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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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und kehrte am Abend mit ihnen in die Herberge
ein. --

Von da wollte er den andern Morgen mit
einem andern Schiffe weiter bis an die Seeküste
fahren, er sah schon in Gedanken die ungeheuren
Wasserfluthen vor sich, und seine Einbildungs¬
kraft war gerade bis auf den höchsten Grad ge¬
spannt, da ihm plötzlich eine Sache einfiel, die
er die ganze Reise über noch nicht reiflich erwo¬
gen hatte, ob nehmlich auch seine Börse zureichen
würde -- und wie erschrack er, da er sich von
dem Schiffer seine Rechnung machen ließ, und
nachdem er sie bezahlt hatte, nur noch wenige
Groschen übrig behielt. --

Er getraute sich nun den Abend nicht, zu
essen, sondern gab Kopfweh vor, und ließ sich
sogleich sein Bette zeigen -- hier machte er fast
die halbe Nacht Entwürfe, wie er nun mit Ehren
aus diesem Gasthofe kommen sollte, wenn etwa
seine Zeche mehr betrüge, als die wenigen Gro¬
schen, die er noch übrig hatte. --

Da er sich nun am andern Morgen erkun¬
digte, wie viel er bezahlen müsse, so langten zu¬
fälligerweise die wenigen Groschen, die er noch

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und kehrte am Abend mit ihnen in die Herberge
ein. —

Von da wollte er den andern Morgen mit
einem andern Schiffe weiter bis an die Seekuͤſte
fahren, er ſah ſchon in Gedanken die ungeheuren
Waſſerfluthen vor ſich, und ſeine Einbildungs¬
kraft war gerade bis auf den hoͤchſten Grad ge¬
ſpannt, da ihm ploͤtzlich eine Sache einfiel, die
er die ganze Reiſe uͤber noch nicht reiflich erwo¬
gen hatte, ob nehmlich auch ſeine Boͤrſe zureichen
wuͤrde — und wie erſchrack er, da er ſich von
dem Schiffer ſeine Rechnung machen ließ, und
nachdem er ſie bezahlt hatte, nur noch wenige
Groſchen uͤbrig behielt. —

Er getraute ſich nun den Abend nicht, zu
eſſen, ſondern gab Kopfweh vor, und ließ ſich
ſogleich ſein Bette zeigen — hier machte er faſt
die halbe Nacht Entwuͤrfe, wie er nun mit Ehren
aus dieſem Gaſthofe kommen ſollte, wenn etwa
ſeine Zeche mehr betruͤge, als die wenigen Gro¬
ſchen, die er noch uͤbrig hatte. —

Da er ſich nun am andern Morgen erkun¬
digte, wie viel er bezahlen muͤſſe, ſo langten zu¬
faͤlligerweiſe die wenigen Groſchen, die er noch

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[163/0173] und kehrte am Abend mit ihnen in die Herberge ein. — Von da wollte er den andern Morgen mit einem andern Schiffe weiter bis an die Seekuͤſte fahren, er ſah ſchon in Gedanken die ungeheuren Waſſerfluthen vor ſich, und ſeine Einbildungs¬ kraft war gerade bis auf den hoͤchſten Grad ge¬ ſpannt, da ihm ploͤtzlich eine Sache einfiel, die er die ganze Reiſe uͤber noch nicht reiflich erwo¬ gen hatte, ob nehmlich auch ſeine Boͤrſe zureichen wuͤrde — und wie erſchrack er, da er ſich von dem Schiffer ſeine Rechnung machen ließ, und nachdem er ſie bezahlt hatte, nur noch wenige Groſchen uͤbrig behielt. — Er getraute ſich nun den Abend nicht, zu eſſen, ſondern gab Kopfweh vor, und ließ ſich ſogleich ſein Bette zeigen — hier machte er faſt die halbe Nacht Entwuͤrfe, wie er nun mit Ehren aus dieſem Gaſthofe kommen ſollte, wenn etwa ſeine Zeche mehr betruͤge, als die wenigen Gro¬ ſchen, die er noch uͤbrig hatte. — Da er ſich nun am andern Morgen erkun¬ digte, wie viel er bezahlen muͤſſe, ſo langten zu¬ faͤlligerweiſe die wenigen Groſchen, die er noch L 2

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/173>, abgerufen am 29.03.2024.