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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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dem Nahmen desselben erkundigte, erfuhr er,
daß er Reiser hieße, und aus Erfurt gebürtig sey.

Nun war es Reisern sehr auffallend daß die¬
ser junge Mensch, den er schon so liebgewonnen
hatte, gerade mit ihm einerlei Nahmen führte,
ohngeachtet er wegen die Entfernung des Ge¬
burtsortes schwerlich mit ihm verwandt seyn
konnte. -- Er hätte gern gleich mit ihm Be¬
kanntschaft gemacht, aber er wagte es noch nicht,
weil sein Nahmensgenosse ein Primaner, und er
nur ein Sekundaner war. -- Auch fürchtete er sich
vor dem Witze desselben, dem er sich nicht gewach¬
sen fühlte, wenn er einmal auf ihn sollte gerich¬
tet werden. Indes fügte sich ihre Bekanntschaft
von selber, indem Philipp Reiser auf Anton Rei¬
sers stilles und in sich gekehrtes Wesen, eben so
wie dieser auf das lebhafte Wesen von jenem,
immer aufmerksamer wurde, und sie sich ohnge¬
achtet dieser Verschiedenheit ihrer Charaktere,
bald unter der Menge heraus fanden, und
Freunde wurden.

Dieser Philipp Reiser war gewiß ein vortref¬
licher Kopf, der aber auch, durch die Umstände,

dem Nahmen deſſelben erkundigte, erfuhr er,
daß er Reiſer hieße, und aus Erfurt gebuͤrtig ſey.

Nun war es Reiſern ſehr auffallend daß die¬
ſer junge Menſch, den er ſchon ſo liebgewonnen
hatte, gerade mit ihm einerlei Nahmen fuͤhrte,
ohngeachtet er wegen die Entfernung des Ge¬
burtsortes ſchwerlich mit ihm verwandt ſeyn
konnte. — Er haͤtte gern gleich mit ihm Be¬
kanntſchaft gemacht, aber er wagte es noch nicht,
weil ſein Nahmensgenoſſe ein Primaner, und er
nur ein Sekundaner war. — Auch fuͤrchtete er ſich
vor dem Witze deſſelben, dem er ſich nicht gewach¬
ſen fuͤhlte, wenn er einmal auf ihn ſollte gerich¬
tet werden. Indes fuͤgte ſich ihre Bekanntſchaft
von ſelber, indem Philipp Reiſer auf Anton Rei¬
ſers ſtilles und in ſich gekehrtes Weſen, eben ſo
wie dieſer auf das lebhafte Weſen von jenem,
immer aufmerkſamer wurde, und ſie ſich ohnge¬
achtet dieſer Verſchiedenheit ihrer Charaktere,
bald unter der Menge heraus fanden, und
Freunde wurden.

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licher Kopf, der aber auch, durch die Umſtaͤnde,

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[84/0094] dem Nahmen deſſelben erkundigte, erfuhr er, daß er Reiſer hieße, und aus Erfurt gebuͤrtig ſey. Nun war es Reiſern ſehr auffallend daß die¬ ſer junge Menſch, den er ſchon ſo liebgewonnen hatte, gerade mit ihm einerlei Nahmen fuͤhrte, ohngeachtet er wegen die Entfernung des Ge¬ burtsortes ſchwerlich mit ihm verwandt ſeyn konnte. — Er haͤtte gern gleich mit ihm Be¬ kanntſchaft gemacht, aber er wagte es noch nicht, weil ſein Nahmensgenoſſe ein Primaner, und er nur ein Sekundaner war. — Auch fuͤrchtete er ſich vor dem Witze deſſelben, dem er ſich nicht gewach¬ ſen fuͤhlte, wenn er einmal auf ihn ſollte gerich¬ tet werden. Indes fuͤgte ſich ihre Bekanntſchaft von ſelber, indem Philipp Reiſer auf Anton Rei¬ ſers ſtilles und in ſich gekehrtes Weſen, eben ſo wie dieſer auf das lebhafte Weſen von jenem, immer aufmerkſamer wurde, und ſie ſich ohnge¬ achtet dieſer Verſchiedenheit ihrer Charaktere, bald unter der Menge heraus fanden, und Freunde wurden. Dieſer Philipp Reiſer war gewiß ein vortref¬ licher Kopf, der aber auch, durch die Umſtaͤnde,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/94>, abgerufen am 29.03.2024.