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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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und Bewegungen zeigten mehr Lebhaftigkeit
und Gewandtheit, als das äußer der steifen
und schwerfälligen H. . .r -- Reiser konnte
sich immer nicht satt an ihm sehen; und da er
ihn nun reden hörte, so konnte er sich nicht
enthalten seine wohlgesetzten Ausdrücke, in dem
obersächsischen Dialekt zu bewundern; alles was
die H...r sagten, kam ihm dagegen plump und
abgeschmackt vor. -- Nun war der Präfektus
im Chore ein alter versoffener Kerl, mit dem
sich dieser Ausländer immer am meisten herum¬
zankte, und ihm gemeiniglich sehr treffende und
beißende Antworten zu geben pflegte, wenn der
Präfektus sich eine Art von Oberherschaft über
ihn anmaßen wollte. Und als dieser unter an¬
dern einmal zu ihm sagte, er sey schon zu lange
Präfektus, als daß er sich von so einem Gelb¬
schnabel dürfe Anzüglichkeiten sagen lassen, so
antwortete der Ausländer, es bringe ihm freilich
eben nicht viel Ehre, daß er so ein alter Knabe,
und noch immer Präfektus sey -- Diese Ueberle¬
genheit des Witzes, womit der Ausländer den Prä¬
fektus auf einmal niederschlug, machte Reisern
noch aufmerksamer auf ihn, und da er sich nach

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und Bewegungen zeigten mehr Lebhaftigkeit
und Gewandtheit, als das aͤußer der ſteifen
und ſchwerfaͤlligen H. . .r — Reiſer konnte
ſich immer nicht ſatt an ihm ſehen; und da er
ihn nun reden hoͤrte, ſo konnte er ſich nicht
enthalten ſeine wohlgeſetzten Ausdruͤcke, in dem
oberſaͤchſiſchen Dialekt zu bewundern; alles was
die H...r ſagten, kam ihm dagegen plump und
abgeſchmackt vor. — Nun war der Praͤfektus
im Chore ein alter verſoffener Kerl, mit dem
ſich dieſer Auslaͤnder immer am meiſten herum¬
zankte, und ihm gemeiniglich ſehr treffende und
beißende Antworten zu geben pflegte, wenn der
Praͤfektus ſich eine Art von Oberherſchaft uͤber
ihn anmaßen wollte. Und als dieſer unter an¬
dern einmal zu ihm ſagte, er ſey ſchon zu lange
Praͤfektus, als daß er ſich von ſo einem Gelb¬
ſchnabel duͤrfe Anzuͤglichkeiten ſagen laſſen, ſo
antwortete der Auslaͤnder, es bringe ihm freilich
eben nicht viel Ehre, daß er ſo ein alter Knabe,
und noch immer Praͤfektus ſey — Dieſe Ueberle¬
genheit des Witzes, womit der Auslaͤnder den Praͤ¬
fektus auf einmal niederſchlug, machte Reiſern
noch aufmerkſamer auf ihn, und da er ſich nach

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[83/0093] und Bewegungen zeigten mehr Lebhaftigkeit und Gewandtheit, als das aͤußer der ſteifen und ſchwerfaͤlligen H. . .r — Reiſer konnte ſich immer nicht ſatt an ihm ſehen; und da er ihn nun reden hoͤrte, ſo konnte er ſich nicht enthalten ſeine wohlgeſetzten Ausdruͤcke, in dem oberſaͤchſiſchen Dialekt zu bewundern; alles was die H...r ſagten, kam ihm dagegen plump und abgeſchmackt vor. — Nun war der Praͤfektus im Chore ein alter verſoffener Kerl, mit dem ſich dieſer Auslaͤnder immer am meiſten herum¬ zankte, und ihm gemeiniglich ſehr treffende und beißende Antworten zu geben pflegte, wenn der Praͤfektus ſich eine Art von Oberherſchaft uͤber ihn anmaßen wollte. Und als dieſer unter an¬ dern einmal zu ihm ſagte, er ſey ſchon zu lange Praͤfektus, als daß er ſich von ſo einem Gelb¬ ſchnabel duͤrfe Anzuͤglichkeiten ſagen laſſen, ſo antwortete der Auslaͤnder, es bringe ihm freilich eben nicht viel Ehre, daß er ſo ein alter Knabe, und noch immer Praͤfektus ſey — Dieſe Ueberle¬ genheit des Witzes, womit der Auslaͤnder den Praͤ¬ fektus auf einmal niederſchlug, machte Reiſern noch aufmerkſamer auf ihn, und da er ſich nach F 2

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/93>, abgerufen am 29.03.2024.