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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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kommenen Ruhe des Auges wie des ganzen Organismus in
Hinsicht der äußeren Eindrücke nur beobachten, was
in der Dunkelheit des Auges als Reflex von inneren or-
ganischen Zuständen in anderen Theilen erscheinen wird.

35.

Wenn nun im Anfang immer noch das dunkle Sehfeld
an einzelnen Lichtflecken, Nebeln, wandelnden und wech-
selnden Farben reich ist, so erscheinen statt dieser bald be-
grenzte Bilder von mannifachen Gegenständen, anfangs
in einem matten Schimmer, bald deutlicher. Daß sie wirk-
lich leuchtend, und manchmal auch farbig sind, daran ist
kein Zweifel. Sie bewegen sich, verwandeln sich, entste-
hen manchmal ganz zu den Seiten des Sehfeldes mit einer
Lebendigkeit und Deutlichkeit des Bildes, wie wir sonst nie
so deutlich etwas zur Seite des Sehfeldes sehen. Mit der
leisesten Bewegung der Augen sind sie gewöhnlich verschwun-
den, auch die Reflexion verscheucht sie auf der Stelle. Cs
sind selten bekannte Gestalten, gewöhnlich sonderbare Fi-
guren, Menschen, Thiere, die ich nie gesehen, erleuchte-
te Räume, in denen ich ich noch nicht gewesen. Es ist
nicht der geringste Zusammenhaug dieser Erscheinungen mit
dem, was ich am Tage erlebt, zu erkennen. Ich verfolge
diese Erscheinungen oft halbe Stunden lang, bis sie endlich
in die Traumbilder des Schlafes übergehen.

36.

Nicht in der Nacht allein, zu jeder Zeit des Tages
bin ich dieser Erscheinungen fähig. Gar manche Stunde
der Ruhe, vom Schlafe weit entfernt, hab ich mit geschlos-
senen Augen zu ihrer Beobachtung zugebracht. Ich brauch
mich oft nur hinzusetzen, die Augen zu schliessen, von Allem
zu abstrahiren, so erscheinen unwillkührlich diese seit früher
Jugend mir freundlich gewohnten Bilder. Ist nur der Ort

kommenen Ruhe des Auges wie des ganzen Organismus in
Hinſicht der aͤußeren Eindruͤcke nur beobachten, was
in der Dunkelheit des Auges als Reflex von inneren or-
ganiſchen Zuſtaͤnden in anderen Theilen erſcheinen wird.

35.

Wenn nun im Anfang immer noch das dunkle Sehfeld
an einzelnen Lichtflecken, Nebeln, wandelnden und wech-
ſelnden Farben reich iſt, ſo erſcheinen ſtatt dieſer bald be-
grenzte Bilder von mannifachen Gegenſtaͤnden, anfangs
in einem matten Schimmer, bald deutlicher. Daß ſie wirk-
lich leuchtend, und manchmal auch farbig ſind, daran iſt
kein Zweifel. Sie bewegen ſich, verwandeln ſich, entſte-
hen manchmal ganz zu den Seiten des Sehfeldes mit einer
Lebendigkeit und Deutlichkeit des Bildes, wie wir ſonſt nie
ſo deutlich etwas zur Seite des Sehfeldes ſehen. Mit der
leiſeſten Bewegung der Augen ſind ſie gewoͤhnlich verſchwun-
den, auch die Reflexion verſcheucht ſie auf der Stelle. Cs
ſind ſelten bekannte Geſtalten, gewoͤhnlich ſonderbare Fi-
guren, Menſchen, Thiere, die ich nie geſehen, erleuchte-
te Raͤume, in denen ich ich noch nicht geweſen. Es iſt
nicht der geringſte Zuſammenhaug dieſer Erſcheinungen mit
dem, was ich am Tage erlebt, zu erkennen. Ich verfolge
dieſe Erſcheinungen oft halbe Stunden lang, bis ſie endlich
in die Traumbilder des Schlafes uͤbergehen.

36.

Nicht in der Nacht allein, zu jeder Zeit des Tages
bin ich dieſer Erſcheinungen faͤhig. Gar manche Stunde
der Ruhe, vom Schlafe weit entfernt, hab ich mit geſchloſ-
ſenen Augen zu ihrer Beobachtung zugebracht. Ich brauch
mich oft nur hinzuſetzen, die Augen zu ſchlieſſen, von Allem
zu abſtrahiren, ſo erſcheinen unwillkuͤhrlich dieſe ſeit fruͤher
Jugend mir freundlich gewohnten Bilder. Iſt nur der Ort

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[21/0037] kommenen Ruhe des Auges wie des ganzen Organismus in Hinſicht der aͤußeren Eindruͤcke nur beobachten, was in der Dunkelheit des Auges als Reflex von inneren or- ganiſchen Zuſtaͤnden in anderen Theilen erſcheinen wird. 35. Wenn nun im Anfang immer noch das dunkle Sehfeld an einzelnen Lichtflecken, Nebeln, wandelnden und wech- ſelnden Farben reich iſt, ſo erſcheinen ſtatt dieſer bald be- grenzte Bilder von mannifachen Gegenſtaͤnden, anfangs in einem matten Schimmer, bald deutlicher. Daß ſie wirk- lich leuchtend, und manchmal auch farbig ſind, daran iſt kein Zweifel. Sie bewegen ſich, verwandeln ſich, entſte- hen manchmal ganz zu den Seiten des Sehfeldes mit einer Lebendigkeit und Deutlichkeit des Bildes, wie wir ſonſt nie ſo deutlich etwas zur Seite des Sehfeldes ſehen. Mit der leiſeſten Bewegung der Augen ſind ſie gewoͤhnlich verſchwun- den, auch die Reflexion verſcheucht ſie auf der Stelle. Cs ſind ſelten bekannte Geſtalten, gewoͤhnlich ſonderbare Fi- guren, Menſchen, Thiere, die ich nie geſehen, erleuchte- te Raͤume, in denen ich ich noch nicht geweſen. Es iſt nicht der geringſte Zuſammenhaug dieſer Erſcheinungen mit dem, was ich am Tage erlebt, zu erkennen. Ich verfolge dieſe Erſcheinungen oft halbe Stunden lang, bis ſie endlich in die Traumbilder des Schlafes uͤbergehen. 36. Nicht in der Nacht allein, zu jeder Zeit des Tages bin ich dieſer Erſcheinungen faͤhig. Gar manche Stunde der Ruhe, vom Schlafe weit entfernt, hab ich mit geſchloſ- ſenen Augen zu ihrer Beobachtung zugebracht. Ich brauch mich oft nur hinzuſetzen, die Augen zu ſchlieſſen, von Allem zu abſtrahiren, ſo erſcheinen unwillkuͤhrlich dieſe ſeit fruͤher Jugend mir freundlich gewohnten Bilder. Iſt nur der Ort

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/37>, abgerufen am 25.04.2024.