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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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Schon in seinem neunten Jahre, da er in
die Schreibschule ging, hatte er sich mit einem
seiner Mitschüler vorgenommen, daß sie zusam¬
men ein Buch schreiben wollten -- und beide
schmeichelten sich schon damals mit der Idee,
wie ihnen dieß zum ewigen Ruhme gereichen
würde. -- Der Knabe, welcher damals den
Entwurf zu dem Buche mit ihm machte, das
ihre beiderseitigen Lebensgeschichten enthalten soll¬
te, war ein sehr guter Kopf, der sich aber nach¬
her durch einen übertriebenen Fleiß zu Grunde
richtete, und im siebzehnten Jahre starb. --

Mit diesem spielte er auch schon damals zu¬
weilen, ehe die Stunde anging, und wenn der
Lehrer noch nicht da war, Komödie, und fand
immer in dieser Art von Belustigung ein unbe¬
schreibliches Vergnügen -- ob er gleich damals
noch gar keine Komödie gesehen, sondern nur
aus Erzählungen andrer einen ganz dunklen Be¬
griff davon hatte. -- Was aber die Verferti¬
gung des Buchs anbetraf, so war ihm das da¬
mals schon eine so erhabene Idee -- ein Buch
war ihm eine so heilige und wichtige Sache,
deren Hervorbringung er kaum einem Sterb¬

Schon in ſeinem neunten Jahre, da er in
die Schreibſchule ging, hatte er ſich mit einem
ſeiner Mitſchuͤler vorgenommen, daß ſie zuſam¬
men ein Buch ſchreiben wollten — und beide
ſchmeichelten ſich ſchon damals mit der Idee,
wie ihnen dieß zum ewigen Ruhme gereichen
wuͤrde. — Der Knabe, welcher damals den
Entwurf zu dem Buche mit ihm machte, das
ihre beiderſeitigen Lebensgeſchichten enthalten ſoll¬
te, war ein ſehr guter Kopf, der ſich aber nach¬
her durch einen uͤbertriebenen Fleiß zu Grunde
richtete, und im ſiebzehnten Jahre ſtarb. —

Mit dieſem ſpielte er auch ſchon damals zu¬
weilen, ehe die Stunde anging, und wenn der
Lehrer noch nicht da war, Komoͤdie, und fand
immer in dieſer Art von Beluſtigung ein unbe¬
ſchreibliches Vergnuͤgen — ob er gleich damals
noch gar keine Komoͤdie geſehen, ſondern nur
aus Erzaͤhlungen andrer einen ganz dunklen Be¬
griff davon hatte. — Was aber die Verferti¬
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war ihm eine ſo heilige und wichtige Sache,
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[191/0201] Schon in ſeinem neunten Jahre, da er in die Schreibſchule ging, hatte er ſich mit einem ſeiner Mitſchuͤler vorgenommen, daß ſie zuſam¬ men ein Buch ſchreiben wollten — und beide ſchmeichelten ſich ſchon damals mit der Idee, wie ihnen dieß zum ewigen Ruhme gereichen wuͤrde. — Der Knabe, welcher damals den Entwurf zu dem Buche mit ihm machte, das ihre beiderſeitigen Lebensgeſchichten enthalten ſoll¬ te, war ein ſehr guter Kopf, der ſich aber nach¬ her durch einen uͤbertriebenen Fleiß zu Grunde richtete, und im ſiebzehnten Jahre ſtarb. — Mit dieſem ſpielte er auch ſchon damals zu¬ weilen, ehe die Stunde anging, und wenn der Lehrer noch nicht da war, Komoͤdie, und fand immer in dieſer Art von Beluſtigung ein unbe¬ ſchreibliches Vergnuͤgen — ob er gleich damals noch gar keine Komoͤdie geſehen, ſondern nur aus Erzaͤhlungen andrer einen ganz dunklen Be¬ griff davon hatte. — Was aber die Verferti¬ gung des Buchs anbetraf, ſo war ihm das da¬ mals ſchon eine ſo erhabene Idee — ein Buch war ihm eine ſo heilige und wichtige Sache, deren Hervorbringung er kaum einem Sterb¬

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/201>, abgerufen am 25.04.2024.