Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

das heißt: wie oben erläutert, wenn die Person sich unter
die Bothmäßigkeit der Sache ergäbe. Es würde sich das
Verhältniß einer heidnischen und türkischen Wechselsclaverey
ergeben, und dieser Grundirrthum würde sich allen Einrich-
tungen der bürgerlichen Gesellschaft mittheilen: man würde
die Ueberzeugung allgemein werden sehen, daß die ganze
Staatsverbindung keinen andern Zweck habe, als die Sicher-
heit der Sache, die Erhaltung des absoluten Privateigen-
thums; an die Stelle eines lebendigen Gewerbes unvergäng-
licher Kräfte, würde ein todtes Zwangs- und Kettenwesen
treten; alles würde zur Sache werden, und das Persönliche,
verscheucht aus den Wohnungen der Menschen, würde wie
heidnisches Fatum, wie türkische Prädestination unsichtbar
und tückisch über den menschlichen Geschäften walten.

Wenn man erwägt, daß dieses wirklich die Richtung un-
serer Zeit ist, und, daß wir darin wirklich mit denen, die sonst
für die Erbfeinde der europäischen christlichen Staatenverbin-
dung gehalten wurden, übereinstimmen; wenn man in allen
andern Büchern der Geschichte vergebens nach einer Zeit
sucht, wo dieses Mutterverhältniß aller übrigen menschlichen
Verhältnisse als wahre Wechselwirkung behandelt worden wäre,
wenn man überall nur eine rohere oder äußerlich verfeinerte Wech-
selsclaverey findet, so muß man wohl eine Vorliebe für das
Mittelalter empfinden. Dort allein ist von einer Vereinigung
der Person und der Sache um eines Höheren Willen; von
einem irrdischen Eigenthum, das seinen ganzen Werth von
einem höheren geistigen Eigenthum erhält; von einer Sonne,
die den Planeten zugleich mit seinem Trabanten schwebend

M 2

das heißt: wie oben erlaͤutert, wenn die Perſon ſich unter
die Bothmaͤßigkeit der Sache ergaͤbe. Es wuͤrde ſich das
Verhaͤltniß einer heidniſchen und tuͤrkiſchen Wechſelſclaverey
ergeben, und dieſer Grundirrthum wuͤrde ſich allen Einrich-
tungen der buͤrgerlichen Geſellſchaft mittheilen: man wuͤrde
die Ueberzeugung allgemein werden ſehen, daß die ganze
Staatsverbindung keinen andern Zweck habe, als die Sicher-
heit der Sache, die Erhaltung des abſoluten Privateigen-
thums; an die Stelle eines lebendigen Gewerbes unvergaͤng-
licher Kraͤfte, wuͤrde ein todtes Zwangs- und Kettenweſen
treten; alles wuͤrde zur Sache werden, und das Perſoͤnliche,
verſcheucht aus den Wohnungen der Menſchen, wuͤrde wie
heidniſches Fatum, wie tuͤrkiſche Praͤdeſtination unſichtbar
und tuͤckiſch uͤber den menſchlichen Geſchaͤften walten.

Wenn man erwaͤgt, daß dieſes wirklich die Richtung un-
ſerer Zeit iſt, und, daß wir darin wirklich mit denen, die ſonſt
fuͤr die Erbfeinde der europaͤiſchen chriſtlichen Staatenverbin-
dung gehalten wurden, uͤbereinſtimmen; wenn man in allen
andern Buͤchern der Geſchichte vergebens nach einer Zeit
ſucht, wo dieſes Mutterverhaͤltniß aller uͤbrigen menſchlichen
Verhaͤltniſſe als wahre Wechſelwirkung behandelt worden waͤre,
wenn man uͤberall nur eine rohere oder aͤußerlich verfeinerte Wech-
ſelſclaverey findet, ſo muß man wohl eine Vorliebe fuͤr das
Mittelalter empfinden. Dort allein iſt von einer Vereinigung
der Perſon und der Sache um eines Hoͤheren Willen; von
einem irrdiſchen Eigenthum, das ſeinen ganzen Werth von
einem hoͤheren geiſtigen Eigenthum erhaͤlt; von einer Sonne,
die den Planeten zugleich mit ſeinem Trabanten ſchwebend

M 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0193" n="179"/>
das heißt: wie oben erla&#x0364;utert, wenn die Per&#x017F;on &#x017F;ich unter<lb/>
die Bothma&#x0364;ßigkeit der Sache erga&#x0364;be. Es wu&#x0364;rde &#x017F;ich das<lb/>
Verha&#x0364;ltniß einer heidni&#x017F;chen und tu&#x0364;rki&#x017F;chen Wech&#x017F;el&#x017F;claverey<lb/>
ergeben, und die&#x017F;er Grundirrthum wu&#x0364;rde &#x017F;ich allen Einrich-<lb/>
tungen der bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft mittheilen: man wu&#x0364;rde<lb/>
die Ueberzeugung allgemein werden &#x017F;ehen, daß die ganze<lb/>
Staatsverbindung keinen andern Zweck habe, als die Sicher-<lb/>
heit der Sache, die Erhaltung des ab&#x017F;oluten Privateigen-<lb/>
thums; an die Stelle eines lebendigen Gewerbes unverga&#x0364;ng-<lb/>
licher Kra&#x0364;fte, wu&#x0364;rde ein todtes Zwangs- und Kettenwe&#x017F;en<lb/>
treten; alles wu&#x0364;rde zur Sache werden, und das Per&#x017F;o&#x0364;nliche,<lb/>
ver&#x017F;cheucht aus den Wohnungen der Men&#x017F;chen, wu&#x0364;rde wie<lb/>
heidni&#x017F;ches Fatum, wie tu&#x0364;rki&#x017F;che Pra&#x0364;de&#x017F;tination un&#x017F;ichtbar<lb/>
und tu&#x0364;cki&#x017F;ch u&#x0364;ber den men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;cha&#x0364;ften walten.</p><lb/>
          <p>Wenn man erwa&#x0364;gt, daß die&#x017F;es wirklich die Richtung un-<lb/>
&#x017F;erer Zeit i&#x017F;t, und, daß wir darin wirklich mit denen, die &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
fu&#x0364;r die Erbfeinde der europa&#x0364;i&#x017F;chen chri&#x017F;tlichen Staatenverbin-<lb/>
dung gehalten wurden, u&#x0364;berein&#x017F;timmen; wenn man in allen<lb/>
andern Bu&#x0364;chern der Ge&#x017F;chichte vergebens nach einer Zeit<lb/>
&#x017F;ucht, wo die&#x017F;es Mutterverha&#x0364;ltniß aller u&#x0364;brigen men&#x017F;chlichen<lb/>
Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e als wahre Wech&#x017F;elwirkung behandelt worden wa&#x0364;re,<lb/>
wenn man u&#x0364;berall nur eine rohere oder a&#x0364;ußerlich verfeinerte Wech-<lb/>
&#x017F;el&#x017F;claverey findet, &#x017F;o muß man wohl eine Vorliebe fu&#x0364;r das<lb/>
Mittelalter empfinden. Dort allein i&#x017F;t von einer Vereinigung<lb/>
der Per&#x017F;on und der Sache um eines Ho&#x0364;heren Willen; von<lb/>
einem irrdi&#x017F;chen Eigenthum, das &#x017F;einen ganzen Werth von<lb/>
einem ho&#x0364;heren gei&#x017F;tigen Eigenthum erha&#x0364;lt; von einer Sonne,<lb/>
die den Planeten zugleich mit &#x017F;einem Trabanten &#x017F;chwebend<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0193] das heißt: wie oben erlaͤutert, wenn die Perſon ſich unter die Bothmaͤßigkeit der Sache ergaͤbe. Es wuͤrde ſich das Verhaͤltniß einer heidniſchen und tuͤrkiſchen Wechſelſclaverey ergeben, und dieſer Grundirrthum wuͤrde ſich allen Einrich- tungen der buͤrgerlichen Geſellſchaft mittheilen: man wuͤrde die Ueberzeugung allgemein werden ſehen, daß die ganze Staatsverbindung keinen andern Zweck habe, als die Sicher- heit der Sache, die Erhaltung des abſoluten Privateigen- thums; an die Stelle eines lebendigen Gewerbes unvergaͤng- licher Kraͤfte, wuͤrde ein todtes Zwangs- und Kettenweſen treten; alles wuͤrde zur Sache werden, und das Perſoͤnliche, verſcheucht aus den Wohnungen der Menſchen, wuͤrde wie heidniſches Fatum, wie tuͤrkiſche Praͤdeſtination unſichtbar und tuͤckiſch uͤber den menſchlichen Geſchaͤften walten. Wenn man erwaͤgt, daß dieſes wirklich die Richtung un- ſerer Zeit iſt, und, daß wir darin wirklich mit denen, die ſonſt fuͤr die Erbfeinde der europaͤiſchen chriſtlichen Staatenverbin- dung gehalten wurden, uͤbereinſtimmen; wenn man in allen andern Buͤchern der Geſchichte vergebens nach einer Zeit ſucht, wo dieſes Mutterverhaͤltniß aller uͤbrigen menſchlichen Verhaͤltniſſe als wahre Wechſelwirkung behandelt worden waͤre, wenn man uͤberall nur eine rohere oder aͤußerlich verfeinerte Wech- ſelſclaverey findet, ſo muß man wohl eine Vorliebe fuͤr das Mittelalter empfinden. Dort allein iſt von einer Vereinigung der Perſon und der Sache um eines Hoͤheren Willen; von einem irrdiſchen Eigenthum, das ſeinen ganzen Werth von einem hoͤheren geiſtigen Eigenthum erhaͤlt; von einer Sonne, die den Planeten zugleich mit ſeinem Trabanten ſchwebend M 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/193
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/193>, abgerufen am 28.03.2024.