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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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knüpft, und Anton Reisers Streben, er mochte
Verse oder Prosa niederschreiben, ging unab¬
lässig dahin, sich den Beifall seines Freundes zu
erwerben. --

Damals ereignete sich nun ein Vorfall, der
Anton Reisers Herzen eben nicht viel Ehre zu ma¬
chen scheint, ob er gleichwohl in der Natur der
menschlichen Seele gegründet ist. --

Der Sohn des Pastor M. . ., welcher wäh¬
rend der Zeit die Universität bezogen hatte, und
von dort schwindsüchtig wieder zurückgekommen
war, wurde, nachdem man alle möglichen Mittel
vergeblich angewandt, von den Aerzten aufgege¬
ben, die in diesem Frühjahr seinen Tod als gewiß
prophezeyten; und Reisers erste Gedanken, da er
diß hörte, waren, wie er auf diesen Vorfall ein
Gedicht machen wollte, das ihm Ruhm und
Beifall und auch vielleicht die Gunst des Pastor
M. . . wieder zuwege brächte. Kurz, er hatte
das Gedicht schon acht Tage vorher ange¬
fangen, ehe der junge M. . . starb
. --

Statt nun, daß er diß Gedicht hätte machen
sollen, weil er über diesen Vorfall betrübt war,

knuͤpft, und Anton Reiſers Streben, er mochte
Verſe oder Proſa niederſchreiben, ging unab¬
laͤſſig dahin, ſich den Beifall ſeines Freundes zu
erwerben. —

Damals ereignete ſich nun ein Vorfall, der
Anton Reiſers Herzen eben nicht viel Ehre zu ma¬
chen ſcheint, ob er gleichwohl in der Natur der
menſchlichen Seele gegruͤndet iſt. —

Der Sohn des Paſtor M. . ., welcher waͤh¬
rend der Zeit die Univerſitaͤt bezogen hatte, und
von dort ſchwindſuͤchtig wieder zuruͤckgekommen
war, wurde, nachdem man alle moͤglichen Mittel
vergeblich angewandt, von den Aerzten aufgege¬
ben, die in dieſem Fruͤhjahr ſeinen Tod als gewiß
prophezeyten; und Reiſers erſte Gedanken, da er
diß hoͤrte, waren, wie er auf dieſen Vorfall ein
Gedicht machen wollte, das ihm Ruhm und
Beifall und auch vielleicht die Gunſt des Paſtor
M. . . wieder zuwege braͤchte. Kurz, er hatte
das Gedicht ſchon acht Tage vorher ange¬
fangen, ehe der junge M. . . ſtarb
. —

Statt nun, daß er diß Gedicht haͤtte machen
ſollen, weil er uͤber dieſen Vorfall betruͤbt war,

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[79/0089] knuͤpft, und Anton Reiſers Streben, er mochte Verſe oder Proſa niederſchreiben, ging unab¬ laͤſſig dahin, ſich den Beifall ſeines Freundes zu erwerben. — Damals ereignete ſich nun ein Vorfall, der Anton Reiſers Herzen eben nicht viel Ehre zu ma¬ chen ſcheint, ob er gleichwohl in der Natur der menſchlichen Seele gegruͤndet iſt. — Der Sohn des Paſtor M. . ., welcher waͤh¬ rend der Zeit die Univerſitaͤt bezogen hatte, und von dort ſchwindſuͤchtig wieder zuruͤckgekommen war, wurde, nachdem man alle moͤglichen Mittel vergeblich angewandt, von den Aerzten aufgege¬ ben, die in dieſem Fruͤhjahr ſeinen Tod als gewiß prophezeyten; und Reiſers erſte Gedanken, da er diß hoͤrte, waren, wie er auf dieſen Vorfall ein Gedicht machen wollte, das ihm Ruhm und Beifall und auch vielleicht die Gunſt des Paſtor M. . . wieder zuwege braͤchte. Kurz, er hatte das Gedicht ſchon acht Tage vorher ange¬ fangen, ehe der junge M. . . ſtarb. — Statt nun, daß er diß Gedicht haͤtte machen ſollen, weil er uͤber dieſen Vorfall betruͤbt war,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/89>, abgerufen am 20.04.2024.