Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

alles, was sie sagten, nur ein Wort vorzubrin¬
gen. -- Da nun ihr Witz freien Spielraum
fand, so war des Witzelns kein Ende -- und da
nun überdem ein paar Offiziere in der Nähe
standen, die dem Gespräch zuhörten, so konnte
Reiser nicht länger ausdauern -- er schlich sich
vom Tische weg, bezahlte dem Wirth, was er
für seinen Theil schuldig war -- und eilte so
schnell er konnte fort -- und sobald er nun allein
war, brach er aufs neue in laute Verwünschun¬
gen über sich und sein Schicksal aus. -- Er
spottete über sich selbst, weil er sich zum Spott
und zur Verachtung gebohren glaubte. --

Woher kam es denn auch, daß er zum Spott
der Welt gleichsam an der Stirne gebrandtmarkt
war? -- was hastete denn für ein Mal des Lä¬
cherlichen an ihm, das durch nichts konnte aus¬
gelöscht werden? -- das ihn jetzt, da er doch
von seinen Mitschülern geachtet war, aufs
neue wieder in einer bösen Stunde ihrem Ge¬
lächter Preis gab? --

Es war die unverantwortliche Seelenläh¬
mung durch das zurücksetzende Betragen seiner

alles, was ſie ſagten, nur ein Wort vorzubrin¬
gen. — Da nun ihr Witz freien Spielraum
fand, ſo war des Witzelns kein Ende — und da
nun uͤberdem ein paar Offiziere in der Naͤhe
ſtanden, die dem Geſpraͤch zuhoͤrten, ſo konnte
Reiſer nicht laͤnger ausdauern — er ſchlich ſich
vom Tiſche weg, bezahlte dem Wirth, was er
fuͤr ſeinen Theil ſchuldig war — und eilte ſo
ſchnell er konnte fort — und ſobald er nun allein
war, brach er aufs neue in laute Verwuͤnſchun¬
gen uͤber ſich und ſein Schickſal aus. — Er
ſpottete uͤber ſich ſelbſt, weil er ſich zum Spott
und zur Verachtung gebohren glaubte. —

Woher kam es denn auch, daß er zum Spott
der Welt gleichſam an der Stirne gebrandtmarkt
war? — was haſtete denn fuͤr ein Mal des Laͤ¬
cherlichen an ihm, das durch nichts konnte aus¬
geloͤſcht werden? — das ihn jetzt, da er doch
von ſeinen Mitſchuͤlern geachtet war, aufs
neue wieder in einer boͤſen Stunde ihrem Ge¬
laͤchter Preis gab? —

Es war die unverantwortliche Seelenlaͤh¬
mung durch das zuruͤckſetzende Betragen ſeiner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0234" n="224"/>
alles, was &#x017F;ie &#x017F;agten, nur ein Wort vorzubrin¬<lb/>
gen. &#x2014; Da nun ihr Witz freien Spielraum<lb/>
fand, &#x017F;o war des Witzelns kein Ende &#x2014; und da<lb/>
nun u&#x0364;berdem ein paar Offiziere in der Na&#x0364;he<lb/>
&#x017F;tanden, die dem Ge&#x017F;pra&#x0364;ch zuho&#x0364;rten, &#x017F;o konnte<lb/>
Rei&#x017F;er nicht la&#x0364;nger ausdauern &#x2014; er &#x017F;chlich &#x017F;ich<lb/>
vom Ti&#x017F;che weg, bezahlte dem Wirth, was er<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;einen Theil &#x017F;chuldig war &#x2014; und eilte &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chnell er konnte fort &#x2014; und &#x017F;obald er nun allein<lb/>
war, brach er aufs neue in laute Verwu&#x0364;n&#x017F;chun¬<lb/>
gen u&#x0364;ber &#x017F;ich und &#x017F;ein Schick&#x017F;al aus. &#x2014; Er<lb/>
&#x017F;pottete u&#x0364;ber &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, weil er &#x017F;ich zum Spott<lb/>
und zur Verachtung gebohren glaubte. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Woher kam es denn auch, daß er zum Spott<lb/>
der Welt gleich&#x017F;am an der Stirne gebrandtmarkt<lb/>
war? &#x2014; was ha&#x017F;tete denn fu&#x0364;r ein Mal des La&#x0364;¬<lb/>
cherlichen an ihm, das durch nichts konnte aus¬<lb/>
gelo&#x0364;&#x017F;cht werden? &#x2014; das ihn jetzt, da er doch<lb/>
von &#x017F;einen Mit&#x017F;chu&#x0364;lern geachtet war, aufs<lb/>
neue wieder in einer bo&#x0364;&#x017F;en Stunde ihrem Ge¬<lb/>
la&#x0364;chter Preis gab? &#x2014;</p><lb/>
      <p>Es war die unverantwortliche Seelenla&#x0364;<lb/>
mung durch das zuru&#x0364;ck&#x017F;etzende Betragen &#x017F;einer<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0234] alles, was ſie ſagten, nur ein Wort vorzubrin¬ gen. — Da nun ihr Witz freien Spielraum fand, ſo war des Witzelns kein Ende — und da nun uͤberdem ein paar Offiziere in der Naͤhe ſtanden, die dem Geſpraͤch zuhoͤrten, ſo konnte Reiſer nicht laͤnger ausdauern — er ſchlich ſich vom Tiſche weg, bezahlte dem Wirth, was er fuͤr ſeinen Theil ſchuldig war — und eilte ſo ſchnell er konnte fort — und ſobald er nun allein war, brach er aufs neue in laute Verwuͤnſchun¬ gen uͤber ſich und ſein Schickſal aus. — Er ſpottete uͤber ſich ſelbſt, weil er ſich zum Spott und zur Verachtung gebohren glaubte. — Woher kam es denn auch, daß er zum Spott der Welt gleichſam an der Stirne gebrandtmarkt war? — was haſtete denn fuͤr ein Mal des Laͤ¬ cherlichen an ihm, das durch nichts konnte aus¬ geloͤſcht werden? — das ihn jetzt, da er doch von ſeinen Mitſchuͤlern geachtet war, aufs neue wieder in einer boͤſen Stunde ihrem Ge¬ laͤchter Preis gab? — Es war die unverantwortliche Seelenlaͤh¬ mung durch das zuruͤckſetzende Betragen ſeiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/234
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/234>, abgerufen am 23.04.2024.