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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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das übrige Heer 1. -- Auf der Flotte versahen wohl
die Heloten besonders den Matrosendienst, wozu man
in Athen die niedern Bürger und Sklaven nahm; als
solche hießen sie, scheint es, desposionautai.

Diese Angaben bezeichnen ziemlich das Verhältniß
der Heloten zum Dorischen Staate von Sparta: wel-
ches Verhältnisses ethische oder politische Critik hier
gar nicht in unserm Zwecke liegt. Nur so viel: die
Griechischen Staaten hatten entweder Leibeigene, wel-
che wir ziemlich bei allen Doriern nachweisen können,
oder Sklaven, welche durch Raub oder Handel aus
den Ländern der Barbaren herbeigeholt waren, oder
keins von beiden. Das letztere fand bei den Phokeern,
Lokrern und andern Griechen statt 2, allein diese Volk-
stämme entwickelten sich auch, vom Bedürfniß eingeengt,
nie so frei und kräftig, als Sparta und Athen. Die
Sklaverei war die Basis aller Handelsstaaten, und
hängt mit dem Verkehr mit dem Auslande zusammen;
aber abgesehn davon, daß sie ein stets fortgesetztes und
erneuertes Unrecht ist, bringt sie dem Staate im Gan-
zen, namentlich im Kriege, wenig Vortheil, und der
Sitte und Ordnung in den Staaten, nach der Lehre
alter Politiker, Gefahr und Nachtheil. Auch muß
man wohl bedenken, daß unter den Sklaven Athens
wenig Familienverhältniß existiren konnte, dem die
Leibeigenschaft dagegen keinen Eintrag thut, und daß
in dieser mehr die allgemeine Sitte, in jener die Will-
kühr Einzelner herrscht. -- Indessen hatte auch Sparta
fremde Sklaven, aber nur in geringer Anzahl. So
war Alkman, Knecht des Agesidas 3, Sohn eines Skla-
ven aus Sardis 4, welchen vielleicht der Kretische Han-
del an die Küsten Lakonikas gebracht hatte.


1 Herod. 6, 80. 81. vgl. 75.
2 Bd. 1. S. 242.
3 nach Herakl. Pont.
4 Welcker Alcm. frgm. p. 6.

das uͤbrige Heer 1. — Auf der Flotte verſahen wohl
die Heloten beſonders den Matroſendienſt, wozu man
in Athen die niedern Buͤrger und Sklaven nahm; als
ſolche hießen ſie, ſcheint es, δεσποσιοναῦται.

Dieſe Angaben bezeichnen ziemlich das Verhaͤltniß
der Heloten zum Doriſchen Staate von Sparta: wel-
ches Verhaͤltniſſes ethiſche oder politiſche Critik hier
gar nicht in unſerm Zwecke liegt. Nur ſo viel: die
Griechiſchen Staaten hatten entweder Leibeigene, wel-
che wir ziemlich bei allen Doriern nachweiſen koͤnnen,
oder Sklaven, welche durch Raub oder Handel aus
den Laͤndern der Barbaren herbeigeholt waren, oder
keins von beiden. Das letztere fand bei den Phokeern,
Lokrern und andern Griechen ſtatt 2, allein dieſe Volk-
ſtaͤmme entwickelten ſich auch, vom Beduͤrfniß eingeengt,
nie ſo frei und kraͤftig, als Sparta und Athen. Die
Sklaverei war die Baſis aller Handelsſtaaten, und
haͤngt mit dem Verkehr mit dem Auslande zuſammen;
aber abgeſehn davon, daß ſie ein ſtets fortgeſetztes und
erneuertes Unrecht iſt, bringt ſie dem Staate im Gan-
zen, namentlich im Kriege, wenig Vortheil, und der
Sitte und Ordnung in den Staaten, nach der Lehre
alter Politiker, Gefahr und Nachtheil. Auch muß
man wohl bedenken, daß unter den Sklaven Athens
wenig Familienverhaͤltniß exiſtiren konnte, dem die
Leibeigenſchaft dagegen keinen Eintrag thut, und daß
in dieſer mehr die allgemeine Sitte, in jener die Will-
kuͤhr Einzelner herrſcht. — Indeſſen hatte auch Sparta
fremde Sklaven, aber nur in geringer Anzahl. So
war Alkman, Knecht des Ageſidas 3, Sohn eines Skla-
ven aus Sardis 4, welchen vielleicht der Kretiſche Han-
del an die Kuͤſten Lakonikas gebracht hatte.


1 Herod. 6, 80. 81. vgl. 75.
2 Bd. 1. S. 242.
3 nach Herakl. Pont.
4 Welcker Alcm. frgm. p. 6.
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[39/0045] das uͤbrige Heer 1. — Auf der Flotte verſahen wohl die Heloten beſonders den Matroſendienſt, wozu man in Athen die niedern Buͤrger und Sklaven nahm; als ſolche hießen ſie, ſcheint es, δεσποσιοναῦται. Dieſe Angaben bezeichnen ziemlich das Verhaͤltniß der Heloten zum Doriſchen Staate von Sparta: wel- ches Verhaͤltniſſes ethiſche oder politiſche Critik hier gar nicht in unſerm Zwecke liegt. Nur ſo viel: die Griechiſchen Staaten hatten entweder Leibeigene, wel- che wir ziemlich bei allen Doriern nachweiſen koͤnnen, oder Sklaven, welche durch Raub oder Handel aus den Laͤndern der Barbaren herbeigeholt waren, oder keins von beiden. Das letztere fand bei den Phokeern, Lokrern und andern Griechen ſtatt 2, allein dieſe Volk- ſtaͤmme entwickelten ſich auch, vom Beduͤrfniß eingeengt, nie ſo frei und kraͤftig, als Sparta und Athen. Die Sklaverei war die Baſis aller Handelsſtaaten, und haͤngt mit dem Verkehr mit dem Auslande zuſammen; aber abgeſehn davon, daß ſie ein ſtets fortgeſetztes und erneuertes Unrecht iſt, bringt ſie dem Staate im Gan- zen, namentlich im Kriege, wenig Vortheil, und der Sitte und Ordnung in den Staaten, nach der Lehre alter Politiker, Gefahr und Nachtheil. Auch muß man wohl bedenken, daß unter den Sklaven Athens wenig Familienverhaͤltniß exiſtiren konnte, dem die Leibeigenſchaft dagegen keinen Eintrag thut, und daß in dieſer mehr die allgemeine Sitte, in jener die Will- kuͤhr Einzelner herrſcht. — Indeſſen hatte auch Sparta fremde Sklaven, aber nur in geringer Anzahl. So war Alkman, Knecht des Ageſidas 3, Sohn eines Skla- ven aus Sardis 4, welchen vielleicht der Kretiſche Han- del an die Kuͤſten Lakonikas gebracht hatte. 1 Herod. 6, 80. 81. vgl. 75. 2 Bd. 1. S. 242. 3 nach Herakl. Pont. 4 Welcker Alcm. frgm. p. 6.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/45>, abgerufen am 24.04.2024.