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Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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des geselligen Lebens zu sein pflegt, sich unter ihnen zu einer gespannten Reizbarkeit, welche den Widerspruch oft nur um des Widerspruchs willen herausforderte und den Genuß des Friedens durch lauernde Wachsamkeit auf den nahen Gegner vergällte. Arthur, dem der Marquis an gelehrter Bildung und rednerischer Fertigkeit nicht gewachsen war, ließ diesen seine Uebermacht ohne Schonung empfinden, und der Andre stützte sich mit gleichem Trotze auf seine Erfahrung und Weltkenntniß und betrachtete die junge Weisheit seines Gegners als einen leeren Dunst der modernen Philosophie. Diese haßte er aber von ganzem Herzen, als eine Amme der Revolution, und schob Alles in dieselbe hinein, was den Lehren widersprach, die er als geborener Royalist und Aristokrat schon mit der Muttermilch eingesogen hatte. Das Gold aus dem Zeitalter Ludwig's des vierzehnten galt ihm für das einzig echte und gediegene in dem Reiche des Wahren und Schönen. Arthur dagegen, der überspannteste Verehrer des neuesten Geschmacks, nannte jenes Gold gelbe Zahlpfennige und vergötterte Namen, welche dem Marquis bis auf ihren Klang fremd waren. Wie hätten zwei Gegner dieser Art sich jemals verständigen können?

Nachdem unsre Reisenden die Grenzen Italiens berührt hatten, kam zwischen ihnen ein neuer Punkt zur Sprache, welcher hitzigere Kämpfe erregte, als die bisherigen gewesen waren. Sie galten dem Katholi-

des geselligen Lebens zu sein pflegt, sich unter ihnen zu einer gespannten Reizbarkeit, welche den Widerspruch oft nur um des Widerspruchs willen herausforderte und den Genuß des Friedens durch lauernde Wachsamkeit auf den nahen Gegner vergällte. Arthur, dem der Marquis an gelehrter Bildung und rednerischer Fertigkeit nicht gewachsen war, ließ diesen seine Uebermacht ohne Schonung empfinden, und der Andre stützte sich mit gleichem Trotze auf seine Erfahrung und Weltkenntniß und betrachtete die junge Weisheit seines Gegners als einen leeren Dunst der modernen Philosophie. Diese haßte er aber von ganzem Herzen, als eine Amme der Revolution, und schob Alles in dieselbe hinein, was den Lehren widersprach, die er als geborener Royalist und Aristokrat schon mit der Muttermilch eingesogen hatte. Das Gold aus dem Zeitalter Ludwig's des vierzehnten galt ihm für das einzig echte und gediegene in dem Reiche des Wahren und Schönen. Arthur dagegen, der überspannteste Verehrer des neuesten Geschmacks, nannte jenes Gold gelbe Zahlpfennige und vergötterte Namen, welche dem Marquis bis auf ihren Klang fremd waren. Wie hätten zwei Gegner dieser Art sich jemals verständigen können?

Nachdem unsre Reisenden die Grenzen Italiens berührt hatten, kam zwischen ihnen ein neuer Punkt zur Sprache, welcher hitzigere Kämpfe erregte, als die bisherigen gewesen waren. Sie galten dem Katholi-

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[0046] des geselligen Lebens zu sein pflegt, sich unter ihnen zu einer gespannten Reizbarkeit, welche den Widerspruch oft nur um des Widerspruchs willen herausforderte und den Genuß des Friedens durch lauernde Wachsamkeit auf den nahen Gegner vergällte. Arthur, dem der Marquis an gelehrter Bildung und rednerischer Fertigkeit nicht gewachsen war, ließ diesen seine Uebermacht ohne Schonung empfinden, und der Andre stützte sich mit gleichem Trotze auf seine Erfahrung und Weltkenntniß und betrachtete die junge Weisheit seines Gegners als einen leeren Dunst der modernen Philosophie. Diese haßte er aber von ganzem Herzen, als eine Amme der Revolution, und schob Alles in dieselbe hinein, was den Lehren widersprach, die er als geborener Royalist und Aristokrat schon mit der Muttermilch eingesogen hatte. Das Gold aus dem Zeitalter Ludwig's des vierzehnten galt ihm für das einzig echte und gediegene in dem Reiche des Wahren und Schönen. Arthur dagegen, der überspannteste Verehrer des neuesten Geschmacks, nannte jenes Gold gelbe Zahlpfennige und vergötterte Namen, welche dem Marquis bis auf ihren Klang fremd waren. Wie hätten zwei Gegner dieser Art sich jemals verständigen können? Nachdem unsre Reisenden die Grenzen Italiens berührt hatten, kam zwischen ihnen ein neuer Punkt zur Sprache, welcher hitzigere Kämpfe erregte, als die bisherigen gewesen waren. Sie galten dem Katholi-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

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Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/46>, abgerufen am 29.03.2024.