Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

Hunger, Durst und Müdigkeit überfielen ihn
zugleich mit dem Gedanken, daß er hier auf dem
öden Felde fremd, ohne Geld, und gleichsam von
aller Welt verlassen war -- er suchte sich einige
Brodkrumen aus der Tasche zusammen -- und
fand bei dieser Gelegenheit noch zwei sogenannte
Bremergroten, wovon jeder ohngefähr vier
Pfennige beträgt. --

Dieß war ihm unter den Umständen so lieb,
als hätte er einen Schatz gefunden; er rafte alle
seine übrigen Kräfte zusammen, um bald nach
dem nächsten Dorfe zu kommen, wo er sich für
den einen Groten ein wenig Bier geben ließ,
das ihm nun eine ganz ungehoffte Erquickung
war, denn er hatte sich einmal darauf gefaßt
gemacht, die sechs Meilen bis Bremen nüchtern
zurückzulegen. --

Der Trunk Bier flößte ihm wieder neuen
Muth ein, so wie das Vierpfennigstück, das er
doch nun noch in der Tasche hatte. --

Freilich stellte sich auch der Hunger wieder
ein, aber er suchte ihn zu überwinden, und blieb
resignirt. -- Ein armer Handwerksbursch ge¬
sellte sich unterwegens zu ihm, der in jedem Dorfe

L 3

Hunger, Durſt und Muͤdigkeit uͤberfielen ihn
zugleich mit dem Gedanken, daß er hier auf dem
oͤden Felde fremd, ohne Geld, und gleichſam von
aller Welt verlaſſen war — er ſuchte ſich einige
Brodkrumen aus der Taſche zuſammen — und
fand bei dieſer Gelegenheit noch zwei ſogenannte
Bremergroten, wovon jeder ohngefaͤhr vier
Pfennige betraͤgt. —

Dieß war ihm unter den Umſtaͤnden ſo lieb,
als haͤtte er einen Schatz gefunden; er rafte alle
ſeine uͤbrigen Kraͤfte zuſammen, um bald nach
dem naͤchſten Dorfe zu kommen, wo er ſich fuͤr
den einen Groten ein wenig Bier geben ließ,
das ihm nun eine ganz ungehoffte Erquickung
war, denn er hatte ſich einmal darauf gefaßt
gemacht, die ſechs Meilen bis Bremen nuͤchtern
zuruͤckzulegen. —

Der Trunk Bier floͤßte ihm wieder neuen
Muth ein, ſo wie das Vierpfennigſtuͤck, das er
doch nun noch in der Taſche hatte. —

Freilich ſtellte ſich auch der Hunger wieder
ein, aber er ſuchte ihn zu uͤberwinden, und blieb
reſignirt. — Ein armer Handwerksburſch ge¬
ſellte ſich unterwegens zu ihm, der in jedem Dorfe

L 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0175" n="165"/>
      <p>Hunger, Dur&#x017F;t und Mu&#x0364;digkeit u&#x0364;berfielen ihn<lb/>
zugleich mit dem Gedanken, daß er hier auf dem<lb/>
o&#x0364;den Felde fremd, ohne Geld, und gleich&#x017F;am von<lb/>
aller Welt verla&#x017F;&#x017F;en war &#x2014; er &#x017F;uchte &#x017F;ich einige<lb/>
Brodkrumen aus der Ta&#x017F;che zu&#x017F;ammen &#x2014; und<lb/>
fand bei die&#x017F;er Gelegenheit noch zwei &#x017F;ogenannte<lb/>
Bremergroten, wovon jeder ohngefa&#x0364;hr vier<lb/>
Pfennige betra&#x0364;gt. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Dieß war ihm unter den Um&#x017F;ta&#x0364;nden &#x017F;o lieb,<lb/>
als ha&#x0364;tte er einen Schatz gefunden; er rafte alle<lb/>
&#x017F;eine u&#x0364;brigen Kra&#x0364;fte zu&#x017F;ammen, um bald nach<lb/>
dem na&#x0364;ch&#x017F;ten Dorfe zu kommen, wo er &#x017F;ich fu&#x0364;r<lb/>
den einen Groten ein wenig Bier geben ließ,<lb/>
das ihm nun eine ganz ungehoffte Erquickung<lb/>
war, denn er hatte &#x017F;ich einmal darauf gefaßt<lb/>
gemacht, die &#x017F;echs Meilen bis Bremen nu&#x0364;chtern<lb/>
zuru&#x0364;ckzulegen. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Der Trunk Bier flo&#x0364;ßte ihm wieder neuen<lb/>
Muth ein, &#x017F;o wie das Vierpfennig&#x017F;tu&#x0364;ck, das er<lb/>
doch nun noch in der Ta&#x017F;che hatte. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Freilich &#x017F;tellte &#x017F;ich auch der Hunger wieder<lb/>
ein, aber er &#x017F;uchte ihn zu u&#x0364;berwinden, und blieb<lb/>
re&#x017F;ignirt. &#x2014; Ein armer Handwerksbur&#x017F;ch ge¬<lb/>
&#x017F;ellte &#x017F;ich unterwegens zu ihm, der in jedem Dorfe<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L 3<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0175] Hunger, Durſt und Muͤdigkeit uͤberfielen ihn zugleich mit dem Gedanken, daß er hier auf dem oͤden Felde fremd, ohne Geld, und gleichſam von aller Welt verlaſſen war — er ſuchte ſich einige Brodkrumen aus der Taſche zuſammen — und fand bei dieſer Gelegenheit noch zwei ſogenannte Bremergroten, wovon jeder ohngefaͤhr vier Pfennige betraͤgt. — Dieß war ihm unter den Umſtaͤnden ſo lieb, als haͤtte er einen Schatz gefunden; er rafte alle ſeine uͤbrigen Kraͤfte zuſammen, um bald nach dem naͤchſten Dorfe zu kommen, wo er ſich fuͤr den einen Groten ein wenig Bier geben ließ, das ihm nun eine ganz ungehoffte Erquickung war, denn er hatte ſich einmal darauf gefaßt gemacht, die ſechs Meilen bis Bremen nuͤchtern zuruͤckzulegen. — Der Trunk Bier floͤßte ihm wieder neuen Muth ein, ſo wie das Vierpfennigſtuͤck, das er doch nun noch in der Taſche hatte. — Freilich ſtellte ſich auch der Hunger wieder ein, aber er ſuchte ihn zu uͤberwinden, und blieb reſignirt. — Ein armer Handwerksburſch ge¬ ſellte ſich unterwegens zu ihm, der in jedem Dorfe L 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/175
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/175>, abgerufen am 28.03.2024.