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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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Und da er nun einmal an einem schönen
Abend, bei hellem Mondschein, ganz voll von
diesem Gedanken, um den Wall spatzieren ging,
so erinnerte er sich an ein Gedicht, gegen die
Gottesleugner, das er ein paar Jahre vorher,
wegen des deklamatorischen Ausdrucks, der darin
herrschte, fast auswendig gelernt hatte, das ihm
aber in Ansehung der Gedanken jetzt höchst ab¬
geschmackt vorkam -- indes wurde dieser Gegen¬
stand ihm in den Augenblick so lebhaft -- daß er
noch einmal den Spatziergang um den Wall
machte, und während dieser Zeit, sein Gedicht,
der Gottesleugner, in seinem Kopfe vollendet
hatte. --

Seine Gedanken hatten eine eigne Wendung
genommen, welche von der alltäglichen in dem
Gedichte, das er auswendig wußte, ganz ver¬
schieden war. -- Er dachte sich den Gottesleug¬
ner, als den Sklaven des Sturmwindes, des
Donners, der tobenden Elemente, der Krank¬
heit, und der Verwesung, kurz als den Sklaven
aller der unvernünftigen leblosen Wesen, die
stärker sind als er, und die nun seine Herren ge¬
worden sind, da er den Geist voll ewger Huld

nicht

Und da er nun einmal an einem ſchoͤnen
Abend, bei hellem Mondſchein, ganz voll von
dieſem Gedanken, um den Wall ſpatzieren ging,
ſo erinnerte er ſich an ein Gedicht, gegen die
Gottesleugner, das er ein paar Jahre vorher,
wegen des deklamatoriſchen Ausdrucks, der darin
herrſchte, faſt auswendig gelernt hatte, das ihm
aber in Anſehung der Gedanken jetzt hoͤchſt ab¬
geſchmackt vorkam — indes wurde dieſer Gegen¬
ſtand ihm in den Augenblick ſo lebhaft — daß er
noch einmal den Spatziergang um den Wall
machte, und waͤhrend dieſer Zeit, ſein Gedicht,
der Gottesleugner, in ſeinem Kopfe vollendet
hatte. —

Seine Gedanken hatten eine eigne Wendung
genommen, welche von der alltaͤglichen in dem
Gedichte, das er auswendig wußte, ganz ver¬
ſchieden war. — Er dachte ſich den Gottesleug¬
ner, als den Sklaven des Sturmwindes, des
Donners, der tobenden Elemente, der Krank¬
heit, und der Verweſung, kurz als den Sklaven
aller der unvernuͤnftigen lebloſen Weſen, die
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[112/0122] Und da er nun einmal an einem ſchoͤnen Abend, bei hellem Mondſchein, ganz voll von dieſem Gedanken, um den Wall ſpatzieren ging, ſo erinnerte er ſich an ein Gedicht, gegen die Gottesleugner, das er ein paar Jahre vorher, wegen des deklamatoriſchen Ausdrucks, der darin herrſchte, faſt auswendig gelernt hatte, das ihm aber in Anſehung der Gedanken jetzt hoͤchſt ab¬ geſchmackt vorkam — indes wurde dieſer Gegen¬ ſtand ihm in den Augenblick ſo lebhaft — daß er noch einmal den Spatziergang um den Wall machte, und waͤhrend dieſer Zeit, ſein Gedicht, der Gottesleugner, in ſeinem Kopfe vollendet hatte. — Seine Gedanken hatten eine eigne Wendung genommen, welche von der alltaͤglichen in dem Gedichte, das er auswendig wußte, ganz ver¬ ſchieden war. — Er dachte ſich den Gottesleug¬ ner, als den Sklaven des Sturmwindes, des Donners, der tobenden Elemente, der Krank¬ heit, und der Verweſung, kurz als den Sklaven aller der unvernuͤnftigen lebloſen Weſen, die ſtaͤrker ſind als er, und die nun ſeine Herren ge¬ worden ſind, da er den Geiſt voll ewger Huld nicht

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/122>, abgerufen am 20.04.2024.