaͤndniß
und alles Gefuͤhl dieſer Lehnsgeſetze verſchwinden;
das Lehn, das Verliehene, wurde entbloͤßt von
dem Geiſte der Freiheit, der Gegenſeitigkeit und
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unzertrennlich war: es war in den Haͤnden der

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[96/0104] und demnach die Ausbildung der weltlichen, Roͤ- miſchen Suveraͤnetaͤt und Autoritaͤt, und des damit enge verbundene tiers-état oder ſtrengen Roͤmiſchen Privat-Eigenthums, d. h. die unbe- dingte Ruͤckkehr in das Roͤmiſche Geleiſe, fuͤr das alleinige Problem aller modernen Europaͤ- ſchen Staaten zu halten! So ergriff denn der Roͤmiſche Mechanismus, oder der Roͤmiſche Tod, alle Staatswiſſenſchaften, und gegen das Ende des achtzehnten Jahrhun- derts alle Geſetzgebung. Roͤmiſche Grundſaͤtze ſollten das Unheil wieder gut machen, das Roͤ- miſche Begriffe, Roͤmiſche Geſetze, Roͤmiſche Weltanſichten und Roͤmiſches Privat-Eigenthum geſtiftet hatten. Die erhabenen Ideen „perſoͤnli- cher Dienſt, Suͤzeraͤnetaͤt und Lehn“ mußten uͤber- all den Begriffen „Geldabgabe, weltliche Suve- raͤnetaͤt oder Zwangsgewalt, und ſtrenger Beſitz“ wieder weichen; was nicht dem Calcul und der Wagſchale unterworfen werden konnte, mußte aus der Staatsverbindung heraus. Mit der Religion mußte nothwendig alles Verſtaͤndniß und alles Gefuͤhl dieſer Lehnsgeſetze verſchwinden; das Lehn, das Verliehene, wurde entbloͤßt von dem Geiſte der Freiheit, der Gegenſeitigkeit und des wuͤrdigen Gehorſams, der Anfangs davon unzertrennlich war: es war in den Haͤnden der roma-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/104>, abgerufen am 25.04.2024.