Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

nen Theil. -- Anton Reiser war seit seiner Ver¬
bindung mit der dramatischen Gesellschaft selten
zu ihm gekommen -- jetzt da es ihm so wenig
nach Wunsch ging, besuchte er ihn wieder öfter,
hing bei ihm seiner Schwermuth nach, ohne ihm
doch den eigentlichen Grund davon zu sagen --
denn er wollte sich gegen sich selbst nicht einmal
recht merken lassen, daß seine Schwermuth bloß
davon herrührte, weil er die Rolle des Klavigo
nicht erhalten hatte, sondern er wollte sich lie¬
ber überreden, daß dieselbe eine Folge von sei¬
ner Betrachtung des menschlichen Lebens über¬
haupt sey. --

Indes wurde ihm von der Zeit an, daß er
die Rolle des Klavigo nicht erhielt, sein Aufent¬
halt in H. . . lästig, er fing von der Zeit an, un¬
stet und flüchtig zu werden. -- Sein Jahrelanger
sehnlichster Wunsch mußte in Erfüllung gebracht
werden, mochte es auch nun seyn, wo es wollte
-- er mußte irgendwo alles das wirklich ma¬
chen, was bis jetzt durch eine so lang anhaltende
Komödienlektüre, und seinen schon so lange fort¬
daurenden Hang zum Theater, in seiner Phan¬
tasie reif geworden war. --

nen Theil. — Anton Reiſer war ſeit ſeiner Ver¬
bindung mit der dramatiſchen Geſellſchaft ſelten
zu ihm gekommen — jetzt da es ihm ſo wenig
nach Wunſch ging, beſuchte er ihn wieder oͤfter,
hing bei ihm ſeiner Schwermuth nach, ohne ihm
doch den eigentlichen Grund davon zu ſagen —
denn er wollte ſich gegen ſich ſelbſt nicht einmal
recht merken laſſen, daß ſeine Schwermuth bloß
davon herruͤhrte, weil er die Rolle des Klavigo
nicht erhalten hatte, ſondern er wollte ſich lie¬
ber uͤberreden, daß dieſelbe eine Folge von ſei¬
ner Betrachtung des menſchlichen Lebens uͤber¬
haupt ſey. —

Indes wurde ihm von der Zeit an, daß er
die Rolle des Klavigo nicht erhielt, ſein Aufent¬
halt in H. . . laͤſtig, er fing von der Zeit an, un¬
ſtet und fluͤchtig zu werden. — Sein Jahrelanger
ſehnlichſter Wunſch mußte in Erfuͤllung gebracht
werden, mochte es auch nun ſeyn, wo es wollte
— er mußte irgendwo alles das wirklich ma¬
chen, was bis jetzt durch eine ſo lang anhaltende
Komoͤdienlektuͤre, und ſeinen ſchon ſo lange fort¬
daurenden Hang zum Theater, in ſeiner Phan¬
taſie reif geworden war. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0217" n="207"/>
nen Theil. &#x2014; Anton Rei&#x017F;er war &#x017F;eit &#x017F;einer Ver¬<lb/>
bindung mit der dramati&#x017F;chen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;elten<lb/>
zu ihm gekommen &#x2014; jetzt da es ihm &#x017F;o wenig<lb/>
nach Wun&#x017F;ch ging, be&#x017F;uchte er ihn wieder o&#x0364;fter,<lb/>
hing bei ihm &#x017F;einer Schwermuth nach, ohne ihm<lb/>
doch den eigentlichen Grund davon zu &#x017F;agen &#x2014;<lb/>
denn er wollte &#x017F;ich gegen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht einmal<lb/>
recht merken la&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;eine Schwermuth bloß<lb/>
davon herru&#x0364;hrte, weil er die Rolle des Klavigo<lb/>
nicht erhalten hatte, &#x017F;ondern er wollte &#x017F;ich lie¬<lb/>
ber u&#x0364;berreden, daß die&#x017F;elbe eine Folge von &#x017F;ei¬<lb/>
ner Betrachtung des men&#x017F;chlichen Lebens u&#x0364;ber¬<lb/>
haupt &#x017F;ey. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Indes wurde ihm von der Zeit an, daß er<lb/>
die Rolle des Klavigo nicht erhielt, &#x017F;ein Aufent¬<lb/>
halt in H. . . la&#x0364;&#x017F;tig, er fing von der Zeit an, un¬<lb/>
&#x017F;tet und flu&#x0364;chtig zu werden. &#x2014; Sein Jahrelanger<lb/>
&#x017F;ehnlich&#x017F;ter Wun&#x017F;ch mußte in Erfu&#x0364;llung gebracht<lb/>
werden, mochte es auch nun &#x017F;eyn, wo es wollte<lb/>
&#x2014; er mußte irgendwo alles das wirklich ma¬<lb/>
chen, was bis jetzt durch eine &#x017F;o lang anhaltende<lb/>
Komo&#x0364;dienlektu&#x0364;re, und &#x017F;einen &#x017F;chon &#x017F;o lange fort¬<lb/>
daurenden Hang zum Theater, in &#x017F;einer Phan¬<lb/>
ta&#x017F;ie reif geworden war. &#x2014;</p><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0217] nen Theil. — Anton Reiſer war ſeit ſeiner Ver¬ bindung mit der dramatiſchen Geſellſchaft ſelten zu ihm gekommen — jetzt da es ihm ſo wenig nach Wunſch ging, beſuchte er ihn wieder oͤfter, hing bei ihm ſeiner Schwermuth nach, ohne ihm doch den eigentlichen Grund davon zu ſagen — denn er wollte ſich gegen ſich ſelbſt nicht einmal recht merken laſſen, daß ſeine Schwermuth bloß davon herruͤhrte, weil er die Rolle des Klavigo nicht erhalten hatte, ſondern er wollte ſich lie¬ ber uͤberreden, daß dieſelbe eine Folge von ſei¬ ner Betrachtung des menſchlichen Lebens uͤber¬ haupt ſey. — Indes wurde ihm von der Zeit an, daß er die Rolle des Klavigo nicht erhielt, ſein Aufent¬ halt in H. . . laͤſtig, er fing von der Zeit an, un¬ ſtet und fluͤchtig zu werden. — Sein Jahrelanger ſehnlichſter Wunſch mußte in Erfuͤllung gebracht werden, mochte es auch nun ſeyn, wo es wollte — er mußte irgendwo alles das wirklich ma¬ chen, was bis jetzt durch eine ſo lang anhaltende Komoͤdienlektuͤre, und ſeinen ſchon ſo lange fort¬ daurenden Hang zum Theater, in ſeiner Phan¬ taſie reif geworden war. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/217
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/217>, abgerufen am 29.03.2024.